Ganacker/Pilsting
Die Nestersuche geht weiter

Mit Direkteinsaat wollen Landwirte und Naturschützer Bodenbrüter wie den Kiebitz retten

09.04.2021 | Stand 21.09.2023, 22:34 Uhr
Sabrina Melissa Melis

Schwer zu sehen sind die Nester auf den Feldern. −Foto: Melis

Hand in Hand starten Naturschützer und Landwirte zum Schutz der Natur ein Pilotprojekt. Die Direkteinsaat soll Kiebitznester, Küken und kleine Hasen retten. Auf dem Hof von Lohnunternehmer Ewald Birgmann wurde der Feldversuch gemeinsam mit dem Bund Naturschutz (BN) vorgestellt mit dem Appell, möglichst viele Nachahmer zu finden.

Direkteinsaat heißt eine Lösung, erklären Franz Meindl, der Vorsitzende des BN, Ortsgruppe Landau, und sein Stellvertreter Werner Glück. Moderne mechanische Methoden können ebenso helfen die Umwelt zu bewahren wie die künstliche Intelligenz, die auch vor dem Acker keinen Halt macht.

Ab Anfang April fahren die meisten Landwirte in die Felder, um zu Düngen, das Saatbeet vorzubereiten und zu sähen. Dadurch werden die Nester der Kiebitze zu 90 Prozent zerstört, wie bei den Kartierungsarbeiten der letzten Jahre festgestellt wurde. Mit der Direktsaat kann sich das ändern: Heutige Saatmaschinen lassen einen genügend breiten Zwischenraum, welcher das Gelege schützt. Speziell den Kiebitz haben die Umweltfreunde im Visier, aber auch andere Vogelarten. Derzeit findet die bayernweite Kiebitz-Kartierung statt, auch die Ortsgruppe Landau hat sieben Helfer im Einsatz, östlich von Landau. Westlich kartiert der Landesbund für Vogelschutz, kurz LBV.

Auf einer Ackerfläche unweit von Thalham beispielsweise brütet der Watvogel, der für seine breiten, paddelartigen Flügel bekannt ist und auch für seine spektakulären Balzflüge. Die Gelege befinden sich auf dem Ackerboden, einsam auf weiter Flur, berichtet Landwirt Michael Mayer. Er schätzt und liebt die Natur, unterstützt diese mit Umweltmaßnahmen wie KULAP-Programm oder die Mulchsaat-Förderung. Mayer appelliert bei der Saat achtsam vorzugehen.

Heuer gab es viel Frost, die Felder wurden früh hergerichtet. Das hat hoffentlich auch dem Kiebitz geholfen, doch in anderen Jahren kann die Aussaat durchaus erfolgen, wenn der Vogel brütet. Meist in der ersten oder zweiten April-Woche schlüpfen sie, dann brauchen sie zwei, drei Wochen Zeit. Dann gilt es beim Bearbeiten Ausschau zu halten nach Gelegen und Nestern. Dass das funktioniert, davon ist er ebenso überzeugt, wie Lohnunternehmer Birgmann.

Schon seit Jahren sind moderne Maschinen zur Direkteinsaat im Einsatz. Kreisende Metallscheiben öffnen den Boden, Dünger wird eingebracht und die Saat - ein Vorteil für die Landwirte im Gegensatz zu früheren Methoden, als die Samen auf den blanken, trockenen Boden fielen. Dass die naturverbundenen Bauern eine kleine Kurve einbauen, wenn sie auf das Gelege zufahren, ist für Birgmann dabei selbstverständlich. Doch das Problem ist die Technik, die kostet viel Geld. "Das geht nur im Lohnbereich."

In der Praxis funktioniert die Direkteinsaat sehr gut, bestätigt auch Franz Meindl vom Bund Naturschutz. Dem Gelege selbst macht das nichts. Mit der Brut beginnen Kiebitze ab der 2. Märzwoche und erst Ende April sind die Küken so groß sind, dass sie vor landwirtschaftlichen Maschinen flüchten. Die brütenden Elternvögel gehen mit Alarm-Rufen auf Distanz, Jungtiere stellen sich tot, bis die Maschinen wieder weitergezogen sind. Die Nester bleiben unversehrt, die Küken haben deutlich mehr Überlebenschancen, davon ist auch Meindl überzeugt. Mehr noch: Die Umweltfreunde können sich die digitale Technik zunutze machen. Mittlerweile können die Kartierer per GPS Markierungen setzen, die den Landwirten im Einsatz die Gefahrenstellen aufzeigen. Sie haben elektronische Karten auf dem Display neben dem Steuerrad. Zuvor wurden einfach Stangen gesetzt, die die Tiere allerdings irritieren könnten.

Lohnunternehmer Ewald Birgmann sitzt im Führerhaus seines Traktors: Die Fahrzeuge fahren mittlerweile ferngesteuert, erklärt er, mit Hilfe von Satelliten. Der Fahrer könnte Zeitung lesen, auf dem Tablet surfen, in die Landschaft schauen – oder nach Nestern Ausschau halten, sagt er. Immer mehr Landwirte gehen sorgsam mit Düngern und Chemie um, verzichten teils darauf. Dadurch gibt es wieder mehr Insekten oder "Schädlinge", auf alle Fälle aber Futterquellen für andere Tierarten wie die Vögel - ein großer Pluspunkt im Umweltschutz. Doch in dieser Nahrungskette gilt es für Meindl den Schutz weiter auszubauen. "Im Kampf um gesündere Böden, saubere Luft und unbelastete Gewässer dürfen Feldlerche, Kiebitz, Flußregenpfeifer, Schafstelze und Feldhase nicht auf der Strecke bleiben", sagt er eindringlich.

Der BN setzt auf die Unterstützung der Landwirte, beispielsweise mit dem Projekt "Wirtschaftsruhe": Den Mais im Isarmoos erst nach dem 1. Mai aussäen bzw. eine Wirtschaftsruhe vom 10. März bis 30. April halten, das könnte mehr als 2000 Kiebitzküken das Leben retten. Wie in diesem Punkt Landwirte und Umweltschützer zusammen helfen, zeigt der Einsatz von Technik und künstlicher Intelligenz: Drohnen sondieren heutzutage Wiesen vor der Mahd, um Rehkitze zu schützen. Landwirte schaffen Lerchenfenster für deren zweite Brut oder legen meterbreite Blühstreifen für Insekten an. Und jetzt soll auch die Direkteinsaat helfen, um einen weiteren wertvollen Beitrag zu leisten.