Dingolfing-Landau
Grundrechte werden eingeschränkt: "Das erinnert an Nordkorea"

Bevölkerungsschutzgesetz am Mittwoch im Bundestag – FDP-Kreisvorsitzender warnt

13.11.2020 | Stand 21.09.2023, 2:43 Uhr

Durch das neue Gesetz wird das Grundgesetz außer Kraft gesetzt. Die Regierungsvertreter sehen darin nur Vorteile, andere wollen es verhindern. −Fotos: Skolimowska, Archiv Birgmann, Nadler

Ob jemand für die Corona-Maßnahmen oder gegen sie ist, ob jemand die Maske aufsetzt oder nicht – darum geht es nur noch am Rande. Es geht um alle Grundrechte, um Impfpflicht, Reisefreiheit, Versammlungsrecht, Freizügigkeit und Unverletzlichkeit der Wohnung. Am Mittwoch wird im Bundestag das "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" behandelt, verabschiedet und in Kraft gesetzt. Manche sagen, damit werde in der Bundesrepublik per Gesetz eine Diktatur geschaffen. FDP-Kreisvorsitzender Franz Egerer formuliert es so: "Wir bekommen Verhältnisse wie in Nordkorea." Er kann nicht verstehen, dass das niemand verhindern will und dass darüber kaum gesprochen wird: "Das juckt keinen."

Das sei ein Ermächtigungsgesetz wie im Jahr 1933, hört CSU-Bundestagsabgeordneter Max Straubinger immer wieder. "Zahlreiche Zuschriften" haben ihn erreicht und er verwehrt sich entschieden dagegen. Er wird für dieses Gesetz stimmen, ebenso sein SPD-Kollege Florian Pronold. Dagegen will Stephan Protschka (AfD) votieren.

Im Gesetzesentwurf zieht sich das Wort, wozu das Gesundheitsministerium "ermächtigt" wird durch alle 43 Seiten. Es wird beschrieben, was das Ministerium alleine entscheiden darf, bzw. was die Bundesregierung ohne Parlament durchsetzen kann.

FDP-Kreisvorsitzender ist entsetzt"Der Knackpunkt ist bei dem ganzen System, dass die Volksvertreter komplett übergangen werden und nur die Regierung entscheidet, ohne die gewählten Mandatsträger zu hören", erklärt Franz Egerer. "Das erinnert an Nordkorea", zieht der Kreisvorsitzende erneut einen Vergleich mit einer Diktatur. "Unser Demokratieverständnis hat einen Aufbau von unten nach oben. Wir haben unsere Vertreter in den Wahlkreisen und die bilden die Stimmung ab – inklusive der Opposition. Die Opposition wird hier restlos, komplett übergangen und auch nicht gehört", sagt er weiter. Er findet sogar, dass sich die Regierung selbst abschafft. "Das ist in der Demokratie vorgesehen für einen Notfall, den haben wir zwar insoweit, dass man Maßnahmen treffen muss. Aber das kann ich genauso in Rücksprache mit dem Bundestag treffen. Weil dann brauche ich den Bundestag nicht mehr."

Aus der Historie wisse gerade Deutschland, dass man mit einem Notfallgesetz praktisch alles machen kann. "Das ist nicht Sinn und Zweck einer Demokratie. Das sollten wir verhindern", ereifert sich Egerer. Er versteht die Welt nicht mehr, denn das Parlament hat die Macht und bestimmt die Minister und nicht umgekehrt. "Was wir jetzt machen, ist eine riesige Watschn für sämtliche Leute, die wir wieder mobilisieren wollen, zur Wahl zu gehen."

"Da muss ich nicht das Parlament entmachten"Egerer will aufrütteln und sagt zu der Gesetzespassage, nach der die Polizei unangemeldet und ohne Durchsuchungsbefehl in Privatwohnungen darf: "Das sind Zustände wie in Nordkorea. Dieses Gedankengut, wo lebe ich denn da?" Es stehe der Weltuntergang nicht bevor und auch ein Vulkan werde nicht ausbrechen. "Das Szenario haben wir jetzt schon fast ein ganzes Jahr und da kann ich mich auch darauf vorbereiten. Da muss ich nicht das Parlament entmachten." Das Argument, dass die Entscheidungen schnell gefasst werden müssten, mag Egerer nicht gelten lassen. "Die Zeit wäre durchaus da", ist er sich sicher. Man solle sinnvolle Maßnahmen ergreifen, aber keinesfalls einen Notfall ausrufen. "Das geht überhaupt nicht, in keinster Weise."

Mit Blick auf Straubinger und Pronold sagt Egerer: "Ich verstehe nicht, wieso man dafür stimmen kann." Klar gebe es die Notwendigkeit für kurzfristige Sonderrechte. Das betreffe einen kleinen Bereich und das sei zeitlich limitiert. "Das habe ich in dem Fall nicht. Das stößt bei mir auf völliges Unverständnis", sagt Egerer. "Die wenigsten verstehen wirklich, um was es geht. Das, was beschlossen wird, tut nicht weh", glaubt er und fügt hinzu: "Das rüttelt an den Grundwerten jeglicher Demokratie."

Florian Pronold erklärte auf Presseanfrage, dass er für dieses Gesetz stimmen werde. "Ich sehe die jetzt vorgesehenen Änderungen vor allem als eine Hilfestellung für die Länder. Sie machen die Corona-Maßnahmen rechtssicher", schätzt er das neue Gesetz ein. "Im viel diskutierten Paragraf 28a werden Schutzmaßnahmen aufgelistet, die Bund und Länder verhängen können - die aber auch weiterhin jeder gerichtlich überprüfen lassen kann", versichert der SPD-Abgeordnete. Die aktuellen Regeln würden präziser ausgeführt und seien insgesamt besser nachvollziehbar. Pronold verspricht: "Sämtliche Schutzmaßnahmen treten nicht automatisch in Kraft, bleiben weiterhin zeitlich begrenzt und sind auf die Bekämpfung von SARS-CoV-2 beschränkt. Die Bundesregierung kann sie jederzeit aufheben, wenn sich die epidemische Lage gebessert hat."

Dass dieses Gesetz die Menschen durchaus bewegt, hat Max Straubinger in den vergangenen Tagen erfahren, denn er hat viele Reaktionen erhalten. Dabei werde viel Unsinn in die Welt posaunt und da wird er richtig energisch: "Es wird in keinster Weise die Demokratie abgeschafft, das Ganze ist ja ein demokratischer Prozess für die Gesundheit der Bürger." Es gebe auch in vielen anderen Bereichen Gesetze wie im Finanzsektor, die ohne den Bundestag verabschiedet werden.

MdB Max Straubinger unterstützt das GesetzStraubinger widerspricht Impfgegnern: "Eine (faktische) Impfpflicht für Reisende, wie einige herauslesen wollen, wird mit dem Gesetzesentwurf definitiv nicht begründet. Impfungen gegen Corona werden - sofern sie in der Zukunft zur Verfügung stehen - freiwillig sein." Er ist völlig davon überzeugt, dass dieses Gesetz alternativlos sei und sagt: "Die Bundesregierung sowie die Landesregierungen müssen daher in der Lage sein, schnellstmöglich zu reagieren, ohne erst auf das Parlament zurückgreifen zu müssen."

Für Franz Egerer ist klar, dass am Mittwoch in der Bundesrepublik Deutschland die Demokratie, so wie er sie definiert, verschwinden wird. Die Abstimmung steht noch aus. "Es gibt keine Hoffnung", sagt Egerer. "Dann sind wir erledigt", sagt Abgeordneter Stephan Protschka.