Grafenau
Ein aktives Ja zum eigenen Leben

03.05.2022 | Stand 20.09.2023, 21:15 Uhr

Weniger ist oft mehr: Pater Anselm Grün bei seinem Vortrag in der voll besetzen Neudorfer Kirche. −Foto: Friedl

"Deutschlands bekanntesten Mönch, der in dunklen Zeiten Spiritualität, Glück und Lebenslust vermittelt", begrüßte Stadtpfarrer Kajetan Steinbeißer im Rahmen des Grafenauer Frühlings in der voll besetzten Neudorfer Kirche. "Versäume nicht dein Leben" hieß der Titel des Vortrags von Pater Anselm Grün, mit dem er eine Lanze für das Leben brach und Tipps gab, wie man mit Schicksalsschlägen besser umgeht.

Kulturvereinsvorsitzender Matthias Schubert gab zu Beginn einen Kurzüberblick über die beeindruckende Vita des Benediktinerpaters. "Seine Publikationen umfassen mehr als 300 Titel mit einer Gesamtauflage von weltweit über 14 Millionen verkauften Büchern", zeigte Schubert auf. Die Schriften seien in über 30 Sprachen übersetzt worden, 50 Titel auch ins Chinesische.

Aktiv für das eigene Leben

"Den Spruch ‚Versäume nicht dein Leben‘, könne man auf verschiedene Arten verstehen", stieg Anselm Grün in seinen Vortrag ein. Manche Menschen würden sich in ihr Schicksal ergeben, betrauern eine "schlechte Karte gezogen zu haben" und blieben deshalb ein Leben lang nur Zuschauer, anstatt aktiv zu werden für das Wesentliche: das eigene Leben.

Zu jedem Punkt nannte der Pater praxisorientierte Beispiele, in denen sich die Zuhörer wiederfinden konnten – kombiniert mit biblischen Geschichten.

"Nur wer einen Sinn im Leben findet, hat überhaupt die Chance zum Überleben, empfindet Lebenslust und damit die Möglichkeit zum Anpacken und Gestalten", sagte der Pater und zitierte die Studien eines Psychologen mit den verschiedenen Werten, die für das Leben relevant sind. So gebe es schöpferische Werte, Erlebniswerte oder Einstellungswerte.

Wie facettenreich seine Einsatzgebiete sind, zeigte Grün mit Praxisbeispielen aus seinen Kursen für verwaiste Eltern, die ein Kind verloren haben, aus der Trauer- und Sterbegleitung sowie aus seinen Seminaren für Führungskräfte.

Private Einblicke in das Leben von Pater Grün

Auch private Einblicke gab es in dem kurzweiligen Vortrag in der Neudorfer Kirche, als der Autor von der Hingabe seiner Mutter zur Familie selbst in Zeiten von schwerer Krankheit erzählte, oder von einem seiner Brüder, der Quantenphysiker ist.

"Nehmt Abschied von der Opferrolle und segnet die, die euch verfluchen", so sein Appell. Gerade die Lebensmitte sei oft ein Punkt, an dem man alles hinterfrage. "Viele haben Angst, etwas versäumt zu haben, fragen sich, ob das schon alles gewesen sein soll und planen hektisch einschneidende Änderungen", sprach der Geistliche, der gleichzeitig auch Betriebswirt ist, aus seinen Erfahrungen.

Dabei sei eine sanfte Verwandlung der Schlüssel, die Erkenntnis, dass jeder mit seinem Leben eine Spur grabe und etwas Positives beitrage. "Wie wir während Corona gelernt haben, können wir uns gegenseitig mit einem Virus anstecken, genauso aber mit positiver Energie", philosophierte er.

Oft würden heute schnell Psychopharmaka eingesetzt, um Gefühle zu dämpfen, dabei gehörten Weinen, Trauer und Schmerz auch zum Leben. Grün nannte dazu das Beispiel eines Jungen, der das Ministrieren als Mittel gegen seine Hyperaktivität entdeckt habe. Auch Lampenfieber bei Künstlern etwa gehöre dazu und solle nicht "abgeschaltet" werden.

"Willst du gesund werden? Dann nimm dein Bett und geh." Mit diesem symbolischen Aufruf wollte der Mönch, der in der Abtei Münsterschwarzach lebt, das Publikum anspornen, das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Er zitierte Hildegard von Bingen, die davon sprach, Wunden in Perlen zu verwandeln und schloss mit der Hoffnungsgeschichte des Johannes.

Bei seinem "Schlussritual, das zum Leben führt", einem 1600 Jahre alten Abendsegen, hätte man trotz mehr als 200 Zuhörern in der Kirche eine Stecknadel fallen hören, so still war es. Mit um den eigenen Körper geschlungenen Armen nahm sich das Publikum selber an und dankte Anselm Grün für den Abend.

− frk