Eggenfelden
"Eggenfelden klassisch": Innehalten auf dem Gipfel des Erfolgs

11.09.2022 | Stand 25.10.2023, 11:55 Uhr

Fulminant: (von links) Rosanne Philippens (Violine), Larissa Cidlinsky (Violine), Sáo Soulez Larivière (Bratsche), Nicholas Algot Swensen (Bratsche), Brannon Cho (Cello)und Anton Spronk (Cello). −Foto: Astrid Ackermann

Das Festival "Eggenfelden klassisch" ist auf dem Höhepunkt angekommen. Die 7. Edition ist die größte ihrer Geschichte und auch die musikalische Konzeption hat eine neue Dimension künstlerischen Mutes erreicht. Nun soll eine kreative Pause folgen.

41 junge Künstlerinnen und Künstler aus der ganze Welt haben in diesem Jahr das viertägige Klassik-Festival in Eggenfelden gestaltet, der Auftakt am Freitagabend unter dem Motto "Frei aber einsam" steht stellvertretend für den Mut, den die beiden künstlerischen Leiter Larissa Cidlinsky und Anton Spronk auch in diesem Jahr wieder bewiesen haben. Sie rücken Robert und Clara Schumann in den Mittelpunkt des Abends, ein Paar, dessen Lebensbogen stets von der Liebe zur Musik überspannt war, und doch geprägt von großer Tragik.

Moderatorin Anne Schoenholtz erzählt von Robert Schumanns Selbstmordversuch und seinem Lebensabend in einer Nervenheilanstalt. Von der großen Liebe Clara Schumanns zu Robert, den sie schon als Achtjährige beim Klavierunterricht kennenlernte. Von einer großartigen Komponistin ihrer Zeit, die die Karriere zumindest zeitweise dem Mann und den sieben gemeinsamen Kindern unterordnen musste. Und von Johannes Brahms, der auch nach dem Tod des Gatten ein inniger Freund blieb.

Rosanne Philippens an der Violine und Alexander Ullman am Klavier gelingt es, Robert Schumanns Violinsonate Nr. 1 in a-moll jene ungetrübte Freude am Musizieren einzuhauchen, die der Komponist bei ihrer Entstehung im Sinn gehabt hatte. Dann die "Drei Romanzen für Violine und Klavier" von Clara Schumann, die auf eine ganz besondere Art und Weise direkt ins Herz treffen. Und zum Schluss des ersten Teils: Johannes Brahms, der präsente Dritte im Bunde, und sein Scherzo c-moll für Violine und Klavier. Gequält von seinen Leidenschaften und, getreu dem Motto der Sonate, dem es entstammt: Frei, aber einsam.

Der musikalische Gegenentwurf dazu ist das Streichsextett Nr. 1 in B-Dur, dem Rosanne Philippens (Violine), Larissa Cidlinsky (Violine), Sáo Soulez Larivière (Bratsche), Nicholas Algot Swensen (Bratsche), Brannon Cho (Cello)und Anton Spronk (Cello) eine beeindruckende Klangtiefe und melodische Schönheit verleihen. Man schließt die Augen und kann es kaum glauben, dass für derlei akustischen Genuss nur sechs Streicher verantwortlich sind. Brahms vollendete das Stück am Rhein – und man ist mehr als einmal versucht, sich gedanklich stromaufwärts zu bewegen.

Seit seiner Premiere im Jahr 2016 hat sich das Festival "Eggenfelden klassisch" jedes Jahr weiterentwickelt, das Budget hat sich in dieser Zeit verachtfacht. "Ein Musikerlebnis der Spitzenklasse", so kündigte es Schirmherr MdL Martin Wagle in seiner Begrüßung am Freitagabend an, "Musik vom allerfeinsten, und das nicht in einer Metropole, sondern hier, im Landkreis Rottal-Inn." Das Festival habe sich etabliert, "das ist etwas ganz Besonderes", unterstützt unter anderem vom Bezirk, vom Landkreis, der Stadt Eggenfelden und vom Freistaat, und zwar aus dem Fördertopf für Festivals mit Rang und Namen.

Seit den Anfängen wird "Eggenfelden klassisch" getragen von unglaublich großer und breiter Unterstützung, sagt Helmut Speckmaier, Geschäftsführer der gemeinnützigen "Eggenfelden klassisch gGmbH". Sie wurde ins Leben gerufen, als 2019 das Festival zu groß geworden war, um noch vom gemeinnützigen Kulturverein verwaltet zu werden. In der 7. Edition des Festivals ist klar: "Wir haben den Höhepunkt erreicht", sagt Helmut Speckmaier. Stets ist man gewachsen, und das Publikum ging jeden künstlerischen Weg mit. "Eggenfelden klassisch" ist längst kein musikalisches Projekt mehr, "wir haben einen Bildungsauftrag und es ist uns eine Freude, jedes Jahr wieder das Publikum mit unserer Auswahl zu fordern", sagt Larissa Cidlinsky. Die Besucher, sie kommen nicht wegen großer klingender Namen, "sondern im Vertrauen darauf, einen schönen Abend zu haben". Nicht in Bayreuth oder München, sondern in Eggenfelden. Die Kennzeichen auf dem Parkplatz tragen längst nicht mehr nur EG- oder PAN-Kennzeichen, die Gäste kommen aus Salzburg, Deggendorf, Passau, aus Mühldorf und Landshut. "Eggenfelden klassisch, das ist nicht nur dieses Festival, es ist eine Marke", freut sich Anton Spronk.

Mehr "Eggenfelden klassisch" wagen

Nun steht man an einem Punkt, an dem man entscheiden muss, wie es weitergeht. Man möchte eigentlich, sagt Larissa Cidlinsky, viel öfter Konzerte veranstalten. Man will, ergänzt Anton Spronk, auch außerhalb des Festivals viel mehr "Eggenfelden klassisch" wagen. Hinzu kommt, dass der "Brunner Eventsaal" mit seiner unvergleichlichen Akustik künftig wohl nicht mehr in dem Umfang zur Verfügung stehen wird. Viele Gedanken, viele Ideen habe man im Kopf, sagt Helmut Speckmaier, und ergänzt: "Wir brauchen eine kreative Pause."

Er bestätigt damit, was im Laufe der sechs Konzerte immer mal wieder Thema beim Pausengespräch an den Tischen war: Im nächsten Jahr wird es kein klassisches Musikfestival in Eggenfelden geben. Viele Unterstützer und großer Zusammenhalt haben die Veranstaltungsreihe in den vergangenen sechs Jahren groß werden lassen. Nun steht man an einem Scheideweg, und es braucht wie bei der Premiere 2016 erneut viel Mut, darüber zu sprechen, wie es mit "Eggenfelden klassisch" in der Zukunft weiter geht. "Wir sind", betont Helmut Speckmaier, "für alle Vorschläge offen."