Die Entscheidung kam für die Landwirtschaft völlig überraschend: Sowohl die Rückerstattung beim Agrardiesel als auch die Steuerfreiheit von rein landwirtschaftlich genutzten Fahrzeugen wird abgeschafft. Das Geld, das sich der Bund spart bzw. das neu in die Kasse kommt, soll dazu beitragen, das 60-Milliarden-Haushaltsloch zumindest zu einem kleinen Teil zu stopfen.
Für die Landwirtschaft bedeutet das massive Mehrkosten. Einem durchschnittlichen Betrieb drohen Mehrbelastungen von bis zu 10000 Euro pro Jahr, so die Berechnungen des Bayerischen Bauernverbandes: „In fast ganz Europa werden die Treibstoffe für die produzierende Landwirtschaft in irgendeiner Weise gefördert, ganz einfach deshalb, weil es sonst nicht möglich wäre, zu den Preisen Lebensmittel zu produzieren, die man am Markt verlangen kann“, sagt der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes Hermann Etzel. „Das Aus für den Agrardiesel ist ein schwerer Schlag für die Landwirtschaft. Das ist gerade so, als würden man uns in ein offenes Messer laufen lassen.“
„Dann wird es existenzbedrohend“
Diese Entscheidung sei eine ernsthafte Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit der bäuerlichen Betriebe und am Ende für die gesamte Lebensmittelproduktion im Land, warnt Etzel eindringlich und betont gegenüber der Heimatzeitung: „Es werden noch mehr Betriebe aufhören. Das hat Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft, aber auch auf die Pflege der Kulturlandschaft. Und vor allem: Wenn wir unsere Lebensmittel importieren müssen, dann weiß niemand, wo und wie sie produziert wurden – wollen wir das wirklich?“
Man habe angesichts dieser Entscheidungen der Ampel-Koalition das Gefühl, als gäbe es in der Politik keinerlei Wertschätzung mehr für die Landwirtschaft, sagt Landwirt Reinhard Gruber aus Hebertsfelden. Er ist zudem Vorsitzender der Milcherzeugergemeinschaft Eggenfelden-Dingolfing. Man könne eher meinen, die Ampel will die Landwirtschaft abschaffen in Deutschland. Gruber weiß aus Gesprächen, dass viele Bäuerinnen und Bauern angesichts der getroffenen Entscheidungen „unter Schock“ stehen.
„Natürlich haben wir gemerkt, dass die Regierung massive Probleme hat mit Haushalt und Finanzen – aber das kann man ja jetzt nicht in dieser Höhe an den Landwirten auslassen“, kritisierte er. Die Agrardieselrückerstattung sei keine Wohltat für eine bestimmte Berufsgruppe, sondern eine absolute Notwendigkeit, um als landwirtschaftlicher Betrieb bestehen zu können.
Steigende Kosten beim Milchtransport
Die Besteuerung der landwirtschaftlichen Fahrzeuge sei völlig unverständlich, denn diese seien zu fast 100 Prozent nicht auf öffentlichen Straßen unterwegs, sondern auf landwirtschaftlichen Wegen und Flächen. Problematisch werde die Abschaffung der „grünen Kennzeichen“ auch für alle, die Milch vom Bauern holen und in die Molkereibetriebe bringen. Denn durch die Besteuerung würden auch die Transportkosten steigen und damit die Preise für die Milchprodukte im Kühlregal. Gruber: „Wenn dann andere Länder einfach billiger produzieren können, weil uns die deutsche Regierung in den Rücken fällt, dann wird das für unsere Bäuerinnen und Bauern existenzbedrohend.“
Er ärgert sich auch massiv darüber, dass die Ampel-Koalition seiner Ansicht nach „unehrlich mit den Bauern umgeht“, denn: „Dann soll man laut sagen: Nein, wir wollen Euch nicht, wir brauchen keine Lebensmittelproduktion in Deutschland – dann sperren eben noch mehr Höfe zu.“ Und Etzel ergänzt mit viel Sarkasmus: „Es gab eine Zeit, da haben die Grünen uns die gesunde Ernährung und die regionale Herkunft von Lebensmitteln gepredigt. Jetzt macht uns ein grüner Landwirtschaftsminister kaputt, weil die große Politik sich in so vielen Bereichen verrechnet hat.“
Die Stimmung sei richtig schlecht, meint Bio-Landwirt Florian Schemmer aus Wurmannsquick. Gerade bei den Biobauern. „Das Ganze ist eine absolute Unverschämtheit. Nur weil die Regierung schlampig gearbeitet hat, müssen jetzt die bäuerlichen Familienbetriebe die Folgen tragen.“
Politiker sollten den Verstand einschalten
Viel Geld sei für „sinnlose Schnellschüsse“ verwendet worden. Jetzt sei es offensichtlich „wurscht, ob die heimische Landwirtschaft wettbewerbsfähig bleiben kann“. Gerade die Biobetriebe seien auf den Agrardiesel angewiesen. Schemmer: „Wir arbeiten praktisch ohne Chemie, aber das heißt eben auch, dass wir öfter auf dem Feld sind, um etwa Unkraut mechanisch zu entfernen.“
Die Preise seien derzeit für landwirtschaftliche Erzeugnisse nicht sehr gut. Und nun müssten die Landwirte auch noch die KfZ-Steuer für ihre Maschinen tragen, und dies zusätzlich zu Kostensteigerungen bei Energie und anderen Betriebsmitteln. „Wer soll das noch bezahlen?“, fragt er. Und er hat bereits gerechnet: „Mein Betrieb ist sicher mit 10000 Euro Zusatzbelastung dabei. Ich kann nur hoffen, dass die verantwortlichen Politiker endlich den Verstand einschalten.“
Wenn die Politikverdrossenheit bei den Bauern immer größer werde, habe dies handfeste Gründe, sagt BBV-Kreisobmann Etzel. „Es hätte bestimmt eine ganze Reihe anderer Möglichkeiten gegeben, um Geld zu sparen, damit man die Lücken im Bundeshaushalt ausgleichen kann. Aber die Existenz einer ganzen Berufsgruppe zu bedrohen, vielleicht auch mit dem Hintergedanken, dass die Landwirtschaft im ideologisch gefärbten Weltbild mancher Großstadtpolitiker keinen Platz hat – das kann und wird schwere Nachwirkungen haben.“
− tz
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