Landau
Dingolfinger greift Nachbar mit Krücke an: Sieben Monate Freiheitsstrafe

06.12.2022 | Stand 18.09.2023, 4:42 Uhr

Der 33-Jährige muss nun Weihnachten in der Justizvollzugsanstalt Landshut verbringen, nachdem er seinen Nachbarn mit einer Krücke geschlagen hat. −Foto: Klee

Von Madeleine Klee

In einem der sozialen Brennpunkte von Dingolfing – in einem Gebäude in der Dieselstraße – ist es im März dieses Jahres für einen Bewohner mehr als ungemütlich geworden. Spät abends, als er bereits schlief, soll ein Mann in seine Wohnung eingebrochen sein. Als er ihn rauswerfen will, soll der Eindringling ausgeflippt – mit einer Krücke auf ihn losgegangen sein. Deshalb musste sich der 33-Jährige gestern vor dem Landauer Amtsgericht verantworten.

Mit Handschellen gefesselt und glasigem Blick sitzt der gebürtige Rumäne auf der Anklagebank, neben ihm sein Dolmetscher, hinter ihm Rechtsanwalt Peter Kempe. Seit März sitzt er bereits in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Landshut. Vor Gericht ist er sehr ruhig, lässt den Blick immer mal wieder durch den Sitzungssaal schweifen, er wirkt abwesend, als ihm Staatsanwältin Anna Maria Barthel eine gefährliche Körperverletzung unterstellt.

Verletzungen an Hand und Hals habe der Geschädigte davon getragen, als der Angeklagte ihn mit einer Krücke attackiert haben soll. Das gibt der Mann auch vor Richter Michael Piringer zu. Allerdings – so lässt er es durch den Dolmetscher übersetzen – habe der Nachbar ihn zuerst mit der Krücke geschlagen. Er habe sie ihm lediglich entrissen und dann als Notwehr zurückgeschlagen. Außerdem habe der Geschädigte ihm eine Bierflasche hinterhergeworfen, was eine Platzwunde an seinem Kopf nach sich gezogen haben soll. „Der sieht jetzt nicht gerade wie ein Schlägertyp aus“, hinterfragt Richter Piringer kritisch. „Warum soll der sie geschlagen haben?“ Darauf hat der Angeklagte auch keine richtige Antwort: „Weil er mich nicht in der Wohnung haben wollte“, vermutet er. Dabei habe er lediglich den Mitbewohner des Geschädigten besuchen wollen, der kurz vor der Tat operiert werden musste und sich nur mit Krücken fortbewegen konnte.

Opfer wehrt sich mit Bierflasche

Der Geschädigte gibt vor Gericht zu, den Angeklagten mit einer Bierflasche beworfen zu haben. Mit der Krücke des Mitbewohners habe er ihn aber nicht geschlagen. „Dazu hätte ich überhaupt keine Chance gehabt“, betont er. Schließlich sei er im Bruchteil einer Sekunde am Boden gelegen.

Einen „netten und freundschaftlichen Besuch“ sieht Staatsanwältin Anna Maria Barthel als sehr unrealistisch, zumal der Mitbewohner auch bereits geschlafen haben soll, wie er selbst vor Gericht aussagt. Demnach soll er überhaupt nichts von der Auseinandersetzung mitbekommen haben. „Da haben Sie bei der Polizei aber was anderes gesagt“, betont der Richter. Nach der damaligen Zeugenaussage habe der Mitbewohner den Angeklagten sehr wohl erkannt und auch mitbekommen, dass er eingebrochen sei. „Und was ist damit, dass er auch Sie geschlagen haben soll“, fragt der Vorsitzende und verweist auf eine andere laufende Verhandlung, nach der der Angeklagte auch den Mitbewohner attackiert haben soll. „Nein, das stimmt nicht, ich habe auch keine Anzeige gemacht“, entgegnet er.

Nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung muss sich der Dingolfinger vor Gericht verantworten. Er soll außerdem mit 0,9 Gramm Marihuana in der Hosentasche erwischt worden sein. „Da lässt sich eindeutig eine Tendenz erkennen“, stellt Richter Piringer fest. Schließlich sei der Mann bereits mehrmals einschlägig vorbestraft wegen Besitz von Betäubungsmitteln. Auch der Polizist, der damals zum Tatort gerufen wurde, kannte den Mann bereits aus der Drogenszene, wie er vor Gericht aussagt.

Diesen Vorwurf bestreitet der Angeklagte auch nicht. Bereits mit 16 Jahren habe er angefangen, Drogen zu konsumieren – damals nur Marihuana. Vor vier Jahren sei er dann heroinabhängig geworden. Deswegen werde er auch aktuell in der JVA substituiert und habe dort auch bereits eine Therapie beantragt, um die Sucht in den Griff zu bekommen.

Staatsanwältin Anna Maria Barthel sieht den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung als bestätigt an und fordert fünf Monate Freiheitsstrafe – weil es das erste Mal und ein minderschwerer Fall sei – auf Bewährung. Rechtsanwalt Peter Kempe weist nochmal auf die Drogensucht seines Mandanten hin und auch auf den Umstand, dass der Angeklagte bei der Tat unter Einfluss von Methadon, Alkohol und Marihuana gestanden habe. Deshalb fordert er Geldstrafe – 150 Tagessätze à 15 Euro. Der Beschuldigte verspricht in seinem letzten Wort, dass er in Zukunft keine Fehler mehr mache.

Richter: „Für Bewährung sehe ich schwarz“

Das kauft ihm Richter Michael Piringer allerdings nicht ganz ab. Er spricht den Angeklagten für schuldig und verurteilt ihn zu sieben Monaten Freiheitsstrafe. Es bestehe „kein Zweifel an den Taten“, wie er bei der Urteilsverkündung erklärt. Und auch eine Notwehr, wie sie der Angeklagte betont, „steht nicht zur Diskussion“ – eine solche könne man nach einem Hausfriedensbruch nicht mehr geltend machen, sagt der Richter. Eine Geldstrafe sei auch nicht die richtige Bestrafung, da diese schon bei den zahlreichen Vorstrafen nicht gefruchtet habe. „Für Bewährung sehe ich schwarz“, sagt der Richter ganz offen. Denn: Solange der Verurteilte drogenabhängig und in diesem Milieu bleibe, könne es keine gute Sozialprognose geben. Deshalb sieht der Richter eine siebenmonatige Gefängnisstrafe als Tat und Schuld angemessen. Erst wenn der 33-Jährige in der JVA eine Therapie erfolgreich hinter sich bringen kann, könne er irgendwann wieder „ein nützliches Mitglied der Gesellschaft werden“.