Weniger Wissen eintrichtern, mehr Zusammenarbeit, mehr soziale Kompetenz, mehr Problemlösungskompetenz. Sieht so die Schule der Zukunft aus? Lehrer der Siegfried-von-Vegesack-Realschule in Regen haben sich in den Allerheiligenferien in der Partnerschule in Finnland umgesehen. Und haben sehr praktisch ausprobiert, in welche Richtung sich der Unterricht entwickeln kann.
Zu Beginn dieser Woche führte Sandra Leaton Gray, Professorin am University College London, zusammen mit Prof. Jutta Mägdefrau von der Universität Passau eine Lehrfortbildung in Passau durch, in der es darum ging, die Zukunft von Schule in Europa gedanklich vorwegzunehmen und Szenarios zu planen, die auf Schule zukommen könnten.
Dabei kamen die Gruppen aus Gymnasial- und Realschullehrkräften zu erstaunlichen Ergebnissen. Einig war man sich dabei, dass es in Zukunft nicht mehr so stark auf Faktenwissen ankomme, das sich leicht von einer KI bereitstellen lasse, sondern viel mehr auf Schlüsselkompetenzen wie Problemlösefähigkeit, Kreativität, Fähigkeiten im Umgang mit neuen Technologien und dem sozialen Zusammenleben, sprich Teamfähigkeit. Lernweg und angewandten Kompetenzen und Strategien seien wichtiger als das reine Ergebnis.
Regener Lehrer lernen begeistert in Oulu
Oftmals stößt traditionelle Schule bei der Vermittlung dieser Kompetenzen aber auf Probleme, weil sie schwer greifbar erscheinen oder Arbeits- und Sozialformen, die sie vermitteln könnten, für die Lehrkräfte ungewohnt sind. Also liegt es nahe, von denen zu lernen, die auf diesem Gebiet bereits mehr Erfahrung haben.
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So machte sich ein Team aus Lehrkräften und zwei Mitgliedern der Schulleitung der Realschule Regen in den Allerheiligenferien auf den Weg an die Partnerschule ins nordfinnische Oulu, um dort eine Projektarbeit in mit finnischen Lehrkräften gemischten Gruppen zu erleben, die später von den Schülerinnen und Schülern beider Schulen ähnlich durchgeführt werden soll. Finnland ist seit vielen Jahren immer wieder Europas Spitzenreiter in den OECD-Vergleichsstudien wie Pisa oder Iglu.
Bei der genannten Projektarbeit wird ein recht offenes Problem gestellt, dessen Lösung in der Erfindung und Herstellung eines neuen Produkts gipfeln soll, das am Ende des Prozesses im Rahmen eines „Pitchs“ ähnlich wie bei der bekannten Fernsehsendung „Höhle der Löwen“ einer Jury präsentiert werden muss.
Die Aufgabe, die die Lehrergruppen nun in den Ferien in Finnland zu lösen hatten, bestand darin, etwas zu erfinden, was bei der Zubereitung eines Essens im Rahmen eines Lagerfeuers im Wald nahe des Polarkreises nützlich sein könnte. Nach einer Analyse der Problemstellung schloss sich ein Brainstorming und eine Sammlung der Ideen im jeweiligen Team an. Nach der Entscheidung für ein mögliches Endprodukt wurde eine erste Skizze entworfen und diskutiert. Die Zeichnung konnte anschließend in ein erstes Modell umgewandelt werden.
Der Werkraum heißt jetzt „Makerspace“
Nachdem das Modell anderen Gruppen vorgestellt und entsprechend des Feedbacks abgeändert wurde, wurde die eigentliche Konstruktion geplant und angegangen. Dabei ist es wichtig, das die jeweilige Schule einen oder mehrere Räume bereitstellt, in dem nun die Lehrkräfte und später die Schüler mit möglichst vielfältigen Materialien wie Metall, Holz, Papier, Stoff und auch elektronischen Elementen und Robotik arbeiten können. In Regen hat man dazu ähnlich wie in Finnland in den letzten Jahren einen „Makerspace“ geschaffen, der diesen Zweck erfüllt.
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Am Ende der Konstruktionsphase, bei dem die Lehrer auch für sie neue Fähigkeiten wie Schweißen erlernten, standen zwei Produkte: Eine Gruppe baute einen fahrbaren Grillwagen, der komplett aus Holz gefertigt war und am Ende auch als Brennmaterial dienen sollte. Die zweite Gruppe konstruierte ebenfalls zum großen Teil aus Holz einen Rucksack, ebenfalls als Brennmaterial gedacht. Zudem wurde ein Grillrost hergestellt, der sich mit dem Rucksack kombinieren ließ.
Den Test bestehen beim Grillen im Wald
Um die Produkte zu testen und vorzustellen, zog man beim beginnenden finnischen Winter in den Wald. Dort konnte für zehn Personen ein ausgiebiges Essen zubereitet werden, was die Konstrukteure sichtbar stolz machte. Ein Effekt, der neben der Sichtbarkeit des Erfolgs und der gegenseitigen Hilfe auch einen großen Teil der Schülermotivation bei derartigen Problemlöseprojekten ausmacht.
Insgesamt gelang es den finnischen Lehrkräften sehr gut, die bayerischen Kollegen von dieser Arbeitsform zu begeistern. Der nächste Schritt wird nun die Arbeit mit gemischten Schülergruppen sein. Deshalb wird eine Delegation der Finnen im Februar Regen besuchen und an drei Projekten arbeiten. Die Schüler, die daran teilnehmen dürfen, wurden bereits im letzten Schuljahr durch den Kreativwettbewerb „Traum vom Fliegen“ ausgewählt.
Abgerundet wurde der Besuch mit einem Ausflug an den Polarkreis, bei dem spektakuläre Polarlichter beobachten werden konnten.
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