Grafenau
Von der Pest bis zu Corona

10.03.2021 | Stand 21.09.2023, 4:37 Uhr

Eine Spitalrechnung von Anfang 1634 belegt, wie viele der behandelten Pestpatienten im Spital gestorben sind: 12 Personen seien der Seuche damals erlegen. −Foto: Screenshot/Stadtarchiv Grafenau

Pest, Cholera, Diphterie: Seit Jahrhunderten müssen die Menschen gegen Krankheiten und Seuchen kämpfen und seit knapp einem Jahr auch gegen die Corona-Pandemie. Ein Grund für die Redaktion in der Grafenauer "Krankheitsgeschichte" zu blättern.

Aufzeichnungen aus der Grafenauer Stadtgeschichte zeigen: Schon im frühen 17. Jahrhundert wurde die Säumerstadt von einer Seuche befallen. Ende August 1634 hielt der "Schwarze Tod" Einzug als "Nebenwirkung" der Einquartierung fremder Truppen im Gefolge des Dreißigjährigen Krieges. Meist hatten die Patienten hohes Fieber und plötzlich überall merkwürdige Beulen am Körper – kurze Zeit später starben sie, ohne, dass jemand ihnen hätte helfen können. Medikamente aus der Apotheke in Passau zeigten keine Wirkung, der Besuch beim Windorfer Arzt (dem wundersame Kräfte bei der Pestheilung zugesprochen wurden) war meist vergebens. Der Versuch sich mit Masken und Tüchern vor der ansteckenden Krankheit zu schützen blieb ohne Wirkung.

Grafenau blieb aber laut den schriftlichen Aufzeichnungen länger von der Pest verschont, als das bei den Nachbarorten der Fall war. "Dagegen war im Herbst 1584 die Infektion in Bärnstein aufgetreten, wo ihr der Gerichtsschreiber Hälzl zum Opfer gefallen war", schreibt Hermann Neumann in seinem Buch "600 Jahre Stadt Grafenau".

Aufgrund der Pestausbreitung im Bistum Passau und im benachbarten Böhmen 1613 ordnete der Stadtrat an, die Brunnen sauber zu halten, Schweine nicht rauszulassen und den Unrat nicht auf die Straße zu schütten. In Zuge dessen wurden an den drei Stadttoren Wächter positioniert, um die Fremden und Durchreisenden aus den verseuchten Gegenden abzuweisen. Damals scheint es so, dass sich die Pest auch in Grafenau eingenistet hat. Neumann schreibt: "In Grafenau wurden die Stadttore geschlossen und Infektionswächter standen zwischen Elmberg und Neudorf, in Heinrichsreith, Biberach und Gumpenreit, um die Grenze gegen das Bistum abzuriegeln". 1634 konnte das Auftreten der Pest dann durch die Spitalrechnung aus diesem Jahr nachgewiesen werden. Am 30. August bestellte man deswegen vier Personen zu Totenträgern ab, die für ihre Arbeit ein Gulden sowie ein "halbes Vierer Bier" als Lohn erhielten.

Ähnlich wie heute stürzten sich die Menschen in wilde Theorien und Spekulationen über die Krankheitsentstehung. Die Befallenen wurden in häusliche Quarantäne gesteckt, die Häuser gesperrt und versiegelt. Jeder hielt sich aus Angst vor der Ansteckung von den Nachbarn und Angehörigen fern. Märkte, wie der Wochen- oder Viehmarkt, wurden nicht abgehalten.

Eine genaue Zahl der Todesopfer fehlt bis heute. Die Spitalhofrechnung von Anfang 1634 belegt jedoch, dass 13 Personen zu dieser Zeit dort behandelt wurden. Alle, "bis auf des Altbauern einfältige Tochter" starben an der Pest.

Im September 1649 brach die Pest erneut aus. Daraufhin musste auf Anweisung des Landgerichts in der Nähe der Stadt ein extra Infektionsfriedhof ausgesteckt werden. Wo sich dieser genau befunden hat, ist heute nicht bekannt.

Der Schwarze Tod traf aber nicht nur Grafenau, sondern befiel auch die heute zugehörigen Ortschaften, wie Lichteneck, St. Oswald, Schönberg, usw.

Nach der Pest traten auch andere Krankheiten im Grafenauer Land auf. Durch die Beherbergung vieler ausländischer Soldaten während diverser Kriege wurden unter anderem Typhus, Blattern (Pocken) und Ruhr eingeschleppt – die Sterbezahlen hielten sich aber in Grenzen.

Und jetzt, seit fast einem Jahr, hat Corona das Grafenauer Land – und die Welt im Allgemeinen – fest im Griff. Einige Parallelen zum Mittelalter lassen sich schon finden. Hoffen wir, dass auch das in ein paar Jahrzehnten nur noch ein Teil der Grafenauer Stadtgeschichte sein wird.