Traunstein
Schweinehalter: "Situation ist dramatisch"

Mehr Wertschätzung des regionalen Produkts notwendig

12.10.2021 | Stand 21.09.2023, 1:51 Uhr
Pia Mix

An der Gesprächsrunde beteiligten sich (von links) Matthäus Michlbauer, Hans Zens, Hans Gruber, Josef Sprenger, Sebastian Siglreithmayer, Frank Janetzky, Josef Haider, Gerhard Langreiter, Franz Mitterberger und Wolfgang Maier. −Foto: Mix

Der Kreisverband Traunstein des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), vertreten durch Kreisbäuerin Irina Esterbauer, Kreisobmann Sebastian Siglreithmayer sowie Geschäftsführer Matthäus Michlbauer , hatte zu einer Gesprächsrunde rund um den aktuellen Verfall der Erzeugerpreise beim Schwein eingeladen. "Katastrophale Erzeugerpreise, hohe Kosten, ständig wachsende Anforderungen insbesondere beim Tierwohl, fehlende Planungssicherheit" und einige andere Faktoren mehr zählte der BBV-Geschäftsführer auf, die den Schweinehaltern in der Region aktuell das Leben schwermachen. In der Runde beschloss man daher, ein gemeinsames Positionspapier zu erarbeiten, das man an die großen Lebensmittel-Einzelhandelsketten schicken will. Vertreter von Edeka und Kaufland waren ebenfalls zum Gespräch geladen worden, hatten jedoch kurzfristig ihre Teilnahme abgesagt.

Beim Betrieb von Schweinehalter Wolfgang Maier in Reiterberg bei Obing trafen sich die Vertreter des BBV, des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), der Viehvermarkter und der Metzgerinnung. Sie alle sind sich einig, dass schnell was geschehen muss, um die noch bestehenden Schweinehalter in der Region zu erhalten, und dass man das nur gemeinsam schaffe.

Hans Zens vom AELF erläuterte, dass sich in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land die Zahl der Zuchtsauenhalter halbiert hat. Von vor wenigen Jahren noch 64 Haltern sind jetzt nur noch 34 übrig, die statt vorher 3400 nur noch 1500 Zuchtsauen halten. Die Region sei damit in Bezug auf Schweinefleisch unterversorgt, könne den eigenen Bedarf gar nicht mehr decken und müsse Fleisch einführen. Bayernweit ging die Zahl der schweinehaltenden Betriebe von 7600 im Jahr 2010 auf 4200 im aktuellen Jahr und damit um 45 Prozent zurück.

Nun könnte man meinen, dass damit der Preis steige. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: "Während der Preis an der Ladentheke in den vergangenen zwei Jahren um fast einen Euro je Kilo gestiegen ist, sind die Erzeugerpreise um 50 Cent gesunken – und das bei ständig steigenden Anforderungen an die Schweinehaltung", hatte der bayerische Bauernpräsident Walter Heidl kürzlich bei einem Krisengespräch zum Thema gesagt.

Ein großes Problem sieht Franz Mitterberger, Bereichsleiter für Schweinevermarktung bei der Vieh Vermarktungsgenossenschaft Oberbayern, darin, dass die vier großen Lebensmittel-Einzelhandelsketten (LEH) anschaffen und den Preis sowie die Anforderungen an die Bauern diktieren. Denen wiederum fehle jegliche Perspektive, und sie könnten mit kurzfristigen Verträgen über ein oder zwei Jahre nicht in die Zukunft planen oder wie von den Märkten gefordert in mehr Tierwohl investieren.

Wichtig wäre es darum, die Verbraucher davon zu überzeugen, dass sie hochwertiges Fleisch zum angemessenen Preis beim Metzger kaufen und nicht im Supermarkt. Einig waren sich die Gesprächsteilnehmer: "Die Kunden wollen schon Qualität, die aber nicht zu viel kosten darf." Lippenbekenntnissen zur Regionalität und zum Tierwohl der Verbraucher folgten oft leider keine Taten, am Ende griffen sie doch wieder zu den Billigangeboten.

Franz Mitterberger ist der Meinung, die Landwirte müssten selbstbewusster auftreten und zeigen, was die Bayerischen Bauern jetzt bereits leisten. CO2- Neutralität, selber produziertes Futter, kurze Wege, Flächengebundenheit und Nachhaltigkeit seien alles Argumente, die für die Schweinehalter in der Region sprächen, aber zu wenig beachtet würden. Josef Sprenger, Obermeister der Metzger-Innung Traunstein und Berchtesgadener Land, machte den Bauern ein Angebot: Er könnte sich einen Mindestpreis für Schweinefleisch vorstellen, wenn es dazu auch einen Höchstpreis gibt, "damit auch der Metzger sein Auskommen hat". Derzeit bekomme ein Bauer in der Regel 1,20 Euro für ein Kilogramm Schweinefleisch. Notwendig wären jedoch 1,50 bis 1,60 Euro, um Kostendeckung zu erreichen. "Wenn der Preis so niedrig bleibt, und das noch ein halbes Jahr so weiter geht, gehen bei vielen Schweinehaltern die Lichter aus", prognostiziert Franz Mitterberger.

Einig waren sich alle Gesprächsteilnehmer, dass mehr Werbung für das heimische Fleisch gemacht werden müsse. "Schweinefleisch ist anonym, keiner weiß, von welchem Bauern es kommt", kritisierte Hans Zens. Wenn der Verbraucher die Information bekomme, von welchem Hof das Schnitzel stammt, schaffe das Vertrauen.

Frank Janetzky, Schweinehalter aus Traunwalchen, praktiziert die Öffnung seines Hofes schon seit längerem, lädt Schulklassen und Vereine ein, sich bei ihm umzuschauen. Was er allerdings bemängelt ist, dass die Zahl der Metzger und Schlachtbetriebe in der näheren Umgebung drastisch zurückgegangen ist und die Tiere teils weit gefahren werden müssen. In Traunreut, der größten Stadt im Landkreis, beispielsweise gebe es keinen Metzger mehr, und auch in Traunstein werde nicht mehr geschlachtet.

Matthäus Michlbauer sieht in der aktuellen Situation ein klares politisches Versäumnis. Zur katastrophalen Situation der Schweinehalter trage die Afrikanische Schweinepest ASP bei. Deutschland schaffe es nicht, diese einzudämmen, immer wieder kämen neue Fälle aus Polen über die Grenze. Seit dem ersten Auftreten von ASP falle der Export vor allem in asiatische Länder weg, die vom Schwein all die Teile aufkauften, die in Deutschland nicht genutzt werden. Für Mitterberger ist an dieser Politik klar erkennbar: "Das erklärte Ziel ist die Reduzierung der Tierhaltung generell." Deshalb gehe man so halbherzig damit um. Hans Zens sagte: "In unseren beiden Landkreisen ist die Zahl der Schweinehalter schon so gering, da wäre es um jeden schade. Wir brauchen sie alle für die Zukunft."

"Faire Sau" und kein abgepacktes Fleisch mehr

Als Wunsch an die LEH für die Zukunft formulierten die Gesprächsteilnehmer eine verpflichtende Kennzeichnung auf allen Produkten einschließlich Verarbeitungsware, aus der klar ersichtlich ist, wo das jeweilige Fleisch herkommt. Metzger Josef Sprenger wünscht sich darüber hinaus, dass künftig kein abgepacktes Fleisch mehr angeboten werden darf: "Wir müssen dem Lebensmittel Fleisch wieder die Wertschätzung geben, die es wert ist. Es hängen viele Leute daran, die davon leben müssen."

Langfristige Verträge, die den Bauern Planungssicherheit geben, forderte Franz Mitterberger. Und Gerhard Langreiter, Vorsitzender des Fleischerzeugerrings Mühldorf/Traunstein, brachte den Begriff einer "fairen Sau" ähnlich der Fairtrade-Produkte aus anderen Ländern ins Gespräch. Damit bekäme auch die Regionalität wieder mehr Bedeutung. Am Ende waren sich die Teilnehmer einig, dass man nur gemeinsam etwas erreichen kann und man deshalb weiter am Thema dranbleiben müsse.