Ein Gerücht sorgt derzeit für Furore in der Metzger- und Fleischerbranche sowie in Teilen der Bürgerschaft: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) habe ihre Empfehlung zum Fleischkonsum aktualisiert, 70 Gramm pro Woche sollen nun ausreichen. Die Metzgerinnungen in Bayern laufen Sturm, befürchten eine Allianz gegen den Fleischkonsum auch auf Regierungsebene.
„Nur noch zehn Gramm Fleisch pro Tag, dann können wir aufhören“, heißt es etwa von der Metzgerinnung Passau–Unterer Bayerischer Wald. Aber: Diese Empfehlung gibt es so gar nicht. Noch nicht.
„Bisher lag die Empfehlung der DGE bei einem Verzehr von bis zu 600 Gramm Fleisch pro Woche. Die neue Empfehlung wäre eine Reduzierung des Konsums um 88 Prozent. Zehn Gramm entsprechen von der Größe her etwa einem Zwei-Euro-Stück. Womit wird diese dramatische Reduzierung begründet?“, wird Obermeister Albert Kohlpaintner in einer Mitteilung der Innung zitiert. „Wenn wir diese empfohlenen zehn Gramm pro Tag auf die Woche hochrechnen, dann können wir aufhören“, so der Obermeister.
„Verbotspolitik kennt gar keine Grenzen mehr“
„Als Begründung führt man einmal mehr an, dass der Verzehr von Fleisch gesundheitsschädlich und obendrein klimaschädlich sei. Genau diese Empfehlung der DGE fließt nun unter anderem auch in die Ernährungsstrategie der Bundesregierung ein, die bis Ende 2023 vorgelegt werden soll“, heißt es weiter in der Innungs-Mitteilung. „Wir, das Metzgerhandwerk, sprechen uns dafür aus, dass man nur zwei bis drei Mal pro Woche Fleisch essen sollte. Ein bewusster Konsum tierischer Lebensmittel ist wichtig und sorgt automatisch für eine gesunde sowie nachhaltige Ernährung. Da sind wir dabei“, sagt Obermeister Kohlpaintner.
Er findet noch deutlichere Worte: „Es wird immer unerträglicher, denn die Verbotspolitik der Bundesregierung kennt jetzt offenbar gar keine Grenzen mehr. Die neu ausgesprochenen Empfehlungen haben nichts mehr mit der Realität zu tun, sondern sind schlichtweg ideologischer Blödsinn. Die DGE lässt sich für die Pläne der Bundesregierung instrumentalisieren. Dabei ist eine bewusstere Ernährung längst am rückläufigen Fleischkonsum erkennbar. Aber man möchte die Bevölkerung mit allen Mitteln umerziehen.“
Özdemir dementiert Rationierungsabsichten
Direkt zur kursierenden Behauptung äußerte sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemirs Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft via Twitter. Eine angeblich drohende Fleischrationierung wird dort als „Völliger Quatsch“ bezeichnet. „Jede und jeder kann individuell so viel Fleisch & Wurst kaufen und essen, wie sie oder er möchte. Das bleibt auch so.“
Was ist dann dran an den Gerüchten? Ein Blick auf die Homepage der DGE. Unter dem Punkt „Fleisch und Wurst selten essen“ heißt es dort nach wie vor: „Als Teil der vollwertigen Ernährung kann eine kleine Menge Fleisch die Versorgung mit lebenswichtigen Nährstoffen erleichtern. Dafür reicht eine wöchentliche Menge an Fleisch und Wurst von insgesamt 300 g für Erwachsene mit niedrigem Kalorienbedarf bis hin zu 600 g für Erwachsene mit hohem Kalorienbedarf aus. (...) Wer viel rotes Fleisch und Wurst isst, hat ein höheres Risiko für Darmkrebs. Für weißes Fleisch besteht nach derzeitigem Wissensstand keine Beziehung zu Krebserkrankungen.“
Zahl stammt aus Erklärvideo der DGE
Und warum dann der Wirbel? Laut einem aktuellen Bericht des „dpa Faktencheck“ überarbeitet die DGE derzeit ihre Methode, mit der Ernährungsempfehlungen abgeleitet werden. Weil dabei eine geringere Zahl von 70 Gramm Fleisch pro Woche in den Umlauf gebracht worden sei, werde in den sozialen Medien bereits „Fleischrationierung“ und „Verbotswahnsinn“ befürchtet. Und auch die Metzgerinnungen haben dementsprechend reagiert.
Fakt ist: Die DGE-Empfehlungen sollen demnächst geändert und dabei mehr Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden. Aktuell gehe es aber noch gar nicht um die Ernährungsempfehlungen selbst, sondern um die wissenschaftliche Methode zu deren Ableitung, erklärte DGE-Sprecherin Antje Gahl der dpa.
Und wie kommt dann die Zahl von zehn Gramm pro Woche in Umlauf? Die DGE habe die neue Ableitungsmethode „im Rahmen einer öffentlichen Kommentierung vorgestellt“. In einem Erklärvideo seien Branchenvertretern konkrete Werte vorgelegt worden – mitunter zu deren Missfallen. Dabei seien die besagten zehn Gramm Fleisch pro Tag geschlussfolgert worden. Bei diesem Feedback sei es allerdings „noch nicht um Ernährungsempfehlungen selbst, sondern um die Methode der Ableitung“ gegangen, so Gahl zur dpa. Und diesen Prozess bezeichnet die DGE-Sprecherin als „noch nicht abgeschlossen“.
„Empfehlungen, keine verbindlichen Vorgaben“
„Die Menschen in Deutschland essen im Schnitt ein Kilo Fleisch pro Woche. Im Vergleich mit dem tatsächlichen Fleischkonsum in Deutschland wird klar: Bei den DGE-Werten handelt es sich nicht um verbindliche Vorgaben, sondern um Empfehlungen“, schlussfolgert der „Faktencheck“.
Die Metzgerinnungen beruhigt diese Erklärung keineswegs. „Die DGE verleiht auch Zertifikate an Kantinen, die auf besonders gesunde Ernährung achten. Und damit wird die Ernährungsstrategie sicher auch noch größeren Einfluss auf öffentliche Bereiche wie Kantinen, Schulen und Kitas haben“, so die Befürchtung. „Das darf nicht passieren. Denn damit verschwindet das Fleisch zwangsläufig vom Speiseplan“, sagt Albert Kohlpaintner.
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