Trostberg
Kirchendieb vor dem Amtsgericht: "Ich wollt’ das Kreuz halt haben"

10.06.2021 | Stand 21.09.2023, 2:10 Uhr

Aus der Schwarzauer Kirche wurden im Dezember vergangenen Jahres die Gegenstände entwendet. −Fotos: luh/fam

Ein 28 Jahre alter Trostberger hatte am 9. Dezember 2020 ein Gotteslob aus einem Schrank neben dem Beichtstuhl und ein Liegekreuz vom Volksaltar der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in der Schwarzau gestohlen. Das Amtsgericht Traunstein mit Richter Wolfgang Ott verurteilte den voll geständigen, wegen Krankheit vermindert schuldfähigen Mann gestern wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro, somit von 1600 Euro. Der Angeklagte akzeptierte die Strafe sofort.

Der 28-Jährige, der mittlerweile nicht mehr in Trostberg, sondern in einer sozialtherapeutischen Einrichtung im Landkreis Rosenheim lebt, zeigte – wie der Richter später im Urteil anmerkte – "eine entwaffnende Ehrlichkeit". Er sagte: "Es ist korrekt. Ich hab’ ein Gotteslob und ein Kreuz mitgenommen. Das stimmt. Ich hatte das Verlangen, so was zu haben." In dem Gotteslob habe er lesen wollen, das Kreuz zur Zierde mitgenommen. Seine Eltern hätten beides inzwischen zurückgegeben. "Wie waren Sie beieinander?", wollte Staatsanwalt Nils Wewer wissen. Der Angeklagte antwortete: "Ich war total nüchtern."

Ein rechtliches Problem warf der Verteidiger, Michael Vogel aus Traunstein, auf. Vereinfacht gesagt: In Kirchen gebe es "Allerweltgegenstände", die unter einfachen Diebstahl fallen, und solche, die als unersetzlich für die religiöse Glaubensgemeinschaft geschützt sind und als "besonders schwerer Diebstahl" gelten. Weder ein Gotteslob noch das Liegekreuz zählten seiner Meinung nach zur zweiten Gruppe. Bezüglich des Gesangsbuchs schloss sich Richter Ott an, nicht aber beim Kreuz. Der Staatsanwalt ergänzte: "Etwas Höheres als das Kreuz haben wir fast nicht." Der Verteidiger entgegnete: "Ein Liegekreuz liegt nur rum."

Der Mesner Hans Aitl bezifferte den Wert des Kreuzes mit unter 50 Euro. Man könne es in kirchlichen Versandhäusern und "in Altötting an jedem Stand" kaufen. Das Kreuz habe seit Jahren in der Mitte des Volksaltars gelegen: "Es liegt da, dass der Altar seine Funktion erfüllen kann, damit man sieht, dass es ein Altar ist." Nur der Pfarrer sehe das Kreuz. Inzwischen räume er das Kreuz nach jedem Gottesdienst wieder weg, berichtete Aitl, der als Zeuge geladen war. Und weiter: "Meiner Meinung nach ist das Kreuz in der katholischen Kirche eine besondere Sache."

"Das Kreuz ist ein Hauptsymbol des Christentums", hob der Staatsanwalt im Plädoyer auf eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 40 Euro, also von 3600 Euro, wegen eines besonders schweren Falls des Diebstahls heraus. "Knackpunkt ist die Bewertung des Liegekreuzes. Ich teile die Auffassung des Staatsanwalts nicht, dass dieses Kreuz unter besonderen Schutz fällt", argumentierte der Verteidiger und beantragte wegen normalen Diebstahls eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 Euro, insgesamt 1200 Euro. Das Kreuz werde nicht von Gläubigen verehrt, sondern liege auf dem Altar, um ihn als solchen kenntlich zu machen. Im "letzten Wort" beteuerte der 28-Jährige: "Es tut mir ganz schön leid. Es hätte nicht unbedingt sein müssen."

Der Wertung des Staatsanwalts schloss sich das Gericht im Urteil an. Richter Wolfgang Ott begründete: "Das Kreuz ist Hauptsymbol des christlichen Glaubens und dient der religiösen Verehrung – zumindest des Priesters."

− kd