Freyung-Grafenau/Landkreis Passau
Migranten-Aufgriffe: Positives zwischen Kontrollen und Kollisionen

11.09.2024 | Stand 11.09.2024, 17:00 Uhr |

Seit einem Jahr gibt es an der neuen Brücke in Neuhaus am Inn eine stationäre Grenzkontrolle der Grenzpolizei: Die Fahrzeuge, die von Schärding her in die Bundesrepublik einreisen wollen, werden kontrolliert. Die Aufnahme stammt vom 3. September 2024. − Foto: Julia Stocker

Halsbrecherische Unfallfahrten mit Schleuserautos haben kürzlich in Röhrnbach und eine Woche zuvor nahe Waldkirchen sowie in Vilshofen für Aufmerksamkeit gesorgt (PNP berichtete) – was zu der Frage führt, wie die Lage an der Grenze momentan ist und wie sich der Flüchtlingsstrom seit letztem Jahr entwickelt hat.

Vor knapp einem Jahr nämlich, im Oktober 2023, wurden die Kontrollen der Polizei an der Grenze zu Österreich verstärkt, in Wegscheid und Neuhaus am Inn wurden stationäre Grenzkontrollen installiert. Container wurden aufgestellt, die Infrastruktur wurde ertüchtigt. Auch im Landkreis Freyung-Grafenau sind an der Grenze zu Tschechien in Philippsreut bereits seit längerem ähnliche Container vorhanden, wo regelmäßig die Bundespolizei Kontrollen vornimmt. Vielmehr aber sind dort in Grenznähe deutsche Schleierfahnder aktiv.

An den genannten stationären Einrichtungen an der bayerisch-österreichischen Grenze steht die Polizei stundenweise vor Ort und winkt Fahrzeuge raus – genau so wie an der Kontrollstation auf der Autobahn A3 bei Rottal-Ost, die es seit 2015 gibt. Was bringen die neuen stationären Kontrollen? Eine Nachfrage bei der Polizei.

„2023 sind Kontrollen nur sichtbarer geworden“

„2023 sind die Kontrollen in Wegscheid und Neuhaus nur sichtbarer geworden“, erklärt Daniel Gibis von der Passauer Bundespolizei. „Wir haben auch vorher mit derselben Personalstärke kontrolliert, aber Schleierfahnder in zivil werden von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.“ Eine positive Wirkung sieht er dennoch in den stationären Grenzkontrollen: Sie haben eine abschreckende Wirkung. „Da verhindert man viel präventiv, aber das ist natürlich nicht messbar“, sagt er. Ob man im Landkreis Freyung-Grafenau, wo es zuletzt erwähnte Verfolgungsfahrten zwischen Schleusern und Schleierfahndern sowie Polizei gab, künftig auch mehr auf solche abschreckenden stationären Einheiten – zum Beispiel in Lackenhäuser – setzen will, konnte Daniel Gibis gegenüber der PNP nicht beantworten und verwies aufs Bundespolizei-Präsidium in Potsdam. Eine PNP-Anfrage dorthin läuft.

Auch die Grenzstation in Wegscheid ist – ähnlich der in Philippsreut – nicht dauerhaft besetzt: „Wir kontrollieren flexibel nach Lageauswertung“, heißt es von der Bundespolizei, die von Unterstützungskräften der Bundespolizei aus ganz Deutschland und von der Bundesbereitschaftspolizei unterstützt wird.

Zu den Zahlen: Diese gibt die Bundespolizei nur für ihr ganzes Gebiet heraus, also für die Landkreise Passau, Freyung-Grafenau, Regen und Rottal-Inn, von Simbach bis Zwiesel. „Im September 2023 haben die Einreisen massiv zugenommen, wir hatten unglaublich viele Aufgriffe, vor allem Türken“, berichtet Bundespolizeisprecher Daniel Gibis. Wenn im Juli 2023 noch 577 Flüchtlinge aufgegriffen wurden, waren es im August schon 1100 und im September dann 2300. „Das war eine explosive Zunahme im gesamten Gebiet“, sagt er. Im Oktober waren es dann noch 1200 Flüchtlinge, im November nur mehr 200 Flüchtlinge. Es handelte sich vor allem um Türken, viele Familien, aber auch junge Männer, die alleine kamen – das Bild war ganz gemischt, sagt er. Insgesamt waren es 2023 8500 Flüchtlinge, die an der Grenze aufgegriffen worden sind. Im Jahr davor waren es nur 5300.

In einem Jahr 530 Schleuser festgenommen

Im Jahr 2024 sei es viel ruhiger geworden, skizziert Gibis: Von Januar bis Juli 2024 waren es 1570 Flüchtlinge, die aufgegriffen wurden. Die Nationalitäten der Flüchtlinge sind jetzt wieder überwiegend Syrisch und Afghanisch.

„Einer der Gründe für die extrem hohe Zahl 2023 war mit Sicherheit das Erdbeben in der Türkei im Sommer 2023, dazu kommt die Lebenslage in der Türkei mit extremer Inflation“, sagt Daniel Gibis. Hinzu komme, dass im Herbst jedes Jahr mehr Flüchtlinge kommen, die noch vor dem Winter die Flucht schaffen wollen. Ein Grund für den Rückgang 2024 sei außerdem, dass die Nachbarländer der Türkei jetzt stärker kontrollieren, also Ungarn und Serbien. „Sie haben die Kontrollen an den Außengrenzen verstärkt, die Zahlen sind auch deshalb zurückgegangen“, erklärt Gibis.

Wie viele Schleuser sind festgenommen worden? Darauf antwortet die Bundespolizei, dass 2023 in den genannten vier Landkreisen 530 Schleuser festgenommen worden sind, vor allem Syrer und Ukrainer. Im Jahr 2022 waren es auch 530. Eigentlich hätte man 2023 mehr festgenommene Schleuser erwartet, doch Daniel Gibis sagt: „Als es im September 2023 losging, waren wir oft nur noch gebunden mit der Sachbearbeitung, wir waren nur noch beschäftigt mit der Frage, wo jetzt schon wieder Flüchtlinge stehen. Fahndung in dem Sinn war gar nicht mehr möglich oft.“ 2024 waren es von Januar bis Juli knapp 100 festgenommene Schleuser.

Neu ist seit einem Jahr, dass die bayerische Grenzpolizei auch eine stationäre Grenzkontrolle übernommen hat, nämlich die an der Neuen Brücke in Neuhaus am Inn. „Seit Einführung der Grenzkontrollen am 6. Oktober 2023 wurde ein signifikanter Rückgang der Schleusungen festgestellt“, teilt die Grenzpolizei mit.

Wie es nun weitergeht? Seit 2015 wird die Grenzkontrolle auf der Autobahn A3 halbjährlich verlängert. Diese Grenzkontrolle ebenso wie die Stationen in Wegscheid und Neuhaus am Inn sind derzeit bis Mitte November gemeldet; die zu Tschechien bis Mitte Dezember. In Kürze wird also wieder neu über eine Verlängerung entschieden.

ZAHLEN

Die Flüchtlinge, die in den hiesigen Landkreisen aufgegriffen worden sind, werden nicht unbedingt auch in der Region untergebracht. Die Aufnahmequote innerhalb Deutschlands richtet sich nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel: Dieser Schlüssel wird jährlich durch das Büro der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz neuberechnet und setzt sich zu zwei Dritteln aus dem Steueraufkommen und einem Drittel der Bevölkerungszahl der Länder zusammen. Die Quote für Niederbayern beträgt 9,5 Prozent der bayerischen Flüchtlinge.

Der Maßstab für die Verteilung innerhalb der Regierungsbezirke ergibt sich aus der Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes (§ 3 Abs. 2 DVAsyl). Die Quote für den Landkreis Freyung-Grafenau beträgt innerhalb Niederbayern wiederum 6,5 Prozent.

Sprecher: Der Landkreis FRG erfüllt die Quote nicht

„Die Erfüllungsquote liegt bei 88 Prozent. Der Landkreis Freyung-Grafenau erfüllt die Quote damit nicht“, eröffnet Tobias Gierl, Leiter der Pressestelle Regierung von Niederbayern, auf PNP-Nachfrage zum Soll-Stand in FRG.

„Aktuell sind im Landkreis Freyung-Grafenau 505 Personen in staatlichen Unterkünften untergebracht“, beantwortet Gierl weiter. „Die untergebrachten Flüchtlinge kommen hauptsächlich aus Syrien, Aserbaidschan und Sierra Leone.“

− ck



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