Skisprung-Karriere trotz Krankheit
Nach dem Schock kam die Angst: Severin Freund macht Epilepsie-Erkrankung öffentlich

25.11.2024 | Stand 26.11.2024, 10:03 Uhr |

Große Karriere trotz Epilepsie-Erkrankung: Severin Freund. Heute arbeitet der Skisprung-Olympiasieger als Experte fürs ZDF. − F.: Imago Images

Außer seiner Familie und den engsten Freunden wussten es nur einige wenige Eingeweihte: Skisprung-Olympiasieger Severin Freund (36) hat eine Epilepsie-Erkrankung. Jetzt hat der Bayerwäldler aus Waldkirchen (Landkreis Freyung-Grafenau) erstmals öffentlich über sein Leiden gesprochen.

  

In der „Welt“ berichtete Freund von nächtlichen Anfällen, seiner Angst und darüber, warum er erst jetzt seine Erkrankung öffentlich macht. „Ich hatte immer wieder Anfälle, allerdings nur aus dem Schlaf heraus“, sagte der zurückgetretene Weltcupsieger vom WSV-DJK Rastbüchl (Gemeinde Breitenberg, Landkreis Passau) im Interview. „Es scheint bei mir so zu sein, dass ich im Abstand von sechs bis 24 Monaten ein Fenster von etwa zwei Wochen habe, in denen ich Anfälle habe. Dann ist es einer oder sind es bisher maximal drei. Danach habe ich wieder Ruhe“, erklärte Freund. Dieser Status quo habe sich bei ihm eingependelt.

Schock-Erlebnis bei erstem Anfall



Sehr eindrücklich schilderte Freund das Schock-Erlebnis des ersten Anfalls, der ihn im Alter von 16 Jahren ereilte. „Meine Eltern und mein Bruder bekamen es mit, und dann war heller Aufruhr. Keiner wusste, was los war“, berichtete Freund von jener Sommer-Nacht im Jahr 2004 daheim in Waldkirchen. „Unser Hausarzt kam von nebenan schnell rüber und bekam noch die Phase mit, in der ich nicht sofort reagibel war. Zu der Zeit war Volksfest bei uns, und die erste Frage war wohl, ob es etwas mit Intoxikation zu tun habe. Als ich dann wieder klar war und antworten konnte, hat man mir zum Glück geglaubt. An dem Tag und danach war ich in einer Art Schockstarre, fühlte mich verloren.“

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Angst vor Ende der Skisprung-Karriere



Nach dem Schock kam die Angst – Angst, das geliebte Skispringen aufgeben zu müssen. Vor allem nach dem zweiten Anfall zwei Jahre später. Freund erinnert sich an einen Satz, der damals im Krankenhaus in München fiel: „An Leistungssport ist überhaupt nicht zu denken. Bei Herrn Freund geht es darum, dass er ein geregeltes Leben führen kann“, schildert der heutige Münchner die dramatischen Stunden von damals. Weitergehende Untersuchungen hätten indes gezeigt, dass ein Anfall am Tag, also möglicher Weise bei einem Springen auf der Schanze, unwahrscheinlich sei und er auch wieder Sport machen dürfe. Die Freude darüber habe alle Angst, Sorge und Unsicherheiten überlagert, stellt Freund im Rückblick fest.

Warum Severin Freund seine Erkrankung geheim hielt


Während seiner Karriere habe er die Erkrankung, diagnostiziert als fokale Epilepsie, aus verschiedenen Gründen nicht öffentlich machen wollen, sagte Freund. Erstens sei eine Krankheit für ihn etwas „sehr Persönliches“ und es sei ihm wichtig gewesen, „dass es um den Sport geht“. Außerdem wäre aus seiner Sicht „bei schlechteren Leistungen vielleicht immer die Vermutung da gewesen, dass es an der Erkrankung liegt. Ich wollte zudem nicht permanent danach gefragt werden. Vor vielen Jahren hatte es eine Zeitung herausgefunden und wollte es veröffentlichen; wir konnten das aber noch verhindern.“

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Ein Anfall seit Karriereende



Seit seinem Karriereende im März 2022 habe er einen Anfall gehabt, sagte Freund der „Welt“. Generell habe er Anfälle ausschließlich „beim Abbau von Anspannung“. Betreut wird der Bayerwäldler seit vielen Jahren von Prof. Dr. Bernhard Steinhoff, Ärztlicher Direktor und Chefarzt am Epilepsiezentrum Kehl-Kork (Baden-Württemberg). Bei einem Epilepsie-Seminar am Wochenende in Kork hielt Freund einen Vortrag. Er möchte das Bewusstsein für die Erkrankung verstärken. „Ich bin ein sehr glücklicher und dankbarer Mensch“, sagte er. Für das ZDF arbeitet Severin Freund als Skisprung-Experte, im Juli vergangenen Jahres sind er und Ehefrau Caren zum zweiten Mal Eltern geworden.

− red

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