Nein, nicht die allseits bekannte Eiskönigin Elsa lässt die Bühne der fast ausverkauften Stadthalle 1 am Sonntagnachmittag gefrieren. Die Schneekönigin, das Original aus der Feder des dänischen Märchenschreibers Hans Christian Andersen, lässt die Menschen um sich herum bibbern, ja sogar zu Eisblöcken erstarren.
Nur der freundschaftlichen Liebe, die Gerda antreibt und den Mut in ihr wachsen lässt, um ihren vermissten Freund Kay zu suchen und zu befreien, ist es zu verdanken, dass sich am Ende auch die Schneekönigin von ihrer warmen Seite zeigt.
Mit dem Lied „Überall ist Schnee“ heißen die Darsteller des Theaters Liberi ihr Publikum – meist Mädchen ab vier Jahren mit Eltern oder Großeltern – willkommen. Die Kombination aus dem spartanischen Bühnenbild, das spitzige Eisblöcke darstellt, und den wollig-molligen Schals und Mützen, welche die Künstler tragen, lässt das Publikum gedanklich in ein Winterwunderland abschweifen. Doch ein Schneesturm zieht auf. Gerdas Mutter holt eine leuchtende Kugel hervor, erzählt den Kindern von der sagenumwobenen Schneekönigin – und schwuppdiwupp verliert sich Kay in der eiskalten (Traum-)Welt, in der er König an der Seite der frostigen Regentin sein darf. Nur die Nähe zu ihr setzt auch dem Burschen zu, wie an seiner rechten Hand, die langsam, aber sicher gefriert, zu erkennen ist.
Gerda und die Kuschelhäsin auf dem Weg zur Schneekönigin
Gerda ist der Meinung, die Schneekönigin habe ihren Freund Kay entführt. Sie macht sich auf die Reise. Ihre schüchterne Art ähnelt an Alice im Wunderland; die kuriosen Figuren, denen sie in der rund zweistündigen Aufführung begegnet, ebenso. Mit der zum Leben erwachten Kuschelhäsin Mila, die frech nach vorne geht und Gerda bis zum Reich der Schneekönigin den Weg aufzeigt, hat sie eine treue Begleiterin. Mila ist es auch, die das Publikum auflachen lässt, als sie versucht, die Gefahr zu wittern. Dafür bohrt das Häschen im Näschen, riecht an einem Popel und verspeist diesen – mit der Schlussfolgerung, dass Kay noch zu weit weg sei, um die Witterung aufzunehmen.
Immer wieder erweitern Lichter und Schatten das Bühnenbild, Rauch zieht über die ersten Reihen im Saal hinweg. Die Spezialeffekte unterstreichen die Geschichte, die teils gesungen, teils erzählt wird. Die ausgeglichene Abwechslung ermöglicht es auch Kindergartenkindern, der Story im Allgemeinen folgen zu können. Dazwischen sorgen ulkige Gestalten, die in eine Klobürste singen oder eine bunt gekleidete Frau, die mehrmals dem Sekundenschlaf verfällt, für erheiternde Momente. Am gruseligsten wirken anfangs noch die grünhaarigen Schlawuzis, die wiederum an an einen Umpa-Lumpa aus Charlies Schokoladenfabrik erinnern. Deren Anführer Joe könnte für einen Angstmoment sorgen – doch dessen Piepsstimme belustigt auch die jüngsten Besucherinnen.
Schneekönigin in zwiespältigem Licht
Der zweite Teil gestaltet sich tiefsinniger: Die Schneekönigin erscheint in einem zwiespältigen Licht. Denn sie ist nicht von Grund auf böse, sondern in der Vergangenheit ausgegrenzt worden – und schottet sich seitdem in ihrem Eispalast von den Menschen ab. Sie ringt mit sich selbst, schließlich hat sie Kay liebgewonnen, möchte ihn aber nicht ungewollt zu einem Eisklumpen verwandeln. Sie lebt in vermeintlicher Freiheit – in Wahrheit aber allein hinter Gittern aus Eis.
Dem Theater Liberi gelingt es unter der Regie von Carolin Pommert und der Gesamtleitung von Lars Arend, das vergleichsweise komplizierte Märchen „Die Schneekönigin“ in ein farbenfrohes Musical zu packen – und es damit der breiten Masse zugänglich zu machen. Das Team tourt aktuell mit dem Stück durch ganz Deutschland und Österreich. Auf der Homepage www.theater-liberi.de/musicals/schneekoenigin finden sich weitere Termine.
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