Tag der Kartoffel
Die Zitrone des Nordens: Warum die Kartoffel besser ist als ihr Ruf

19.08.2024 | Stand 19.08.2024, 11:00 Uhr |

Die Kartoffel sieht unscheinbar aus. In den kleinen Knollen steckt aber viel Power. − Foto: dpa

Am 19. August dreht sich alles um die gelbe Knolle, die aus vielerlei Gründen besser als ihr Ruf ist.

Die Kartoffel wird an diesem Tag in all ihren Facetten gefeiert – oder sollte man besser sagen, sie wurde früher an diesem Tag groß gefeiert? Denn ist es noch zeitgemäß, so einen Dickmacher wie die Kartoffel mit einem eigenen Tag zu ehren? Und seien wir mal ehrlich, nicht umsonst heißen Stubenhocker ja „Couch-Potato“, wortwörtlich ins Deutsche übersetzt „Sofa-Kartoffel“. Also runter mit der Knolle vom Essensplan! Vorsichtshalber hat die Heimatzeitung dann doch noch bei jemanden nachgefragt, der sich auskennt: bei Ernährungstherapeutin Bettina Hobmeier, die in ihrer Praxis in Dingolfing Menschen mit einer ernährungsbedingten Krankheit, starkem Übergewicht oder bei Essstörungen und Lebensmittelunverträglichkeiten berät.

Sind Kohlenhydrate böse?

„Nein, nein, überhaupt nicht“, wiegelt die Fachfrau gleich ab bei der Frage, ob die Kartoffel aus der Küche verbannt werden sollte. Aber dann doch bei denjenigen, die mit dem Gewicht zu kämpfen haben? Die Kartoffel macht schließlich dick, heißt es oft. Auch da schüttelt Bettina Hobmeier den Kopf und klärt auf: „Die Kartoffel wird zu Unrecht als Dickmacher verpönt.“ Vom Speiseplan sollte man die Kartoffel keineswegs streichen, ganz im Gegenteil. „Die Kartoffel ist eine super Kohlenhydratquelle. Und bevor die Frage kommt: Kohlenhydrate sind auch nicht böse.“ Mit dieser Überzeugung kämen viele Patienten in ihre Praxis, erzählt die 40-Jährige. Doch der Körper brauche satt machende Kohlenhydrate, wie sie eben auch in der Kartoffel stecken.

Und das Beste: „Die Kartoffel ist sogar kalorienarm – mit nur 70 Kilokalorien pro 100 Gramm.“ Zu verdanken hat es die Knolle dem hohen Wassergehalt. Was die Kartoffel hingegen so in Verruf gebracht hat und zur Kalorienbombe werden lässt, ist laut Bettina Hobmeier die Zubereitung. Isst man Kartoffeln mit viel Fett, zum Beispiel frittiert, vervielfachen sich leider die Kalorien pro 100 Gramm. Man denke da nur an Pommes oder Kartoffelchips.

Machen Kartoffeln wirklich dick?

„Also keine Angst vor der Kartoffel“, sagt Bettina Hobmeier. Solange die Zubereitungsart stimmt, kann die Knolle oft und gerne auf den Speiseplan. Nach wie vor tischen die Deutschen die Superknolle auch noch regelmäßig auf. Laut dem Bundeszentrum für Ernährung liegt der jährliche Verzehr von Kartoffeln pro Kopf in Deutschland bei etwa 56,1 Kilogramm, allerdings sind da auch die Kartoffeln in Form von Pommes oder Chips mitgerechnet. Dennoch kann man sagen, dass die Kartoffel neben Brot eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel der Deutschen ist.

So unscheinbar die Knolle auch aussieht, sie liefert eine Menge wertvolle Inhaltsstoffe. Neben Stärke ist das hochwertiges Eiweiß, zahlreiche Vitamine und reichlich Mineralstoffe, um nicht zu sagen, das Nachtschattengewächs ist eine kleine Wundertüte. In ihm stecken viele wichtige Mineralstoffe wie Natrium, Magnesium, Kalzium, Eisen, essenzielle Aminosäuren und eine gute Portion Kalium. Aber auch die wichtigen B-Vitamine bringt die Kartoffel mit, nicht zu vergessen Vitamin C. „Die Kartoffel liefert sogar so viel Vitamin C, dass man sie auch die Zitrone des Nordens nennt“, weiß Bettina Hobmeier. Tatsächlich haben 100 Gramm Kartoffeln 17 Milligramm Vitamin C. Ein Apfel bringt es bei der gleichen Menge auf gerade mal 4,6 Milligramm.

Der Trick mit der resistenten Stärke

Und dennoch ist die Skepsis gegenüber der Kartoffel und Kohlenhydraten in der Bevölkerung generell gewachsen, hat Bettina Hobmeier im Arbeitsalltag festgestellt. Doch Kohlenhydrate sind nicht gleich Kohlenhydrate. Auf den Speiseplan sollten regelmäßig auch komplexe Kohlenhydrate in Form von Vollkornprodukten stehen. Die vielen Ballaststoffe tun dem Körper gut, vor allem den Darmbakterien. „Lässt man beispielsweise Kartoffeln nach dem Kochen abkühlen und verarbeitet sie erst am nächsten Tag, hat sich nach zwölf bis 24 Stunden resistente Stärke gebildet,“ so ihr Geheimtipp.

Resistente Stärke zähle zu den Ballaststoffen und lasse auch den Blutzuckerspiegel nicht in die Höhe schnellen, im Gegensatz zu Zucker beispielsweise. Ein Grund, warum sie auch dazu rät, die Schale der Kartoffel dran zu lassen. „Darin stecken viele Ballaststoffe, die wiederum dafür sorgen, dass die Kohlenhydrate der Kartoffel im Darm nicht so schnell zu Zucker abgebaut werden“, weiß Bettina Hobmeier. Allerdings sollte dabei die Schale unbehandelt sein, falls man nicht gleich zur Bio-Kartoffel greife.

Ebenso wichtig sei die Frage, was neben der Kartoffel noch auf dem Teller landet. „Es gibt kein Kartoffelgericht, das man nicht pimpen könnte“, macht die Fachfrau Mut. Wenn es für Kinder die heiß geliebten Pommes sein müssen, dann bitte mit einer Portion Gemüse und einer Proteinquelle obendrein. Überhaupt sei die Kombination aus Kartoffeln mit Quark, Frischkäse, Joghurt oder Ei unschlagbar. Dadurch erhalte man in einer Mahlzeit eine Fülle an verschiedenen Aminosäuren, die der Körper braucht. Und nicht nur das: „Man hat festgestellt, dass diese Proteine vom Körper in der Kombination Kartoffeln mit Ei oder Quark besser genutzt werden können, als wenn man diese Lebensmittel getrennt voneinander isst.“ Das habe mit der biologischen Wertigkeit zu tun, erklärt Bettina Hobmeier, die „Ernährung und Versorgungsmanagement“ studiert hat und vor ihrer Selbstständigkeit Berufserfahrung in einer Schwerpunktpraxis Diabetologie und in einem Adipositas-Reha-Zentrum für Kinder und Jugendliche gesammelt hat.

Die Deutschen lieben Kartoffeln

Man merkt: Die Kartoffel ist gesünder als ihr Ruf. Deshalb stehen Kartoffeln auch regelmäßig auf Hobmeiers Speiseplan, am liebsten in der Power-Variante als Ofenkartoffeln mit reichlich Ofengemüse, gewürzt mit allerlei Kräutern und einem guten Öl, dazu ein Quark- oder Frischkäse-Dip. „Das geht nicht nur schnell, sondern ist auch sehr abwechslungsreich, je nachdem, welches Gemüse man dazu nimmt.“ Je nach Saison kann das mal Rote Beete, Zucchini oder Kürbis sein. „Und für die Kinder kann man die Ofenkartoffeln statt in Spalten auch in Form von Pommes schneiden.“

Und noch etwas gefällt Bettina Hobmeier an der Kartoffel gut: „Man kann sie regional kaufen und damit nicht nur unsere Bauern unterstützen, sondern mit den kurzen Transportwegen auch der Umwelt etwas Gutes tun.“ Ein Blick in die Statistik verrät tatsächlich: Mit etwa 40000 Hektar Anbaufläche ist Bayern nach Niedersachsen sogar das zweitgrößte Kartoffelanbaugebiet Deutschlands.

Doch nicht nur hierzulande wird die Knolle sehr geschätzt. In 159 Ländern der Erde wird die Ackerfrucht inzwischen kultiviert, weltweit gibt es 5000 verschiedene Sorten Kartoffeln, 210 allein in Deutschland. Und deshalb gibt es nun auch offiziell einen Internationalen Tag der Kartoffel, gemäß einem Beschluss der UN-Vollversammlung. Der wurde heuer zum ersten Mal ausgerufen, allerdings nicht am 19. August, sondern am 30. Mai. Aber egal ob August oder Mai: So einen Ehrentag hat sich die Kartoffel echt verdient.

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