Chiemsee
Steinplatte vor dem Jodl-Grab deckt Namen ab

Wer die Inschrift auf dem Jodl-Grab damit verdeckt hat, ist unklar – "So kann man Geschichte nicht umschreiben"

14.05.2020 | Stand 21.09.2023, 2:41 Uhr

Dass Name und Dienstgrad jetzt nicht nur durch den Buchsbaum, sondern auch eine Steinplatte verdeckt sind, reicht den Gegnern des Jodl-Grabes nicht. −Fotos: privat

Eine Steinplatte unbekannten Ursprungs verdeckt nun zwar den Namen und den Dienstgrad des Nazi-Kriegsverbrechers. Die Gegner des Gedenkkreuzes für Wehrmachtsgeneral Alfred Jodl auf der Fraueninsel bleiben aber bei ihrer Forderung, dass das Grabmal ganz vom Klosterfriedhof des Chiemsee-Eilands verschwindet.

Wer die massive Platte mit der Aufschrift "Familie Jodl" angebracht hat, ist unklar. Auch der neu gewählte Bürgermeister von Chiemsee, Armin Krämmer, kann das nicht sagen. Mit der Gemeinde habe niemand Kontakt aufgenommen. "Ich habe die massive Steinplatte vor etwa eineinhalb Wochen entdeckt", sagt Krämmer im Gespräch mit der Heimatzeitung. "Sie ist professionell befestigt, also nicht nur hingelehnt worden."

Um das Grab gibt es seit Jahren Streit. Alfred Jodl selbst liegt dort nicht begraben, sondern seine beiden Ehefrauen. Seine Asche wurde nach seiner Hinrichtung als Kriegsverbrecher in die Isar gestreut. Auf dem Gedenkstein in Kreuzform standen – nun verdeckt – seine Lebens- und Sterbedaten, die Darstellung des Eisernen Kreuzes sowie sein Militärrang eines Generalobersts.

Der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner hatte dies als illegales Ehrenmal gesehen und in mehreren Aktionen dagegen protestiert. Im Mai 2015 brachte er eine Tafel an mit der Aufschrift: "Keine Ehre dem Kriegsverbrecher!" Später bemalte er Teile der Grabstätte mit blutroter Farbe.

Auf eine Platte, wie sie nun angebracht wurde, hatten sich der vorherige Inselbürgermeister Georg Huber und ein Nachfahre von Jodls zweiter Frau 2018 geeinigt, doch der Gemeinderat hatte dem nicht zugestimmt.

Überraschende Wende im Dauerstreit

Im Februar diesen Jahres hat der Petitionsausschuss des bayerischen Landtags für eine überraschende Wende im Dauerstreit gesorgt. Einstimmig werteten die Abgeordneten es als ein berechtigtes Anliegen, das Steinkreuz zu entfernen. Grünen-MdL Dr. Martin Runge, einer der beiden Ausschussvorsitzenden, sah darin "ein klares Signal an die Gemeinde, endlich zu handeln". Sollte dies nicht der Fall sein, so Runge, müsse man einen anderen Weg finden, beispielsweise durch eine Änderung des Bayerischen Bestattungsgesetzes.

Inselbewohner Georg Wieland, der seit Jahren gegen das Jodl-Kreuz kämpft, geht davon aus, dass es der Grabnutzungsberechtigte war, der die "merkwürdige" Steinplatte angebracht hat. Jedenfalls sei dies keine Lösung des Problems. "Ein Ehrenkreuz für einen Massenmörder, das alle anderen Grabstätten überragt", bleibe ein öffentliches Ärgernis. "Die neue Aufschrift ,Familie Jodl‘ mag sich nett und neutral anhören, aber ein Kriegsverbrecher ist keine neutrale Person." Eine solchen faulen Kompromiss werde man nicht akzeptieren. "So kann man Geschichte nicht umschreiben und verharmlosen, geschweige denn aufarbeiten."

Ob Wielands Wunsch in Erfüllung geht, dass die Gemeinde die Vorgabe des Petitionsausschusses umsetzt, lässt Armin Krämmer offen. "Natürlich wird sich der Gemeinderat mit dem Thema grundsätzlich beschäftigen, jedoch noch nicht in der nächsten Sitzung am kommenden Dienstag." Der Bürgermeister hat, wie er sagt, noch keine Meinung zum Jodl-Grab. "Die muss ich mir erst bilden. Ich habe mich mit dem Streit bislang nicht beschäftigt." Bis die neuen Gemeinderäte das weitere Vorgehen besprechen und die Anbringung der Steinplatte rechtlich beurteilen, werde das Grab nun so bestehen bleiben.