Ältere Untergriesbacher und Obernzeller (beides Landkreis Passau) erinnern sich noch an den 1972 verstorbenen Peter Zacherl. Er war der letzte Einsiedler im Donautal.
Zwischen Obernzell und Jochenstein fließt der Kohlbach in die Donau. Dort steht die Kohlbachmühle. Heute eine Gaststätte mit Terrasse direkt an der Donau, mit Campingplatz und einer kleinen Bootsanlegestelle. Früher war es ein landwirtschaftliches Anwesen mit einer Mühle und einem Sägewerk im Kohlbachtal. Vor 100 Jahren war dort ein junger Mann aufgetaucht, der „Zacherl“. Er blieb an diesem schönen Fleck Erde und führte hier ein Leben, das man sich kaum mehr vorstellen kann. Er war der letzte Einsiedler im Donautal.
Alois Fesl, geboren und aufgewachsen in der Kohlbachmühle, kannte ihn von Kindesbeinen an. Der heutige Wirt und Besitzer der Kohlbachmühle sitzt in der gemütlichen Gaststube und erzählt im Gespräch mit der PNP mit leuchtenden Augen vom „Zacherl“. Ein paar alte Schwarz-Weiß-Fotos gewähren zusätzlich Einblicke in das Leben eines Mannes, mit dem es das Schicksal nicht immer gut gemeint hatte.
Vor 100 Jahren kam er ins Kohlbachtal
Während seiner Schulzeit in Altenmarkt an der Alz hatte Peter Zacherl bei einer Rauferei durch schwere Schläge gegen den Kopf sein Gehör verloren. Trotz dieser Behinderung erlernte er in Tirol das Handwerk des Büchsenmachers. 1924 kam er als 33-Jähriger ins Donautal. Sein Bruder Jakob Zacherl hatte an der Donau ein Fischrecht, das er nun abfischte. Das „Soghäusl“ im damaligen Sägewerk war seine erste Unterkunft. 1932 stellte ihm die Grenzaufsichtsbehörde eine alte Hütte am Waldrand oberhalb der Kohlbachmühle zur Verfügung. Vier Quadratmeter Wohnfläche, zwei Fenster, ein Tisch mit Hocker und ein kleiner Ofen. Die Schlafstatt war direkt unterm Dach, durch ein paar Bohrlöcher belüftet. Eine Petroleumlampe sorgte für Licht. Das Wasser holte er sich aus dem nahen Kohlbach.
Viele Schicksalsschläge in seinem Leben erlitten
Neben etwas Geschirr war auch noch Platz für eine Drehbank, einen Schraubstock und einiges an Werkzeug. Der Zacherl war schließlich weitum bekannt und gefragt, wenn es um Reparaturarbeiten an Schusswaffen ging.
Hauptsächlich lebte er aber von der Fischerei. Er verkaufte seine Fische in Obernzell und manchmal sogar auf dem Passauer Wochenmarkt. Immer unterwegs auf seinem Fahrrad. In den 50er Jahren wurde es aber mit der Fischerei immer schlechter. Der „Zacherl“ gab auf und musste nun mit 56 Mark Fürsorge auskommen.
„Vergelt’s Gott tausendmal“ war seine Dankesformel
Trotz seines Einsiedlerlebens hatte Peter Zacherl Kontakt zu anderen Menschen. Seine Erfahrungen mit seinen Mitmenschen konnten dabei unterschiedlicher nicht sein.
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Da waren einerseits die „Kohlbachmühner“, anfangs Josef und Karolina Fesl, später Alois und Erna Fesl. Bei ihnen gab es immer wieder etwas zu Essen, ab und zu eine Badewanne oder einen Platz zum Zeitunglesen. „Vergelt’s Gott tausendmal.“ Das war seine immer gleiche Dankesformel, leise unter dem langen Rauschebart hervorgemurmelt und mit einem dankbaren Blick aus seinem noch verbliebenen Auge. Denn da war andererseits 1953 dieser zornige, junge Mann, der sich vom Zacherl beleidigt fühlte und ihm in einem Wutanfall derart ins Gesicht schlug, dass dieser sein linkes Auge verlor.
Da war einerseits der Kinobesitzer in Obernzell, der ihm so manchen Film ohne Eintritt anschauen ließ und ihm damit eine Riesenfreude bereitete. Da waren andererseits die zwei Einbrecher, die in seine Hütte eindringen wollten. Mit einem Warnschuss aus einem seiner sechs Gewehre und dem Schrei „Eibrocha wird ned“ konnte er allerdings die Gauner verscheuchen.
Karteln und Kinobesuche waren seine größten Freuden
Manche Kinder fürchteten den Sonderling wegen seines wilden Aussehens und wegen der Schauergeschichten, die sich um ihn rankten. Andere wiederum hatten keine Angst. „Mei, wos hama mir den Zacherl geärgert,“ gesteht Alois Fesl. „Heit tuat’s ma leid, aber so san Kinder hoid.“ So schlimm wird es nicht gewesen sein. Denn immerhin hat Peter Zacherl den Feslbuben das Watten beigebracht. Watten mit einem Freund aus Obernzell, das waren wohl neben den Kinobesuchen die besten Stunden in seinem Einsiedlerdasein.
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Schon fast erblindet fand Peter Zacherl 1970 im Klosterstöckl in Obernzell noch einmal eine neue Heimstatt. Zwei Jahre später starb er mit 81 Jahren im damaligen Kreiskrankenhaus Wegscheid.
Klosterstöckl in Obernzell war seine letzte Heimstatt
Als „letzter Einsiedler im Donautal“ führte der Büchsenmacher und Fischer Peter Zacherl ein Leben ohne große Ansprüche, bescheiden und im Einklang mit der Natur. Nach heutiger Denkweise und modernem Sprachgebrauch könnte man sagen: Dieser ungewöhnliche Mann hinterließ einen minimalen ökologischen Fußabdruck. Er hinterließ allerdings einen maximal nachhaltigen Eindruck bei allen, die ihn kannten.
− mm
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