Freyung-Grafenau
Wird Verlagerung allmählich zum Lotteriespiel?

Staatliche Lotterieverwaltung von München nach FRG? – Was Landrat Sebastian Gruber und hiesige MdLs davon halten

10.05.2021 | Stand 21.09.2023, 1:10 Uhr

Hat der Landkreis Glück? Die Staatliche Lotterieverwaltung inklusive 350 Mitarbeiter in den Landkreis Freyung-Grafenau – so lautet der jüngste FW-Verlagerungsvorschlag, der erörtert wird. −Foto: Karl

Es gleicht immer mehr einem Lotteriespiel, ob was herausspringt bei dem unlängst noch so vielversprechenden Ansinnen, im Landkreis Freyung-Grafenau eine weitere überregional bedeutsame Behörde anzusiedeln. Nach dem von CSU und Freien Wählern (FW) praktizierten politischen Geplänkel bei der gescheiterten Verwaltungsgerichts-Ansiedlung in Freyung bzw. Grafenau droht nun eine weitere Option im Vorfeld zerredet zu werden: Die von FW-Fraktionschef Florian Streibl ins Spiel gebrachte Variante einer Verlagerung der Staatlichen Lotterieverwaltung stößt nicht überall auf Gegenliebe.

"Die Stärkung des ländlichen Raums in Bayern ist ein Herzensanliegen der Freie Wähler-Fraktion", hatte Florian Streibl am Sonntag mitgeteilt und nach dem jüngsten VG-Rohrkrepierer einen neuen Vorschlag präsentiert. "Nachdem die Verlagerung des Verwaltungsgerichts Regensburg am Widerstand der CSU gescheitert ist, mache ich unserem Koalitionspartner den Vorschlag, die Staatliche Lotterieverwaltung aus München heraus in den Landkreis Freyung-Grafenau zu verlegen", sagte Streibl und brachte die Ansiedlung von bis zu 350 Arbeitsplätzen ins Spiel (PNP berichtete gestern). Die Staatliche Lotterieverwaltung sei groß genug, um mehrere Standorte zu eröffnen – beispielsweise einen in Freyung und einen in Grafenau, meinte Streibl. Bayerns Finanzminister Albert Füracker, dem die Einrichtung untersteht, hingegen meinte sogleich was ganz anderes: "Lotto Bayern ist erst vor wenigen Jahren an seinen aktuellen Standort umgezogen – eine erneute Verlagerung wäre auch deshalb momentan nicht sinnvoll", sagte Füracker. Also offenbar wenig Spielraum für Verlagerungen.

"Grundsätzlich ist jede mögliche Verlagerung von staatlichen Stellen in den Landkreis Freyung-Grafenau zu begrüßen", sagte Fürackers Parteifreund und FRG-Landrat Sebastian Gruber auf PNP-Nachfrage am Montag. Und nebenbei und objektiv betrachtet sei der Landkreis FRG immer wieder zum Zuge gekommen, "im Übrigen unabhängig von Parteizugehörigkeit der jeweiligen Bürgermeister".

"Ich spreche bewusst von Jahrzehnten, weil man derartige Entscheidungen und Entwicklungen über einen längeren Zeitraum betrachten muss", bilanziert Gruber und erwähnt auszugsweise diverse Ansiedlungserfolge da und dort im Landkreis: Bayernweiter Sprengel der Dachdecker in Waldkirchen, Innovations- und Gründerzentrum in Waldkirchen, Erweiterung Finanzamt Grafenau, Förderstützpunkt LABO Grafenau, Erweiterung Vermessungsamt Freyung bis hin zu den Technologietransferzentren Freyung, Grafenau und Spiegelau sowie ganz aktuell die Kompetenzstelle für Digitalisierung im Tourismus in Waldkirchen.

"Aber: Öffentliche Schnellschüsse haben noch nie zu erfolgreichen Verlagerungen geführt. Unabgestimmtes Vorgehen und Uneinigkeit in der Region genauso wenig", bilanziert der Landrat und hat dabei offenbar jüngste Vorgehensweisen bei Vorschlägen im Hinterkopf. "Die Freien Wähler haben kritisiert, dass die Schaffung eines niederbayerischen Verwaltungsgerichts ohne Einbindung und Rücksprache mit ihnen als Koalitionspartner erfolgt ist. Aus Sicht der Freien Wähler als Juniorpartner in der Regierungskoalition kann ich das – sofern es so gewesen ist – nachvollziehen." Wenn man sich aber nun darüber beklage, dass man zu diesem Thema und dem Standort vorher nicht gesprochen hat und nicht eingebunden war, "dann", so Gruber, "verstehe ich das aktuelle Vorgehen der Freien Wähler noch viel weniger. Der Fraktionsvorsitzende Florian Streibl schreibt: ,Wir Freien Wähler werden dazu mit der CSU das Gespräch suchen.‘ Heißt: Man hat in München im Vorfeld nicht gesprochen, vor Ort im Übrigen – zumindest mit mir als Landrat – ebenfalls nicht."

Der aktuelle Vorschlag der Freien Wähler möge, so Gruber, "grundsätzlich überlegens- und unterstützenswert" sein. "Er ist aber erstens innerhalb der Regierungskoalition nicht abgestimmt, beantwortet zweitens nicht die Frage nach einem Verwaltungsgericht in Niederbayern und ist drittens – um im Bild des Vorschlags zu bleiben – ein Lotteriespiel auf Kosten und auf dem Rücken des Landkreises Freyung-Grafenau." Behördenverlagerungen seien aber kein öffentliches Glücksspiel, bei dem man in der Region Hoffnungen weckt und am Schluss nichts umgesetzt werde.

"Grundsätzlich begrüße ich jede Behördenverlagerung in den Bayerischen Wald und werde jede Initiative unterstützen und keinesfalls blockieren, so wie es die Freien Wähler beim Verwaltungsgericht getan hatten", sagt CSU-MdL Max Gibis. "Nachdem nun Finanzminister Albert Füracker berichtet hat, dass die Lotterieverwaltung erst vor wenigen Jahren an ihren neuen Standort umgezogen ist, ist dieser Vorschlag wohl wenig sinnvoll. Zudem verwundert es mich, dass die Freien Wähler nun diesen Vorschlag machen, obwohl er im Koalitionsausschuss auch von den Freien Wählern als nicht sinnvoll abgelehnt wurde.Dieser ganze Zirkus sollte jetzt mal ein Ende haben. Die Freien Wähler sollten schnellstmöglich ihre Blockade gegen das VG in Freyung aufgeben", legte Gibis gestern noch mal nach. "Wenn sie nicht seit Monaten blockieren würden, wäre wohl schon ein Aufbaustab für das niederbayerische VG in Freyung bei der Arbeit und die Planungen für die Erweiterung des Amtsgerichts Freyung wären wohl schon weit fortgeschritten, so dass das VG eventuell schon in ein, zwei Jahren mit der Arbeit in Freyung beginnen könnte."

Die PNP hat am Montag bei FW-MdL Manfred Eibl nachgefragt, ob er vorab in den jüngsten Verlagerungs-Vorschlag seines Parteikollegen Florian Streibl eingebunden war. "Ich stehe in permanentem Austausch mit unserem Fraktionsvorsitzenden. Daher war ich in dessen Vorschlag einer Verlagerung der Staatlichen Lotterieverwaltung von München in den Landkreis Freyung-Grafenau vollumfänglich eingebunden. Die Idee ist übrigens nicht neu – Florian Streibl hatte sie bereits im Juli 2020 bei unserem presseöffentlichen Gemeinschaftsbesuch in Grafenau und Waldkirchen geäußert." Grundsätzlich finde es der Perlesreuter MdL "wichtig, Vorschläge zu präsentieren". Denn mit einer Verlagerung der Bayerischen Lotteriezentrale würde man in FRG bis zu 350 neue Arbeitsplätze erhalten. "Damit würden wir das Ziel einer Behörden-Verlagerung punktgenau umsetzen." Die FW-Initiative zur Stärkung des ländlichen Raums im östlichen Niederbayern liege jetzt erst einmal auf dem Tisch und sollte laut Eibl auch zwischen den Koalitionspartnern sachlich diskutiert werden. "Und wenn der Finanzminister uns tragfähige Alternativen unterbreiten möchte, werden selbstverständlich auch wir diese wohlwollend prüfen", sagt Eibl mit Blick auf Albert Fürackers Bedenken in Sachen Lotterieverwaltungs-Umzug.

"Eine Behördenverlagerung, die attraktive Arbeitsplätze in den Bayerischen Wald verlagert, wäre natürlich zu begrüßen, insbesondere in dieser Größenordnung", sagt Grünen-MdL Toni Schuberl. "Aber hier will ich erst einmal abwarten, ob das Angebot ernst gemeint ist. Wir müssen eine Zerfleischung der beiden Koalitionspartner und der drei Städte Freyung, Grafenau und Waldkirchen in aller Öffentlichkeit mit ansehen. Das ist sehr unprofessionell. Zudem machen die Freien Wähler bewusst denselben Fehler wie die CSU, indem sie solch einen Vorschlag öffentlich machen, ohne den Koalitionspartner vorher eingebunden zu haben. Damit gefährden sie das Projekt gleich von Anfang an."

Heinz Pollak (Bürgermeister Waldkirchen) und Gudrun Donaubauer (Bürgermeisterin Hauzenberg) verfolgen das politische Geplänkel eher aus der Nachbarschaft – aber auch mit Eigeninteresse: "Die Verlagerung von Behörden nach Niederbayern und speziell in den südlichen Bayerischen Wald begrüßen wir natürlich uneingeschränkt. Selbstverständlich freuen wir uns sehr, dass nun auch Waldkirchen und Hauzenberg in die Überlegungen einbezogen worden sind", freuen sich die beiden in einer gemeinsam unterzeichneten Erklärung. "Unsere beiden Städte bilden ein gemeinsames, landkreisübergreifendes (!) Mittelzentrum mit mehr als 22000 Einwohnern, das sich bestens für die Ansiedlung von Behörden anbietet. Wir hoffen und bauen darauf, dass sich die Koalition und in der Folge der Landtag auf eine Behördenverlagerung in unsere Region einigen können. Wir setzen viel Hoffnung in die parteiübergreifende Sacharbeit zum Wohle unserer Heimat", sagen Pollak und Donaubauer unüberhörbar verhalten optimistisch.