In Hirschhorner Kirche
Würdiges Gedenken an virtuose Organistin: Zum 100. Geburtstag von Rosa Kronacker

04.01.2025 | Stand 04.01.2025, 5:00 Uhr |

Bei der Ehrung für über 70-jähriges Wirken 2012: Edith Kleeberger, Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, Pfarrer Michael Bichler sowie die die beiden damaligen Kirchenverwaltungsmitglieder Fritz Redmann und Franz Alram mit Rosa Kronacker (2. von rechts).

Am Samstag, 4. Januar, hätte Rosa Kronacker aus Hirschhorn ihren 100. Geburtstag feiern können. Doch die Last der Altersgebrechen war ihr zu schwer geworden, 98-jährig starb sie im Februar 2023. Wenn man in ihren letzten Jahren mit ihr sprach, stellte sie sachlich, ohne groß zu klagen, fest, dass es nicht mehr geht mit dem Hören, Sehen, Gehen. Nicht einfach für diese starke Frau, sich eingestehen zu müssen, dass sie zu schwach fürs Leben geworden war.

Kindheit in bescheidenen Verhältnissen



Als sie am 4. Januar 1925 in Baumgarten (Hickerstall) das Licht der Welt erblickte, dann auf dem elterlichen Anwesen in Kreuzöd (Hammersbach) in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, gab es keinerlei Vorzeichen, dass die kleine Rosl Reiterer auf ihrem Lebensweg in eine hohe Welt der Musik gelangen würde. Sie wurde in Deutschlands dunkelste Zeit hineingeboren – wiederholt haben schlimme politische Entwicklungen ihren Weg zur Musik gelenkt.

Doch zunächst musste sie den weiten Schulweg bewältigen, dann den Unterricht von 8 bis 16 Uhr, dazu Mithilfe in Haus und Feld. Mit 14 Jahren kam Rosl völlig unerwartet an die Orgel: Hirschhorns Lehrer Schmalzl hatte 1939 aufgrund seiner Tätigkeit als NSDAP-Parteiredner den Organistendienst aufgekündigt. Pfarrer Josef Mitterer wollte sich nicht mit stillen Messen abfinden und konnte das begabte Mädchen für das Orgelspiel gewinnen. Umgehend engagierte er für sie eine Lehrerin – Rosls Leben nahm eine neue Richtung.

Vieles geschafft im Leben



Das erste große Ziel war der 10. Oktober 1939: festlicher Tag der Volksmission – da sollte die Orgel in St. Rupert wieder erklingen. Die Rosl hat das geschafft, wie später so vieles im Leben.

Wenige Monate später wurde ihr Weg erneut durch schlimme Politik gelenkt: vom Krieg. Anfang 1940 waren Soldaten in Eggenfelden einquartiert, unter ihnen ein Klavierlehrer vom Augsburger Konservatorium. Pfarrer Mitterer fand das heraus und bewerkstelligte, dass Rosl von diesem Unterricht erhielt. Als der Klavierlehrer an die Front musste, meldete er Rosl zur Ausbildung im Konservatorium an und sorgte sogar dafür, dass sie bei seinen Eltern wohnen konnte.

Schülerin bei Orgelvirtuose Prof. Arthur Piechler



In Augsburg wurde sie Schülerin des Orgelvirtuosen Prof. Arthur Piechler. Doch als das Konservatorium von Bomben schwer getroffen wurde, musste sie wie alle wieder heim. Aber sie ließ nicht locker, konnte bei Professoren in Landshut und im Salzburger Mozarteum ihre Kenntnisse weiter ausbauen. Daneben half sie der Mutter auf dem Hof, der Vater war im Krieg.

Dann „dirigierte“ erneut die Zeitgeschichte: Im Hirschhorner Pfarrhof wurde die Flüchtlingsfamilie Tuvik aus Estland einquartiert, dabei Tochter Natalie, zuvor Professorin an der Musikhochschule Tallinn. Zeitlebens erinnerte sich Rosa Kronacker dankbar, dass sie dank deren „hervorragendem Klavierunterricht“ im Staatsexamen sehr gut abschnitt.

Neue Orgel in schwerer Zeit



Jetzt führte sie Hirschhorns Kirchenchor mit anspruchsvollen Werken steil aufwärts. Doch die altersschwache Orgel konnte das nicht mehr „derschnaufen“. Rosa Kronacker fand Hilfe bei ihrem Lehrer Prof. Piechler, der auch als Orgelsachverständiger amtierte. Zusammen mit ihm schaffte sie es in vielen Verhandlungen, dass Hirschhorn trotz der schweren Nachkriegszeit eine neue Orgel bekam. Bei deren Einweihung am 8. Dezember 1946 war Prof. Piechler als Ehrengast zugegen, standesgemäß in einer Pferdekutsche vom Bahnhof abgeholt.

Unter Prof. Eugen Jochum legte Kronacker die staatliche Chorleiter-Prüfung ab, füllte nun ihr Leben aus als Organistin, Chorleiterin, Gesangs- und Klavierlehrerin. Unter ihr erlebte Hirschhorns Chor eine Glanzzeit mit etwa 30 Sängerinnen und Sängern; dafür musste eigens die Chor-Empore erweitert werden. Sie qualifizierte die Laienschar mit hoher fachlicher Kompetenz, Güte und Engelsgeduld für höchst anspruchsvolle Werke.

Über 70 Jahre lang engagierte sich Rosa Kronacker für Hirschhorns Chor und Orgel, bis sie 2012 gesundheitsbedingt das Amt aufgab. Sie sei, so notierte sie, stolz auf ihr Leben, das durch „das musikalische Reden mit Gott auf der Orgel“ erfüllt worden sei. Als sie am 27. Februar 2023 nach einem feierlichen Requiem mit fünf Geistlichen an der Seite ihres Ehemannes Josef zur letzten Ruhe gebettet wurde, sagte in einem bewegenden Nachruf der langjährige Chorsänger Hans Ries: „Ihr musikalisches Können, ihr bescheidenes Wesen und ihre Liebe zu Gott und den Menschen haben sich tief in unsere Herzen eingegraben.“ Das gilt auch für die große Schar ihrer Klavier- und Gesangsschüler.

Pastoralmesse von Kempter am Dreikönigstag

Ein würdiges Gedenken zum 100. Geburtstag erfährt Rosa Kronacker am Dreikönigstag, 6. Januar, 10 Uhr in der grundlegend renovierten Hirschhorner Kirche. Im Hochamt wird der Chor die von ihr besonders geliebte Pastoralmesse von Karl Kempter aufführen. Zusammen mit seinem Vater, dem letzten Hirschhorner Schulleiter Franz Maicher, hat auch der Verfasser dieser Zeilen da öfters mitgesungen. War er doch einer ihrer frühen Klavierschüler, als achtjähriger Bub 1952 bis zum Abitur 1963. Noch heute sieht er in seinen Klaviernoten in zierlicher Bleistiftschrift ihre Hinweise für Tempo und Ausdruck des Stücks. „Singen!“ schrieb sie, wenn sie seine Seele in Töne bringen wollte. Das ist ihr bei so vielen so oft gelungen. Danke, Rosa Kronacker!

Peter Maicher

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