Theater an der Rott
Kritik zur Musical-Uraufführung "Die kritischen Torschlussjahre"

16.01.2022 | Stand 25.10.2023, 11:58 Uhr

Dieses "Mann-Haus-Baby-Paket" ist gar nichts für sie, erkennt Hannah (Yvonne Köstler) im Mono-Musical, das sie alleine trägt. −Foto: Sebastian Hoffmann / Theater an der Rott

Da ist man sein ganzes Leben lang auf der Suche nach dem Mann fürs Leben – und stellt am Ende fest, dass man sich selbst genug ist: Das Ein-Personen-Musical "Die kritischen Torschlussjahre" hat am Samstag am Theater an der Rott in Eggenfelden Premiere gefeiert – ein intimes Szenario, in dem Yvonne Köstler als Hannah zur Höchstform auflief.

Die letzten Gäste sind weg, die Party ist vorbei. Bei einem letzten Blick ins Glas schaut Hannah in die Vergangenheit, auf das Leben, das sie hätte haben können. Da ist er wieder, der Traum vom Haus, Kindern, Urlaubsfotos am Kühlschrank. Das "Mann-Haus-Baby-Paket", das doch zu jeder Frau gehört. Oder? Hannah, gerade 48 Jahre alt geworden, blickt zurück. Auf Sehnsüchte, Enttäuschungen, kurze Momente des Glücks. Statt sich einzureihen in das Gros des Glücks, von dem ihre Freundinnen so schwärmen, mutiert Hannah zum Babysitter, zum Notnagel, zur Seelentrösterin oder zum dritten Rad am Wagen. Hannah leidet – und das Publikum leidet mit. Hannah liebt – und das Publikum liebt mit.

Im Studio des Theaters ist man dicht am Geschehen dran, und Hauptdarstellerin Yvonne Köstler weiß mit dieser Nähe umzugehen. Sie trägt die Emotionen der Protagonistin gewaltvoll nach außen, sie singt, sie atmet, sie gestikuliert, sie verzweifelt. Mal als Begleiter, mal als Gegenspieler hält sich Dean Wilmington am Klavier im Hintergrund. Er trägt die Protagonistin beschwingt durch die Phasen des Glücks, dann wiederum erinnert sein monotoner Tastenton im rhythmischen Takt Hannah daran, dass die Uhr unaufhörlich weiter tickt.

Befördert wird die Nähe durch das schlichte Bühnenbildes – Ausstatterin Julia Krawczynski gibt Hannah lediglich ein überdimensionales Kuschelkissen und einen Himmel voller Sterne. Der Rest ist Mimik, Gestik und Musik.

"Die kritischen Torschlussjahre" basiert auf der One-Woman-Show "Critical last chance years" der Australierin Laine Loxlea-Danann. Dean Wilmington, musikalischer Leiter des Theaters, hat mit der dänischen Regisseurin Marianne Kjær Klausen ein Musical daraus gemacht. Die Musik gibt der Geschichte Leichtigkeit, ohne ihr die Tiefe zu nehmen.

Protagonistin Hannah erkennt am Ende, dass der Traum, dem sie Zeit ihres Lebens hinterhergerannt ist, gar nicht ihrer ist. So ein Glück. Sie findet sich selbst, und damit Frieden in ihrem Leben. Der Wow-Effekt im Publikum ist nicht das Ende der Geschichte – sondern vielmehr die Erkenntnis, wie wenig Drumherum es doch braucht, ein Musical erfolgreich auf die Bühne bringen zu können – und welch großartige Leistung das ist.

Doris Kessler



Wieder zu sehen So, 16. Januar. Mi./Do. 26./27.1 und 2./3. Februar sowie Fr.–So. 11.–13. Februar, theater-an-der-rott.de