Studien belegen, dass jeder zweite Fahranfänger in Deutschland das Handy während der Fahrt zum Telefonieren, zum Schreiben von Nachrichten oder zu anderen Zwecken nutzt. Welche schwerwiegenden Konsequenzen das haben kann, darauf weist die Polizei Passau nun in einem Sonderbericht hin und kündigt Maßnahmen an.
Zahlen aus dem jährlichen Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums zeigen eine bedenkliche Tendenz: Gab es niederbayernweit im Jahr 2022 noch 272 polizeilich registrierte Unfälle durch Ablenkung, so waren es im vergangenen Jahr 314 – das entspricht einem Zuwachs von 15,44 Prozent. Bei den 314 Unfällen durch abgelenkte Fahrer wurden 182 Menschen verletzt; 2022 gab es 146 Verletzte, der Zuwachs beträgt 24,66 Prozent. 2022 und 2023 endete je einer der Unfälle für einen Menschen sogar tödlich.
„Besonders anzumerken ist, dass bei den insgesamt statistisch erfassten 63 tödlichen Verkehrsunfällen in 18 Vorgängen eine ungeklärte Unfallursache erfasst wurde. Aus polizeilicher Sicht kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei um Ablenkungsunfälle handelt“, fügt die Polizei Passau in ihrem Bericht an. Eine Ablenkung kann durch viele Faktoren eintreten, etwa durch das Programmieren des Navigationsgeräts, das Einstellen des Radios oder ein Gespräch mit einem Mitfahrer. Als „ständiger Begleiter“ im Alltag spielt das Handy aber eine besonders große Rolle.
Kurzer Blick aufs Handy − Hunderte Meter mit dem Auto
Die Polizeiinspektion Passau nimmt die Statistik des Präsidiums zum Anlass, alle Verkehrsteilnehmer vor den möglichen Folgen einer Handynutzung am Steuer zu warnen: „Jeder, der ein Fahrzeug lenkt und meint, er müsse nur schnell die Mails am Handy ,checken‘ oder auf eine Textnachricht antworten, riskiert sowohl sein eigenes Leben, als auch das der anderen“, heißt es im Sonderbericht eindringlich.
Die Polizei gibt zu bedenken: Auch wenn der Blick aufs Handy nur wenige Sekunden dauert, so legt das Auto in dieser Zeit viele Meter zurück – aufgrund des abgelenkten Fahrers quasi im Blindflug. Die Inspektion liefert ein Rechenbeispiel mit: „Bei einem drei Sekunden dauernden Blick aufs Handy im Stadtverkehr mit 50 Kilometern pro Stunde, legt man eine Strecke von 42 Metern zurück. In dieser Zeit besteht ein enormes Risiko, in den Gegenverkehr zu gelangen.“
Die Polizei unterscheidet grundsätzlich zwei Unfallarten, die bei abgelenkten Fahrern auftreten können: einerseits Fahrunfälle, bei denen die Fahrer rechts von der Straße abkommen, und andererseits sogenannte Längsunfälle, bei denen die Fahrzeuge auf die Gegenfahrbahn ziehen und dort mit dem Gegenverkehr kollidieren. Die Polizei Passau veranschaulicht dies in ihrem Bericht mit zwei konkreten Fallbeispielen aus der Region.
Fall 1: Tod auf der Autobahn
Im Sommer 2024 verlor eine 23-jährige Autofahrerin auf der A3 die Kontrolle über ihr Auto. Sie stieß mit der Leitplanke und zwei weiteren Fahrzeugen zusammen. Die junge Frau wurde so schwer verletzt, dass sie noch an der Unfallstelle starb. Bei der Unfallaufnahme ließ sich zunächst nicht klären, warum es zu dem folgenschweren Unfall kam. Sämtliche äußere Ursachen, wie Straßen- und Sichtverhältnisse, konnten ausgeschlossen werden. Ein technischer Defekt am Fahrzeug oder Fremdbeteiligung waren ebenfalls nicht feststellbar. Die Fahrerin hielt bei der Bergung aber noch ihr eingeschaltetes Smartphone in der Hand. Darauf gingen fortlaufend Nachrichten eines Messenger-Dienstes ein. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass die Fahrerin unmittelbar vor dem Unfall möglicherweise in der App „Snapchat“ aktiv war.
Fall 2: Frontalcrash auf B12
Im Frühjahr 2023 verunglückte ein 20-jähriger Mann auf der B12 im Bereich der Polizeiinspektion Freyung tödlich. Laut Zeugenangaben war er, augenscheinlich ohne erkennbaren Grund, während der Fahrt immer weiter auf die Gegenfahrbahn geraten und schließlich frontal in ein entgegenkommendes Auto geprallt. Auch in diesem Fall hielt der 20-Jährige bei Eintreffen der Rettungskräfte noch sein Telefon in der Hand. Vermutlich war er aufgrund Benutzung des Handys abgelenkt und konnte deswegen seine Spur nicht halten.
Kontrollen werden verschärft
Gefährdet sind längst nicht nur die abgelenkten Fahrer selbst, auch für Fußgänger, Radfahrer und Fahrzeuge im Gegenverkehr geht von der Handynutzung ein erhebliches Risiko aus.„ Selbst ohne Unfallfolgen können Polizeibeamte oft unsichere Fahrweisen bei Verkehrsteilnehmern beobachten, die in ihr Mobiltelefon vertieft sind“, berichtet die Polizei. Diese Ablenkung könne dazu führen, dass zum Beispiel querende Fußgänger, rote Ampeln, Verkehrszeichen oder ein Stauende übersehen werden.
Die Polizei Passau kündigt an, in den nächsten drei Wochen verstärkt auf die Handynutzung am Steuer zu achten und Verstöße konsequent zu ahnden.
− red
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