Carolina Abel, pädagogische Leiterin der Akademie Montessori Biberkor referierte am Donnerstagabend in der Stadthalle über die Montessori-Pädagogik und wie gut diese in die moderne Zeit passt. Thema des Vortrages war: „Phasen kindlicher Entwicklung – das Konzept der Bindung“.
Es ist ein beunruhigender Trend der aktuellen Zeit: Kinder und Jugendliche orientieren sich zunehmend an Gleichaltrigen – an ihren Werten, ihrer Identität und ihren Verhaltensregeln. Diese „Peer-Orientierung“ untergräbt den Familienzusammenhalt, beeinträchtigt die gesunde Entwicklung und fördert eine feindselige und sexualisierte Jugendkultur. Kinder werden übermäßig konformistisch, desensibilisiert und entfremdet. „Cool“-Sein ist für sie wichtiger als alles andere. Über die Entwicklung vom ersten Moment auf der Erde nach der Geburt bis hin zur Elternbindung referierte die pädagogische Leiterin und erarbeitete mit den Eltern zunächst, was sich diese für ihre Kinder wünschen: Liebe, Vertrauen, Geborgenheit, Sicherheit, Gesundheit, Freude, Spaß und vieles mehr sprudelte aus den Eltern heraus und die Experten würzte dies mit den „Drei Zutaten für ein erfülltes Leben“. Dazu gehören die Kraft der Adaption, Integration und Emergenz. Wobei sich Letzteres auf die Herausbildung neuer Eigenschaften bezieht, die Adaption wiederum dazu befähigt mit Dingen die sich nicht ändern lassen, auch umzugehen. Mit lebensnahen Beispielen brachte die Expertin hervor, zu lernen, sich verschiedenen Anforderungen anzupassen. „Kinder haben die Fähigkeit dies auch hinaus zu weinen, wenn es das Bonbon an der Kasse einfach nicht gibt“. Die Integration bezieht sich auf die sensorischen, kognitiven und emotionalen Fähigkeiten. „Diese Entwicklung funktioniert aber nur gut, wenn es die elterliche Bindung erfährt“, räumte die Referentin ein und berichtete von der positiven polaren Bindung der Kinder an die Eltern am Beispiel der Entenmutter. Ist der Bindungspol negativ behaftet, nervt das Kind, ist gereizt und fällt öfters negativ auf. „Gerade die Sozialen Medien, wenn die Eltern viel am Handy sind, bestärkt dies.
Halt, Sicherheit und Wärme
Carolina Abel erzählte das Beispiel von Dr. Gordon Neufeld, einem kanadischen Psychologen der sich mit den Ursachen für das Schwinden des elterlichen Einflusses, beschäftigt. Der Psychologe zeigt Wege auf, wie man Söhne und Töchter wieder an sich bindet, die natürliche Hierarchie im Elternhaus herstellt, Kindern das Gefühl gibt, verstanden zu werden und ihre Loyalität und Liebe zurückgewinnt. Er thematisiert den Umgang mit digitalen Geräten und sozialen Medien. Eltern sollen ihrem Nachwuchs Halt, Sicherheit und Wärme geben. Der Psychologe deckt den zutiefst verstörenden Trend der Zeit auf: Gleichaltrige übernehmen den Platz der Eltern im Leben ihrer Kinder. Gordon Neufeld hat für dieses Phänomen den Begriff Gleichaltrigenorientierung geprägt, denn die Kinder und Jugendlichen beziehen ihre Identität, Werte und Verhaltenscodes zunehmend von Gleichaltrigen anstatt von den Eltern. Die Gleichaltrigenorientierung zerstört den familiären Zusammenhalt, blockiert die Entwicklung zu wahrer Eigenständigkeit, vergiftet die Atmosphäre in den Schulen und fördert eine aggressive Jugendkultur.
„Ich konnte häufig beobachten, wie hilflos sich Kinder fühlen, aggressiv werden oder schon früh in eine Sucht hineingeraten“, so die Referentin. Den Kindern heutzutage fehlt eine Art Hülle, innerhalb der sie selbstständig werden und doch starke Wurzeln schlagen. „Flügel wachsen ihnen dann von selbst“, wusste die Referentin. Bei Montessori wird besonders darauf geachtet, dass sich Kinder frei und doch geborgen fühlen, damit sie lernen können.
Die Montessori Pädagogik, die Maria Montessori entwickelte, wird auch heute noch als eine alternative Form der Pädagogik angesehen. Maria Montessori war eine Frau, die ihrer Zeit weit voraus war. Im Jahre 1870 in Italien geboren, erlangte sie als eine der ersten Frauen den Abschluss des Medizinstudiums mit einem Doktorgrad. Ihre weltoffene und humanistische Einstellung brachte sie zu den Errungenschaften ihres Lebens: Eine neue Bildungsphilosophie, die noch heute hochaktuell ist und mittlerweile über fast ein Jahrhundert erfolgreich praktiziert wird. Sie steht im Kontrast mit konventionellen Lehrmethoden. Die Montessori Pädagogik versuchte mit einem völlig neuen Ansatz Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern. Das Motto "Hilf mir, es selbst zu tun!" beschreibt diesen Ansatz sehr gut. Das Kind steht an erster Stelle. Montessori sah jedes Kind als Individuum - einzigartig und als respektable Persönlichkeit. Ihr Hauptziel lag darin, Kinder zu einer Selbstständigkeit und zu einem Selbstvertrauen zu erziehen, die ihnen in ihrem späteren Leben von großem Vorteil sein sollte.
„Es ist wichtig, dass wir Erwachsene unser Weltbild und unsere Werte reflektieren und die Erziehungsmethoden den Lernbedürfnissen der Kinder anpassen“, erzählte die pädagogische Leiterin. Im Jetzt komme man nicht mehr weit mit Kontrolle und einem Maßstab, dem alle zu entsprechen haben. Nicht alle Kinder interessieren sich gleichzeitig für die gleichen Dinge. Daher bleiben die Grundsätze der Montessori-Pädagogik stets gleich: die freie Wahl des Kindes, mit welcher Tätigkeit es sich beschäftigen will. Das ist wichtig in einer Umgebung wo es seinen Bedürfnissen entsprechend lernen und sich entwickeln kann.
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