Grafenau
Fulminanter Auftakt des Grafenauer Frühlings

02.05.2022 | Stand 20.09.2023, 7:01 Uhr

Freuten sich über eine gelungenen Auftaktveranstaltung: Bürgermeister Alexander Mayer (v.r.), Gerhard Steppes-Michel, Jochen Michel, Marianne Michel, Landrat Sebastian Gruber, Laudator Karl-Heinz Reimer und Hilde Greiner vom Kulturverein. −Foto: Behringer

"Dynamik und Harmonie" heißt die Ausstellung im Rahmen des 35. Grafenauer Frühling, die am Freitag im Kulturpavillon eröffnet wurde und über 200 Besucher begeisterte. Eingerahmt von Bildern des Schönberger Künstlers Gerhard Steppes-Michel und den Skulpturen des Neuschönauer Bildhauers Jochen Michel begrüßte Hilde Greiner im Namen des Kulturverein Grafenau Kunstfreunde und Ehrengäste. "Lassen Sie beim Rundgang durch die Ausstellung die Seele baumeln", so Greiner. Die Grafenauer Blechbläser nahmen die Besucher mit auf ihre musikalische Reise und setzten mit Jazzmusik, Swing und alpenländische Weisen passende Akzente.

Landrat Sebastian Gruber bezeichnet diese Ausstellung als Erdung und Ablenkung in diesen Zeiten und betonte, "dass Kunst und Kultur in unserer Region einen hohen Stellenwert" haben. Auch für Bürgermeister Alexander Mayer sind kulturelle Veranstaltungen eine wertvolle Bereicherung der Säumerstadt.

In seiner Laudatio zeigte Karl-Heinz Reimeier Einblicke in das Leben und künstlerische Schaffen von Vater und Sohn, denen er auch freundschaftlich verbunden ist: "Der eine, der Vater, Maler, Zeichner, Drucker – der andere, der Sohn, Bildhauer. Eine ideale Ergänzung, vor allem für uns als Publikum dieser Ausstellung", so Reimeier.

Zu Beginn widmete er sich dem Objekt "Hochzeitstanz" von Jochen Michel. "Eiserne Flügel tragen Liebespaare in die Luft. Heiter, froh, spielend, scherzend. Eiserne Flügel schweißen den Hochzeitstanz in den siebten Himmel, dahin die erste Liebe der Wirklichkeit entschwebt."

Jochen Michel, der im Herbst diesen Jahres den Kulturpreis des Landkreises erhält, stehe zwar mit dem Begriff "Bildhauer" hoch im Kurs, aber hinter dem Menschen Jochen Michel stecke noch mehr: von Beruf Lehrer, Theaterregisseur, Segelflieger, Schiffsbauer und schließlich Bildhauer.

Beim Essen die Gickerl untersuchen

Mit Kunst kam Jochen von klein an in Berührung – in der Familie sowieso, und im Kunstunterricht, wo er schon in seiner Schulzeit Skulpturen aus Ytong-Steinen oder Holz fertigte. Eine seiner Vogelplastiken zeigte er dem Künstler Heinz Theuerjahr. Dieser sprach ihm Mut zu und gab ihm den Tipp, beim Gickerlessen zu beobachten, wie die Flügel angelegt sind und wie die Knochen verlaufen.

Theuerjahr habe zwar Spuren hinterlassen, aber Jochen Michel hat seinen eigenen Stil gefunden. Er wurde zu dem Künstler, der einen sicheren Blick für die Anatomie bei Mensch und Tier hat, der neue Formen erfinden kann und diese in völliger Freiheit, unabhängig von irgendwelchen Mustern oder Vorschriften. Dieses "Unabhängigsein" reize den Künstler, wobei er aber die Schönheit einer Form, einer Figur, die Ästhetik, nie außer Acht lasse.

Viele Gebilde aus Holz, Stein oder Stahl sind in akribischer Kleinarbeit, mit viel Aufwand und körperlicher Kraft entstanden und zieren den Garten des Künstlers. Jochen Michel brenne bei jeder neuen Idee von Anfang an bis zum letzten Schlag, den letzten Schliff, um die neue Figur einzureihen in die Gemeinschaft der etablierten Arbeiten rundherum. "Manchmal stehe ich erstaunt vor einem dieser Objekte und wundere mich, wie Menschenhände aus den harten, kalten, steinigen, eisernen, leblosen Materialien diese weichen und fließenden Formen entstehen lassen können", so Reimeier.

Jochen Michel habe auch ein exquisites Buch gemacht, wo auch wieder alles gepasst habe: seine Kunst, die lyrische Begleitung, die fotografische Leistung und die überaus künstlerische Gestaltung.

In der Laudatio für Gerhard Steppes-Michel betrachtete Reimeier in seinem Gedicht das Bild "Ende in Schönheit": "Ein Käfer, Hirschkäfer vielleicht? Ein Schlangenskelett? – schon eher. Die Schlange erstickt beim Verschlingen der Beute. War’s Gier? War’s Trieb? War's Lust? War’s Spiel? War’s Hunger? Genuss? Die Seele ist dem Knochengerüst längst entwichen, die Tötungsabsicht nur zu erahnen!"

Seit einem dreiviertel Jahrhundert hat Gerhard Steppes-Michel die Kunstszene besonders im Bayerischen Wald begleitet, bereichert und gefördert. Der im nordböhmischen Aussig geborene Künstler kam 1950 in den Bayerischen Wald nach Schönberg, wo er mit seiner Frau und den vier Söhnen eine zweite Heimat gefunden hat. In der Alltagspflicht als Finanzamt-Dienststellenleiter lief die Kunst intensiv nebenher, wurde immer mehr wichtig.

Dass Steppes-Michel zeichnen kann, habe man früh erkannt und auch gefördert. Seine Vorbilder waren die Malerinnen Amalie Stubenrauch und Erica Steppes, die sein Leben und seine Malerei besonders prägten. Besonders Erica Steppes, die auch seine Adoptivmutter wurde, habe ihn aufgefordert und ermahnt, nicht oberflächlich oder unbedarft drauf loszumalen, sondern die Malerei ernsthaft und konsequent anzugehen. Steppes-Michel habe dies befolgt und sich sorgsam und intensiv um die Kunst, sowohl seiner Adoptivmutter als auch um die Kunst ihres Vaters Edmund Steppes, gekümmert. Mit großem persönlichen Einsatz schaffte es der Künstler, dass deren Werke in der Kunstwelt nicht vergessen sind. Genau so sorgfältig gehe er mit seinem eigenen Werk um, das er mit immerhin 4000 Bildern in einem Werksverzeichnis fast lückenlos pflegt.

In Schönberg und der großen weiten Welt daheim

Mitten in Schönberg – und gleichzeitig draußen in der großen weiten Welt fühle man sich, wenn man beim Künstler zu Hause inmitten einer großen Auswahl von Gemälden steht. Es sei ein Genuss, hier ohne große Umstände auf Reisen gehen zu können, die vielen Bayerwaldlandschaften erleben zu dürfen, die Besonderheiten der nordischen Landschaften, die Bilder vom ruhigen oder stürmischen Meer. Gerhard Steppes-Michel habe es immer hinausgezogen in die Welt. Das Empfinden andersartiger Landschaften und das Erspüren neuer Eindrücke habe ihn zu vielen Reisen angeregt, alle sorgfältigst dokumentiert in Skizzen, kleineren und oft sehr großformatigen Bildern.

Zudem war der Künstler immer bestrebt, die Kunst nicht nur im stillen Kämmerlein zu behüten, sondern unter die Leute zu bringen. Mit dem Bayerwaldkreis, den er von der Gründung 1966 bis zur Auflösung 1997 als ehrenamtlicher Geschäftsführer geleitet hat, wurden Ausstellungen veranstaltet, die weit über die Grenzen des Bayerischen Waldes hinaus bekannt waren.

Das Engagement des Künstlers wurde mit vielen Auszeichnungen gewürdigt wie das Bundesverdienstkreuz am Bande, Kulturpreis des Landkreises und des Bayerischen Waldvereins sowie dem Wappenring des Marktes Schönberg. Zudem wurde sein künstlerisches Talent in zwei Büchern gewürdigt, die heute zum Standardwerk in den Kunstbibliotheken zählen: "Der Maler Gerhard Michel" und "Naturlandschaften". Sie werden nicht die einzigen Bücher bleiben. Denn Gerhard Steppes-Michel habe sich zum Ziel gesetzt, zu seinem 100. Geburtstag, ein weiteres Buch mit den Schachten des Bayerischen Waldes in ihrer ganzen Vielfalt und Schönheit, herauszubringen. Die Schachten haben die Leidenschaft zum Malen wieder voll entfacht und Gerhard Steppes-Michel interpretiert diese Arbeit so: "Da sitzt man gut zwei Stunden vor einem Motiv, wie z. B. vor einem Baum. Und man zeichnet und zeichnet. Das ist harte Arbeit, nicht nur Intuition. Da wird Struktur und alles was den Baum ausmacht, seziert und studiert. Da prägt sich der Baum ein und er wird unvergesslich!" Die Vorarbeiten zu diesem besonderen Buch seien bereits erledigt.

− beh



Die Ausstellung ist bis 22. Mai täglich, außer Montag, von 14 bis 17 Uhr, geöffnet.