Stammgäste hatte die Meier Emerenz vor weit über 100 Jahren in Schiefweg, Passau und Straßkirchen (Landkreis Passau). Stammgäste hat das Gutsbräu in Regie vom Frischen Wind jetzt mit der von der ILE Oberland geförderten Trilogie zum 150. Geburtstag der „Heimatdichterin ohne Heimat“.
Nach einer Podiumsdiskussion über die Werte der Emerenz Meier in der Jetztzeit (PNP berichtete) gehörte der zweite der drei Abende Dr. Hans Göttler.
Handschriftliches aus dem Nachlass der Dichterin säuberlich abgetippt
Der Autor, bis vor vier Jahren an der Universität Passau Akademischer Direktor für Germanistik, hat sich schon in jenen Uni-Jahren mit Mundart und auch mit der Emerenz beschäftigt. Seine damalige Sekretärin, nun unter den gut 70 Zuhörern, hatte damals Handschriftliches aus dem Nachlass der Dichterin säuberlich abgetippt. Göttlers zweibändige Emerenz-Werkschau erschien 2012, weitere Sammlungen 2018 und 2019, eine Biografie der Wirtstochter aus Schiefweg bei Waldkirchen wird er heuer im Oktober in Passau vorstellen. Der damit nachweislich profunde Kenner der „sanften Rebellin“, zudem ein Münchner Turmschreiber, stellte seine Lieblingsstücke aus der Feder der Emerenz unter den eh alles sagenden Titel „Mei Emerenz, my Emma!“
Lesung live und mit Musik
Auf CD gibt es Göttlers gleichnamige Lesung schon seit zwölf Jahren. Im Gutsbräu gab es sie live und mit Musik. Diesen Part übernahm das harmonierende Duo Eugenie Erner (Saxophone, Gesang) und Steffi Rösch (E-Piano, Gesang) mit Instrumental- und gesungenen Stücken. Welch dominanten Einfluss beide Musikerinnen schon im Vorfeld auf den Abend hatten, wird aber nicht beim Zuhören, sondern im PNP-Gespräch klar: Sie legten dem „Geddlahans“ eine Liste ihrer Dialektlieder und Volksmusik hin. Nach dieser stellte Göttler seinen Vortrag zusammen, Musik wie Gelesenes reichte von lyrisch bis sehr derb, ganz wie die Schreibereien der Schiefwegerin.
Es geht um beide Welten der sanften Rebellin
Schon der Titel kündigt an, dass es um die beiden Welten geht, in denen die kunstfertige, unerschrockene Autodidaktin sich dereinst zurechtzufinden hatte: das Landleben, einer Magd gleich, im Bayerischen Wald einerseits. Und andererseits das Großstadt- und Eheleben in Chicago. Das begann mit der Emigration „ins Amerika“, wo die Schwestern und der Vater schon auf sie und die Mutter warteten. Daheim hatte der Vater versucht, die Dichterin in der Emerenz auszubremsen. In Chicago war es ihr zweiter Gatte, aus Eifersucht auf die Schreiberei.
„Meine Seelenverwandte“
Wer den „Geddlahans“ je über „meine Seelenverwandte“ Emerenz Meier leidenschaftlich erzählen hörte, vor dessen innerem Auge laufen ruckelige Schwarz-weiß-Filme ab, der riecht die Land- wie die Stadtluft, hört die knarzenden Ochsengeschirre, spürt die Hitze über den staubigen Feldern, all jene Kargheit, die Emerenz Meier mitnimmt nach Amerika. So wird das Gedicht übers Gänsehüten an einem saukalten Regentag besonders anschaulich, weil Hans Göttler die Worte in g’schertem Dialekt liest, die die vor sich hin sinnierende Emerenz dereinst ihren Ganserln, lauter Bemaken (Böhmer), in den Schnabel legte. Nicht anders die G‘schicht von der ledigen Mutter, ihrem prächtigen Bangert und dem mürrischen, heimlich stolzen Großvater. Selbst der „lumperische“ Kindsvater wird als eine arg traurige Gestalt greifbar... Der Erzählung von Bellas Beerdigung schickt Hans Göttler voraus, dass der Sohn aus erster Ehe der Emerenz, Joe Frank/Johann Franz, nie Deutsch lernte, dafür aber viele bairische Flüche, weil die Frau Mama die so oft ausstieß.
Abend wird zum Juwel
Viel Biografisches, viel akribisch recherchierter Hintergrund, dazu ein von immer noch leichtem Lampenfieber befeuerter Einheimischer mit kabarettistischem Talent machten den Abend zum Juwel. Wer die bald drei Stunden durchhielt, dem wird die Unentschlossenheit aufgefallen sein zwischen einem Literatur- und einem Musikabend. Mag der „Geddlahans“ es mit dem sich Kurzhalten nicht so haben – vom Programm her hätte es dieser Verneigung vor Emerenz Meier gutgetan.
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