Landrat schreibt Merkel
Impfstoff-Ärger im Kreis Rottal-Inn: Die Kanzlerin als letzte Hoffnung?

14.06.2021 | Stand 21.09.2023, 6:33 Uhr

In einem offenen Brief bittet Landrat Michael Fahmüller nun die Bundeskanzlerin, für mehr Impfstoff für Rottal-Inn zu sorgen. −Foto: red

Rottal-Inns Landrat Michael Fahmüller hat sich in einem Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt. Seine Forderung: "Gerechtigkeit bei der Impfstoffverteilung".

Bereits vor knapp einem Monat hatte sich der Landrat in einem Offenen Brief an Gesundheitsminister Jens Spahn gewandt und mehr Impfstoff für den Landkreis Rottal-Inn gefordert. Nachdem Michael Fahmüller bislang aber nicht einmal eine Antwort bekommen hat, geht er jetzt eine Etage höher. Am Montag hat Fahmüller ein Schreiben an die Bundeskanzlerin verfasst und wendet sich darin mit einem dringenden Appell zum Thema Gerechtigkeit bei der Impfstoffverteilung an Angela Merkel.



"Die Corona-Pandemie ist noch lange nicht ausgestanden und wir alle wissen, dass eine Rückkehr zur Normalität nur durch eine rasche Immunisierung der Bevölkerung durch Impfung möglich ist", schreibt Fahmüller. "Selbstverständlich ist mir, wie uns allen, bewusst, dass der Impfstoff gegen das Corona-Virus ein knappes Gut ist und jeder von uns gerne lieber heute als morgen noch mehr Impfstoff zur Verfügung hätte, um seinen Bürgerinnen und Bürgern möglichst schnell einen Schutz gegen die Pandemie anbieten zu können."

Landrat: Bei Verteilung müsse es gerecht zugehen

Dennoch: Man verlangen den Menschen seit eineinhalb Jahren sehr viel ab, und um weiter durchzuhalten brauchten diese die Perspektive, die eine Impfung bietet – und dabei müsse es vor allem gerecht zugehen. "Gerechtigkeit bei der Impfstoffverteilung ist jedoch ein Thema, mit dem wir im Landkreis Rottal-Inn derzeit sehr hadern", so Fahmüller. Rottal-Inn sei seit jeher einer der am meisten von der Coronakrise betroffenen Landkreise Bayerns und sogar Deutschlands. "Wir waren mehrfach die ,Nummer eins‘ bei den Inzidenzwerten in Bayern und sogar im bundesweiten Vergleich zeitweise an der Spitze, weswegen wir Ende letzten Jahres beispielsweise gemeinsam mit Berchtesgaden als erstes wieder in einen Lockdown eingetreten sind – mit allen daraus resultierenden negativen Konsequenzen für unsere Bürgerinnen und Bürger und insbesondere für unsere regionale Wirtschaft."

Schlechtere Impfquote - "aus Gründen, die wir nicht beeinflussen können"

Der Landrat betont einmal mehr, dass es Dank der herausragenden Arbeit seiner Mitarbeiter trotz allem gelungen sei, die Kontaktverfolgung stets, auch bei hohen Inzidenzwerten aufrecht zu erhalten. So sei es stets möglich geblieben, auch sehr hohe Inzidenzwerte in einem relativ kurzen Zeitraum wieder nach unten zu bringen. "Wesentlich schlechter sieht es leider bei der Impfquote im Landkreis aus", fährt er fort – "ärgerlicherweise aus Gründen, die wir aus eigener Kraft nicht beeinflussen können". Zum einen sei man, im Gegensatz zu den Nachbarkreisen, kaum mit Sonderlieferungen an Impfstoff bedacht worden. Sowohl bei der Vergabe an Grenzlandkreise als auch bei der Vergabe nach Inzidenzwert – zu einem Zeitpunkt, als man dank der Arbeit der Mitarbeiter und der Disziplin der Bevölkerung gerade einmal wieder in den Fallzahlen gesunken war – sei Rottal-Inn weitgehend leer ausgegangen. Diesbezüglich habe er sich mehrfach an die Bayerische Staatsregierung gewandt, erinnert Fahmüller.

Fahmüller fordert Verteilung nach Bevölkerungszahlen

Zum anderen – "und vor allem diesbezüglich wende ich mich an Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin" – sei die geringe Ärztedichte hier im ländlichen Raum ein großes Problem, was die Zuteilung von Impfstoffen angeht. "Unsere Ärzte im Landkreis engagieren sich vorbildlich für eine schnelle Impfung der Bevölkerung, wofür ich diesen sehr dankbar bin. Doch ein Vergleich der Impfquote im bundesweiten Durchschnitt zeigt, dass insbesondere mit der Freigabe von Impfungen bei Ärzten die Schere aufgrund der vergleichsweise geringen Ärztedichte im Landkreis weit aufgegangen ist und Rottal-Inn ein Stück weit abgehängt wurde." Das extrem Ärgerliche daran sei, dass man in dem vom Landkreis errichteten und mit Hilfe des Roten Kreuzes betriebenen Impfzentrum ausreichend Kapazitäten hätte, viel mehr Menschen zu impfen – allein der Impfstoff fehle.

Rottal-Inn hinkt mit Impfquote von 38,5 Prozent hinterher

"Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden", fordert Fahmüller. Es könne nicht sein, dass Menschen im ländlichen Raum aufgrund der geringen Ärztedichte nun auch noch bei der Impfstoffverteilung benachteiligt werden. Die Verteilung müsse sich unbedingt nach Bevölkerungszahlen und nicht nach der Zahl der Ärzte richten. "Wir haben in unserem Impfzentrum mehr als ausreichend Kapazitäten, die ,Arbeit‘ zu leisten, aber wir sind mangels Impfstoff zur Untätigkeit verdammt." Der Bundesdurchschnitt der Impfquote betrage (Stand 12. Juni, mindestens eine Impfung) 48,1 Prozent, der bayerische Durchschnitt 46,2 Prozent. Rottal-Inn hinke mit 38,5 Prozent deutlich hinterher, obwohl alle Voraussetzungen dafür geschaffen worden seien, deutlich mehr Menschen in deutlich kürzerem Zeitraum zu impfen. "Wir brauchen dringend zusätzliche Impfdosen, um diesen Rückstand wieder aufzuholen."

Diese Situation sei untragbar, so der Landrat. Es sei den Bürgern nicht mehr zu vermitteln, dass ausgerechnet der von Pandemie und Lockdown besonders betroffene Landkreis Rottal-Inn bei der Impfstoffzuweisung grundsätzlich benachteiligt werde. Deshalb bittet er die Bundeskanzlerin persönlich, Rottal-Inn unbedingt zusätzlichen Impfstoff zur Verfügung zu stellen, um die durch das bisherige System in der Vergangenheit entstandenen Impflücken auffüllen zu können. "Nur so kann es uns gelingen, auch im ländlichen Raum eine zufriedenstellende Durchimpfung der Bevölkerung zu erreichen."

Am Ende verweist Fahmüller darauf, dass er sich bereits vor einem Monat mit diesem Problem an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gewandt, aber leider bis heute keine Antwort erhalten habe.

− red