Atemlose Tage liegen hinter Franziska Drexler. Und sie ahnt: Es werden noch mehr von der Sorte kommen. Mitte August hat die 18 Jahre junge Hutthurmerin ihr bisheriges niederbayerisches Leben hinter sich gelassen und ist eingetaucht in die 8000 Kilometer entfernte Welt der University of Alabama in Tuscaloosa. Sweet home Alabama heißt in ihrem Fall: Vierer-WG in Uni-Nähe, Vorlesungen auf dem Campus rund ums Foster Auditorium, Läufe um sechs Uhr morgens mit der Trainingsgruppe von Cheftrainer Nick Stenuf.
Das Purpurrot der Crimson Tide, so heißen die Sportmannschaften der Südstaaten-Uni, erinnert vielleicht ein bisschen ans Trikot des LAC Passau, das Franziska Drexler einst getragen hat, aber ansonsten könnte der Wechsel, den die zierliche Niederbayerin innerhalb von Tagen vollzogen hat, nicht radikaler sein. „Reinfinden, sich selber organisieren“, so sagt Franziska Drexler am Telefon, ist für sie das Gebot dieser Tage. Heimweh? Da denkt sie eher an die Mama, die ihr mit auf den Weg gegeben hat: „Geht’s dir gut, geht’s mir auch gut.“ Sie selbst hat für Heimweh eh nicht wirklich Zeit. „Das Unileben in Verbindung mit dem Sport zu bringen, ist halt schon eine Herausforderung“, hat sie festgestellt. Unterschiedliche Auffassungen, ob die Klima-Anlage im Studenten-Appartement nun hoch- oder runtergedreht werden muss, gehören dazu. „Da sind wir uns noch nicht so ganz einig“, sagt Franziska Drexler lachend.
Mit ihren Erfolgen, nationale und internationale Spitzenplätze in ihrer Altersklasse, hat sich die ehrgeizige Läuferin für eine Sport-Karriere in den immer Talente-hungrigen US-Unis empfohlen, mehrere hatten sie angeschrieben, für Alabama hat sie sich entschieden. Und nach dem Abitur im Frühjahr am Gymnasium Waldkirchen war der Weg frei. In Tuscaloosa studiert Franziska Drexler Kinesiologie – Körpertherapie und Bewegungslehre . Und gerade ist sie dabei, sich zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen einzufinden im Uni-Leben. Denn die Teilnahme an der U20-WM Ende August in Lima bedeutete erstmal eine Unterbrechung der gerade eingeübten Routinen. „Ich hatte schon ein bisschen ein komisches Gefühl, schon nach einer Woche wieder weg zu müssen, aber ich bin auf viel Unterstützung gestoßen“, sagt Franziska Drexler. 15. ist sie geworden im Finale über die 5000 Meter – nicht ganz das, was die ehrgeizige Niederbayerin von sich erwartet. Aber nach den Hüftproblemen im Frühjahr fehlte mit den Trainingsumfängen eben auch die Tempohärte, wie Drexler feststellt. In Zukunft soll auch bei internationalen Titelkämpfen „die Teilnahme nicht immer alles sein“, wie sie sagt. Sich auch sportlich weiter nach vorn zu arbeiten, ist schließlich Sinn und Zweck ihres neuen Lebens.
Aha-Effekte gibt’s dabei auch schon mal in Gesprächen mit den WG-Kolleginnen, allesamt Erstsemester, Freshman, wie es in der US-Sportsprache heißt. Von der kenianischen Kommilitonin, ebenfalls Mitglied der Läufergruppe, konnte Franziska Drexler erfahren, dass sie ihren 15 Kilometer langen Schulweg daheim täglich laufend zurückgelegt hat – einmal hin, einmal zurück. Franziska Drexler ist erstmal froh, dass sie sich an den Frühsport in der neuen, süßen Heimat Alabama gewöhnt hat. Jetzt bereitet sie sich auf ihren ersten Wettkampf im Trikot der Crimson Tide vor – ein Crosslauf im Oktober in Chicago wird das sein. „Da freue ich mich schon drauf“, sagt sie. Und das mit der Klimaanlage wird sich auch noch regeln.
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