Überraschende Wendung
Amtsgericht Landau spricht vermeintlichen Betrüger frei

22.01.2025 |

Am Landauer Amtsgericht wurde ein Niederviehbacher vom Betrugsvorwurf freigesprochen. − Foto: Archiv hem

Überraschende Wendung bei einer Verhandlung am Dienstag im Landauer Amtsgericht: Eigentlich erscheint der Betrugsfall glasklar und der Angeklagte schuldig. Doch dann tauchen noch mehr Betrugsfälle auf und der Mann wird freigesprochen.

Geld aus dem Betrug war auf Konto des Angeklagten



Dass es anfangs gar nicht gut für ihn aussieht, scheint dem jungen Mann aus Niederviehbach (21) klar zu sein, der mit heruntergezogenen Mundwinkeln auf der Anklagebank sitzt. Der Beschuldigte soll einen Sportanzug der Marke Nike für 80 Euro über Ebay-Kleinanzeigen an eine Frau verkauft haben, die die Ware nie erhalten hat. Das von der Geschädigten überwiesene Geld hat die Polizei auf dem Konto des Angeklagten gefunden.

Laut seinem Anwalt Florian Drechsler ist der Angeklagte erst durch den Besuch der Polizei auf die Überweisung der Käuferin auf sein Konto aufmerksam geworden. Den Betrug habe ein unbekannter Dritter begangen. Der Kleinanzeigen-Account, über den der Betrug stattgefunden hat, sei ein früherer Account des Angeklagten. „Er kann sich nicht mehr einloggen.“ Drechsler weist auf den Namen in der mit dem Account verknüpften E-Mail-Adresse hin, welcher „Timo Weiß“ lautet und nicht mit dem seines Mandanten übereinstimmt. Die Initialen TW wurden auch in der schriftlichen Kommunikation auf Ebay-Kleinanzeigen mit der Käuferin genutzt. Der Schriftverkehr mit der Käuferin sei dem Angeklagten unbekannt. Auf die Frage von Richter Michael Piringer, ob er den besagten Sportanzug kenne, antwortet der Angeklagte: „Ich habe sowas nicht daheim.“

Der Behauptung, jemand anders als der Angeklagte sei der Betrüger, hält der Richter entgegen, dass das Geld aus dem Betrug auf dem Konto des Angeklagten eingegangen ist. „Wenn es ein Unbekannter war, wieso in Gottes Namen lässt er das Geld auf Ihr Konto überweisen?“, fragt Piringer. Der Richter weist darauf hin, dass die IBAN des Niederviehbachers nicht einfach automatisch aus dem Account gezogen, sondern händisch in einer Nachricht an die Käuferin eingegeben wurde. Dies ergebe bei einem anderen Täter wenig Sinn. Zudem könne sich jeder eine E-Mail-Adresse mit dem Namen Timo Weiß erstellen, so Piringer.

Auch an der Behauptung, der Angeklagte hätte den Eingang des Geldes auf seinem Konto nicht bemerkt, zweifelt der Richter. Laut einem Polizeihauptmeister, der in dem Fall ermittelt hatte, hat der Niederviehbacher die Summe unmittelbar zurückgezahlt, nachdem er von der Polizei aufgesucht worden war.

Wendung durch weitere Betrugsopfer



Die Wendung bringt der Einwand des Rechtsanwalts, der Account wäre bereits vor dem verhandelten Betrugsfall durch einen unbekannten Dritten für rechtswidrige Handlungen verwendet worden. Die Kontoauskünfte des Angeklagten zeigen eine weitere Überweisung für einen Nike-Anzug, diesmal in einer Höhe von 105 Euro. Bei dem Käufer handelte es sich um einen Minderjährigen aus Freiburg, der wegen nicht erhaltener Ware am 30. November 2023 Anzeige in Mannheim erstattet hat. Die eingegangenen 105 Euro seien ihm auch nicht aufgefallen, so der Angeklagte.

Jedoch fragen sich Polizeihauptmeister und Richter, wie es sein könne, dass der Fall aus Freiburg nach über einem Jahr noch nicht bei der Landauer Staatsanwaltschaft aufgetaucht sei. Wenn die Kollegen aus Westfalen den Fall anhand der IBAN nicht weiterverfolgen, müsse es Gründe dafür geben.

Hinzu kommt: Die Käuferin hat irgendwann gemerkt, dass der Account des Angeklagten wegen unrechtmäßiger Geschäfte von Ebay-Kleinanzeigen gesperrt wurde. „Offensichtlich ist ja der Account gesperrt worden vor der Anzeige durch die Käuferin,“ so der Anwalt. „Es hat eventuell mehr Fälle gegeben, die zur Sperrung des Accounts geführt haben“, meint schließlich auch der Richter. Denn die Anzeige des Freiburgers war erst am 30. November erfolgt. „Ich bezweifle, dass dieser Fall zur Sperrung am 2. Dezember geführt haben kann, sodass zu befürchten ist, dass es da noch weitere Fälle mit einer anderen IBAN gibt“, so der Richter.

„Ich will hier heute einen Deckel drauf machen“, sagt er schließlich. „Da müssen weitere Fälle da sein. Wir können nur schauen, was in Freiburg rauskommt.“ In den abschließenden Plädoyers gibt die Staatsanwaltschaft ihren Sachverhalt als nicht bestätigt an. Es gebe massive Zweifel an der Täterschaft, weshalb keine Verurteilung erfolgen könne. Die Staatsanwaltschaft beantragt deshalb einen Freispruch. Rechtsanwalt Drechsler schließt sich dem an.

„Ich bin mit dem Gedanken reingegangen, dass nach Aktenlage eine Verurteilung möglich wäre“, so der Richter, was er mit den Geld auf dem Konto des Angeklagten und dessen angegebener IBAN begründet. „Wäre der Fall isoliert gewesen, hätten wir eine Chance gehabt.“ Jedoch laufe auch der zweite Fall in Freiburg auf das Konto des 21-Jährigen. Trotzdem gab es keine weiteren Fälle über die IBAN des Angeklagten, denn diese wären an die Staatsanwaltschaft nach Bayern abgegeben worden, was Hinderungsgründe zugunsten des Angeklagten vermuten lässt.

Freispruch durch Zweifel an Täterschaft



„Es ist sehr stark davon auszugehen, dass es weitere Fälle gab, die nicht über die IBAN des Angeklagten abgewickelt wurden.“ Die zusätzlichen Fälle wecken Zweifel, so der Richter. „Wenn ich Zweifel habe, muss ich freisprechen.“ Der Angeklagte nimmt das Urteil erleichtert entgegen. Die Prozesskosten werden der Staatskasse auferlegt.

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