Debatte um Versorgungssicherheit
Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerk Isar 2 wegen Ukraine-Krieg „möglich“

01.03.2022 | Stand 01.03.2022, 18:06 Uhr

Eigentlich soll es Ende 2022 abgeschaltet werden: Eine Laufzeitverlängerung von Isar 2 ist laut Betreiberfirma grundsätzlich möglich - allerdings gelte es noch einige Fragen zu klären. Foto: Weigel/dpa

Von Christoph Eberle

Der Rückbau des Atomkraftwerks Isar 1 in Essenbach (Landkreis Landshut) läuft, Ende 2022 sollte auch Isar 2 vom Netz genommen werden. Wegen des Ukraine-Krieges ist eine Laufzeitverlängerung im Gespräch - die soll laut Betreiber nun doch möglich sein.





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Angesichts der drohenden Verteuerung der Energiepreise wegen der russischen Aggressionen in Europa regt sich Widerstand gegen das endgültige Aus für Deutschlands letzte verbliebene Kernkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2. Der frühere CSU-Chef Erwin Huber aus Reisbach (Landkreis Dingolfing-Landau) fordert etwa im PNP-Interview, „die verbliebenen drei Atommeiler fünf Jahre weiter zu betreiben, um Versorgungssicherheit bei bezahlbaren Preisen für Strom und Gas zu erhalten“. Das sei allemal besser als Atomstrom oder Kohlestrom vom Ausland zu importieren. Die Endlagerprobleme würden sich dadurch kaum verschärfen. „Die Politik muss reagieren, wenn sich die Welt verändert", so Huber.

Auch der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hält vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs eine weitere Nutzung der Atomkraft in Deutschland für sinnvoll. Sie könne „dazu beitragen, dass das Energiesystem stabil bleibt“, sagte der Volkswirt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Man dürfe dabei auch nicht außer Acht lassen, dass Frankreich gerade 14 neue Kernkraftwerke baue.



Betreibergesellschaft: Laufzeitverlängerung möglich, wenn Bundesregierung das wünsche



Bis dato verwies die Betreiberfirma des Kernkraftwerks Isar 2 PreussenElektra - eine Tochtergesellschaft des Eon-Konzerns - darauf, dass die Vorbereitungen für die Abschaltung bereits weit fortgeschritten sind. Laut einer Sprecherin bereite man sich schon seit Jahren technisch und organisatorisch auf die Stilllegung vor. Daher fehle es etwa an Brennelementen für einen möglichen Weiterbetrieb, aber auch am Personal.

Die Risiken für die Versorgungssicherheit und die öffentliche Debatte um eine Laufzeitverlängerung sorgten nun offenbar für eine Kehrtwende: „Vor dem Hintergrund der kriegerischen Handlungen in Europa und der daraus resultierenden Risiken für die Versorgungssicherheit ist es nachvollziehbar, dass die aktuellen energiepolitischen Gegebenheiten auf den Prüfstand gestellt werden", bestätigte Preussen-Elektra-Sprecherin Almut Zyweck der PNP.

Angesichts der aktuellen Ausnahmesituation sei der Energieversorger bereit, die Randbedingungen für einen Weiterbetrieb über 2022 hinaus zu klären - sofern die Bundesregierung das ausdrücklich wünsche. Allerdings gebe es dazu noch eine Menge Fragen zu klären.

Bundesregierung: Noch keine konkreten Pläne, aber auch „keine Denktabus“

Die Bundesregierung hat bisher keine konkreten Pläne für eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken, um mögliche Lieferausfälle bei russischem Gas zu kompensieren. „Dass wir aufgrund der aktuellen Situation vieles infrage stellen und prüfen und auch Optionen entwickeln, das versteht sich von selbst“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag. „Aber so weit sind wir längst noch nicht.“

Es werde geprüft, „wie man sich auf alle Eventualitäten vorbereiten kann“, sagte Hebestreit. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sehe sich in der Frage „in einer Reihe“ mit Äußerungen auch von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne).

Habeck hatte am Sonntagabend in der ARD mit Blick auf längere Laufzeiten für Kohle- und Atomkraftwerke gesagt, es gebe „keine Denktabus“. Sein Ministerium prüfe derzeit alle diese Fragen.

Habeck verwies bislang auf Äußerungen der Betreiber- Firmen

Bei Atomkraft verwies Habeck dabei auf Äußerungen der Betreiber der letzten drei deutschen Atomkraftwerke. Demnach würde „uns das für den Winter 22/23 nicht helfen, weil die Vorbereitungen der Abschaltung schon so weit fortgeschritten sind“, sagte er. Die Akw könnten „nur unter höchsten Sicherheitsbedenken und möglicherweise mit noch nicht gesicherten Brennstoffzulieferungen weiter betrieben werden (...) Und das wollen wir sicherlich nicht.“

Mit der aktuellen Aussage vom Isar 2-Betreiber Preussen Elektra könnte sich diese Sichtweise nun ändern.



Isar 2 ist seit 1988 in Betrieb und versorgt genug Strom für 3,5 Millionen Haushalte

„Das Kernkraftwerk Isar 2 (KKI 2) hat eine elektrische Leistung von 1.485 Megawatt brutto und ist seit 1988 in Betrieb“, teilt PreussenElektra-Sprecherin Almut Zyweck der PNP mit. Isar 2 habe im zurückliegenden Produktionsjahr 2021 „ein hervorragendes Betriebsergebnis“ erzielt. Das Kraftwerk seit mit 95 Prozent verfügbar gewesen und habe seit Jahresbeginn rund 12,07 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. „Das entspricht rund 12 Prozent des bayerischen Strombedarfs. Das KKI 2 versorgt rund 3,5 Millionen Haushalte zuverlässig und rund um die Uhr mit CO2-armen Strom und passt nahezu täglich seine Leistung an die Anforderungen des Netzbetreibers an“, so Zyweck.

Der zweite Kraftwerksblock am Standort - das Kernkraftwerk Isar 1 - befindet sich seit April 2017 im Rückbau. Am Standort sind laut PreussenElektra rund 500 eigene Mitarbeiter beschäftigt.

− afp/dpa