Festival bezaubert
"Eggenfelden klassisch": Mehr kann man nicht wollen

11.09.2022 | Stand 20.09.2023, 4:09 Uhr

Acht Cellistinnen und Cellisten, ein großes Erlebnis: Beim Festival "Eggenfelden klassisch" geht künstlerisch und atmosphärisch alles auf. −Foto: Meisenberger

Allein der Ort. Dieses Sind-wir-hier-in-Berlin-oder-Dubai-Ambiente. Allein deswegen ist das Festival "Eggenfelden klassisch" ein Ereignis. Von Donnerstag bis Sonntag hat die siebte Ausgabe stattgefunden im Eventsaal des Rottaler Ofenbauers Brunner – eine dreischiffige Kathedrale des mittelständischen Erfolgs, ein ästhetisches Erlebnis und ein akustischer Glücksfall. Das Hauptkonzert am Samstagabend mit 420 Gästen begann mit Tosen und Johlen und endete mit Standing Ovations. Das Nachmittagskonzert in der Kamin-Lounge war nicht minder bejubelt.

Die aus Eggenfelden stammende und in Berlin lebende Geigerin Larissa Cidlinsky und der Cellist Anton Spronk als künstlerische Leiter sowie Cornelia Stenglein und Helmut Speckmaier als Geschäftsführer der gemeinnützigen gGmbH haben sehr viel goldrichtig gemacht.

Sie haben ihre hochbegabten Künstlerfreunde überzeugt, im Spätsommer nach Niederbayern zu reisen. Sie haben die Ulrich Brunner GmbH überzeugt, ihre prachtvollen Räume – Sichtbeton und Stahl, mannshohe Leuchten an der Decke, Granit und Holz am Boden – mit der Öffentlichkeit zu teilen. Sie haben Veranstaltungstechniker Martin Berger den Saal verwandeln lassen mit Säulen in Pink, Magenta, Orange und Gelb, mit Nebel, Lichtkegel und -mustern. Sie haben ein prägnantes Logo entwerfen lassen, eine eigene Fotografin und ein Videoteam engagiert zur Dokumentation und fürs Social-Media-Marketing. Und sie haben Moderatorin Anne Schoenholtz vom BR-Symphonieorchester gewonnen, um locker und nahbar zu erklären, auf welche musikalischen Details man achten könnte, und warum ein Ensemble aus acht Cellos in der Lage ist, komplexe Orchesterwerke samt Bass und höchsten Lagen zu spielen.

Spontan fällt einem kein anderer Veranstalter in der Region ein, der in Sachen Stil und Außenwirkung ähnlich professionell zu Werke geht. Das ist kein Selbstzweck: Der Ort macht einen Unterschied. Die lockere Ansprache macht einen Unterschied. Das ganze Festival ist eine einzige große Einladung. Das Publikum spürt diesen Sog und gibt sich nur zu gerne hin. Die Entscheidung, in der "Classic Night", die nebenbei um 20.30 Uhr beginnt, Klassik und populäre lateinamerikanische Musik zu mischen, zieht frisches Publikum an.

Mit den bekannten Melodien der Ouvertüre zu Rossini "Barbier von Sevilla" fangen die acht Cellistinnen und Cellisten Bruno Philippe, Brannon Cho, Anton Spronk, Rainer Crosett, Erica Piccotti, Anouchka Hack, Christoph Heesch und Senja Rummukainen ihre Zuhörer ein. Lassen sie schwelgen in Rheinbergers sechsstimmigem "Abendlied" ("Bleib’ bei uns, denn es will Abend werden"), bekannt als Lieblingszugabe aller gemischten Chöre. Sie stellen sich immensen solistischen Herausforderungen, präsentieren italienische Leichtigkeit und Virtuosität bei Vivaldis Doppelkonzert für zwei Celli. Sie schmettern das maximal effektvolle Vorspiel zum dritten Akt von Wagners "Lohengrin", lassen Jorge Bens Samba "Mas que nada" und Carlos Gardels Tangohit "Por una cabeza" erotisch tanzen.

Nicht alles gelingt hinsichtlich Timing und Intonation so präzise wie im Kammermusikkonzert am Nachmittag, nicht jede Nummer wirkt überprobt, Charlie Chaplins "Smile" zum Finale wird planiert und mit Zuckerguss versiegelt. Nur fällt das nicht ins Gewicht, die Atmosphäre – und vor allem die offensichtliche Freude und Energie der Musiker – kompensiert alles. Das "Prosecco"-Konzert am Nachmittag gibt Gelegenheit, in zwei Metern Nähe physisch zu erleben, wie Larissa Cidlinsky, Rosanne Philippens (Geige), Nicholas Algot Swensen (Bratsche), Paolo Bonomini, Anton Spronk (Cello) und Alexander Ullmann (Klavier) Mozarts Klavierquartett in Es-Dur und Dvoraks Dumky-Trio mit größter Präzision und Emphase zum Blühen bringen.

Dieses Festival sendet zwei Botschaften, die weit über Eggenfelden hinausstrahlen, und kann damit anderen Veranstaltern als Vorbild dienen: Die jungen Musikerinnen und Musiker auf der Bühne vermitteln ganz klar: Klassik, das ist was für junge Leute! Und die sichtbare Freude, mit der sie spielen, vermittelt: Klassik, das ist ein Riesenvergnügen! Mehr kann man nicht wollen.

Raimund Meisenberger