Im ehemaligen Edeka
„Bin fassungslos“: Syrer ziehen zu ukrainischen Flüchtlingen nach Pilsting

03.03.2023 | Stand 03.03.2023, 8:51 Uhr

Die Wogen hatten sich in Pilsting geglättet, als Kinderfahrräder für die ukrainischen Flüchtlinge bereitstanden. Jetzt sind zudem Asylbewerber eingezogen, manche fühlen sich vom Landrat verraten. −Foto: Nadler

Die Mitglieder der Gruppe „Pilsting steht auf“ (Landkreis Dingolfing-Landau) haben befürchtet, dass man sich auf das Wort von Landrat Werner Bumeder nicht verlassen kann. Jetzt fühlen sie sich bestätigt.



Lesen Sie dazu auch: Zwei Demos, um Farbe zu bekennen - Für oder gegen Flüchtlinge in Pilsting?

In der Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Edeka wurden am Dienstag zu den bereits etwa 25 ukrainischen Flüchtlingen wohl 14 syrische Männer einquartiert.

„Die Entscheidung musste aufgrund der aktuellen Situation so getroffen werden“, bestätigt ein Sprecher des Landratsamtes. Genau das könne man nicht machen, versprach der Landrat in der Gemeinderatssitzung in Pilsting Anfang Februar, in der Bumeder für Verständnis oder gar Unterstützung warb, dass man in Pilsting bis zu 100 Plätze für Flüchtlinge schaffen wolle. Ursprünglich war von 150 die Rede und auch von syrischen Männern. Als dann der Landrat erklärte, dass ukrainische Flüchtlinge einziehen werden und tags darauf schon kleine Kinder mit ihren Müttern gesehen wurden, bot ein Teil der Widerstandsgruppe, die sich mit einer Mahnwache Gehör verschafft hatte, sogar Unterstützung an.

Gemeinschaftsräume für alle Bewohner

„Ich war als ehrenamtliche Helferin dabei“, berichtet Michaela Ebner, die für „Pilsting steht auf“ bereits bei der Mahnwache das Wort ergriff. Als sie eine Helfer-Kollegin informiert hatte, dass am Dienstag 14 Syrer eingezogen seien, „war für mich klar: ich bin raus!“ Man wisse nicht, was da schiefgelaufen sei, denn der Landrat habe klar erklärt, dass man entweder ukrainische Flüchtlinge oder Asylbewerber aus Drittstaaten unterbringen werde, keinesfalls beide gemischt. Pilstings Bürgermeister Martin Hiergeist bestätigt, dass zumindest zehn Asylbewerber in das Gebäude eingezogen sind.

Dass man einerseits Ukrainer unterstütze, andererseits Syrer kriminalisiere, stößt dem Landrat sauer auf: „Bei allem Verständnis für Bedenken und Sorgen ist es bedauerlich, dass teilweise mit Vorurteilen und falschen Behauptungen Stimmung gemacht wird und eine Teilgruppe von Hilfesuchenden negativ stigmatisiert wird.“

Lediglich durch Spanplatten seien die Räume im ehemaligen Supermarkt voneinander getrennt, berichtet Ebner aus eigener Erfahrung, der Rest seien Gemeinschaftsräume. „Die Frauen und Kinder muss man schützen“, ist sie überzeugt. Das sieht Hiergeist anders. „Da gibt es kein Problem eher im Gegenteil“, sagt er und berichtet, wie die Bewohner des Gebäudes miteinander umgehen.

Landrat Werner Bumeder erklärt, er habe in der Marktgemeinderatssitzung sehr ausführlich die prekären Engpässe der Unterbringungsmöglichkeiten aufgezeigt und die getrennte Unterbringung zugesagt, solange sich eine gemischte Belegung irgendwie vermeiden lässt.

Alle anderen Unterkünfte sind vollbelegt

„Dies ist leider aktuell nicht mehr der Fall“, informiert er. „Es sind aktuell alle anderen Unterkünfte bis auf den letzten Platz belegt, die für Flüchtlinge aus Drittstaaten zur Verfügung stehen. Die Alternativen wären aktuell, entweder die Flüchtlinge aus der Ukraine von Pilsting in das Zelt in Steinberg zu verlegen oder eine Schulturnhalle in eine Unterkunft umzubauen. Beides wollen wir so lange als möglich vermeiden“, sagt Bumeder.

„Ich bin fassungslos“, erklärt Ebner und sie versteht die Leute, die in Pilsting für die ukrainischen Familien gespendet haben oder einen Kickerkasten repariert haben, dass die jetzt enttäuscht sind. Ihr wurde berichtet, dass auf einem Fahrrad, das für diesen Zweck abgegeben wurde, jetzt ein Syrer unterwegs gewesen sei.

In einem offenen Brief hatte vorher „Pilsting steht auf“ mitgeteilt: „Aktuell sind in der Unterkunft ukrainische Familien untergebracht, welche vor einem grausamen Krieg und vor Lebensgefahr geflohen sind, das ist aus unserer Sicht unsere Pflicht als Mitmenschen, wir stehen absolut für den Schutz von Frauen und Kindern ein.“ Und die Gruppe versprach, sich nicht hinters Licht führen zu lassen: „Wir bleiben weiterhin dran, damit die Parteien nicht einfach machen können, was an den Interessen vieler Bürger vorbei geht, wir wissen um den Rückhalt beim Großteil der Gemeindebürger.“

Deshalb ist Michaela Ebner auch überzeugt, dass die Gründung einer Bürgerinitiative, die am Wochenende geplant ist, zum Erfolg führen wird.

„Konfliktfreie, geordnete Unterbringung“

Der Landrat fühlt er sich in seinem Vorgehen bestätigt: „Der Landkreis mit seinen Sachgebieten ist seit über zwei Jahrzehnten mit der Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen aus unterschiedlichen Ländern intensiv befasst und hat immer Lösungen gefunden, bei denen die weitestgehend konfliktfreie und geordnete Unterbringung ermöglicht wurde. Bei anderen Entwicklungen wurde unverzüglich reagiert. Dies wird auch in Pilsting so umgesetzt.“