Frauenau
Locked down in Frauenau

11.06.2020 | Stand 11.06.2020, 6:00 Uhr

Hauchdünn und zerbrechlich sind die Objekte, die Anne Petters mit der von ihr erfundenen Technik "Frit de Verre" verwirklicht. In Frauenau ist die Künstlerin aus London während der Coronazeit zur Ruhe gekommen und konzentriert sich auf das Wesentliche. −Foto: Späthe

Ab Mitte März sollte Anne Petters die "Glass Works"- Stipendiaten des Bild-Werks Frauenau zwei Wochen lang als Tutorin begleiten und das neue Stipendien-Programm in seinem ersten Jahr somit würdig ausklingen lassen.

Der Flug von London nach München war für den 11. März 2020 geplant: "Der Flug war am Mittwoch, am Montag und Dienstag davor wurde klar, die Corona-Lage ist ernst. Ich hab’ echt mit mir gehadert, hab’ mir im Freundeskreis Rat gesucht. Manche sagten, ich solle auf jeden Fall fliegen, andere meinten, es wäre zu riskant und ich solle auf keinen Fall fliegen." Anne Petters hat sich für den Flug nach Deutschland entschieden, begleitet von einem unwohlen Gefühl der Ungewissheit und einem schlechten Gewissen. Angekommen in Frauenau war klar, dass das Tutorium nicht in seiner geplanten Form stattfinden wird, da ein Großteil der Stipendiaten schon andernorts feststeckte oder schnell ausreisen musste, bevor die Grenzen zumachten.

Auch wenn alles anders kam als vorher gedacht, ist es für die Glaskünstlerin ein Glücksfall, in dieser Zeit hier in Frauenau gelandet zu sein. Als Vorstandsmitglied des Bild-Werks Frauenau kann sie nun ihre Zeit vor Ort nutzen, um den Verein als Netzwerkerin zu unterstützen und um gleichzeitig in ihrem Lieblingsatelier im alten Tom’s Hall, einem der Akademiegebäude des Bild-Werks, an ihren Glas-Objekten zu arbeiten.

Petters hat eine eigene Technik erfunden. Sie nennt es "Frit de Verre", eine Weiterentwicklung der Pâte de Verre-Technik. Im Pâte de Verre-Verfahren wird eine Art Glaspaste aus Glaspulver und Flüssigkeit in eine feuerfeste Negativform aus Material wie beispielsweise Gips-Schamott gegeben und anschließend in einem Brennofen erhitzt. Nach dem Abkühlen wird das Glasobjekt aus der Form geholt und je nach Entwurf weiterbearbeitet. Petters benutzt zum Füllen der Form als Rohmaterial an Stelle der Paste trockene Glaskrösel.

Die Künstlerin erschafft auf diese Weise filigrane Objekte aus Glas, die an hauchdünne, zerbrechliche Flächen aus Eis oder Frost erinnern. Ihre kleinformatigen Kunstwerke wirken wie Seiten eines alten Buches, sie sind beschrieben – weiße Schrift auf kristalliner Fläche – mit flüchtigen Gedankenfragmenten. Die Objekte faszinieren, man möchte sie anfassen, diese zarten und edlen Oberflächen, um sicher zu gehen, dass es auch wirklich Glas ist, was man da betrachtet.

− ls

Mehr zum Thema lesen Sie am Donnerstag im Bayerwald-Boten.