Hengersberg
Schnittbogen für Jesus, Ochs und Esel

Benno Hofbrückls Faszination für böhmische Papierkrippen – Ausstellung im Spital

25.12.2022 | Stand 17.09.2023, 6:53 Uhr
Diana Millgramm

Ein einfacher Papierschnittbogen ist die Grundlage für die zahlreichen Krippen von Benno Hofbrückl, der den Figuren dann Leben einhaucht.

Von Diana Millgramm

Schon von klein auf haben Krippen Benno Hofbrückl fasziniert. Jedes Jahr, wenn der Großvater die selbst gebaute Krippe vor Weihnachten aufgestellt hat, war er dabei. Die Figuren mussten geputzt und vielleicht die eine oder andere Macke repariert werden. Dann wurde Moos gesammelt und die Landschaft gebaut, in der die Heilige Familie ihren Platz fand. Damals waren es figürliche Krippen, die den in Regensburg geborenen und in Vilshofen aufgewachsenen Buben begeistert haben. Er konnte sich aber auch an den weihnachtlich dekorierten Schaufenstern kaum sattsehen: „Viele Geschäfte in Vilshofen waren in meiner Kindheit mit Papierkrippen dekoriert, und die glänzten so schön“, schwärmt der 81-Jährige noch heute. Viel Glitzer wurde benutzt. „Das hat mich fasziniert – Kinder mögen das.“

Als Erwachsener begegnete Hofbrückl auf seinen Reisen immer wieder kleine Krippen, die sein Herz höher schlagen ließen. Ein befreundeter italienischer Künstler fertigte zum Beispiel wunderbare Miniaturen ausschließlich aus den Flusssteinen der Piave an, von denen Hofbrückl unbedingt eine haben wollte. Auch die Krakauer Reliefkrippen weckten sein Interesse. „Es war aber eine reine Sammelleidenschaft, damals baute ich noch nicht selber Krippen.“ Trotzdem konnte er schnell eine kleine, exklusive Sammlung von rund 20 advent- und weihnachtlichen Darstellungen sein Eigen nennen.

Bei einer Ausstellung über den Goldenen Steig in Tschechien sah er dann vor 15 Jahren wieder einmal eine Papierkrippe, die seine Aufmerksamkeit erregte. „Weil die nicht so kitschig sind und zeigen, wie das Leben wirklich ist“, beschreibt er den Grund für seine Begeisterung. Er brachte sich ein paar Ausschneidebögen mit und war sicher, dass es dabei auch bleibt. „Man kann glauben an was man will – jeder kann an den Krippen Freude haben“, beschreibt er. Nichts sei verkitscht dargestellt, alles spiele sich mitten im Dorf oder in einer Stadt ab. „Man sieht Menschen mit verschiedenen Berufen, es gibt viel zu lachen und nicht alles ist todernst – alles ist aus dem Leben gegriffen und alles hat Platz direkt an der Krippe“, lässt Hofbrückl seiner Faszination freien Lauf. „Die heilige Familie ist dort, wo die Menschen sind – das hat mich immer fasziniert. Christus ist dort, wo die Menschen sind.“ Gleichzeitig könne man viel lernen, erkenne in den Krippen Stadtansichten und Orte wieder. Man sehe die Landschaft und die Kleidung der Menschen.

Natürlich blieb es für Hofbrückl nicht bei den Krippen, die er sich anfangs zugelegt hatte. Er ist oft in Tschechien unterwegs und schaut immer wieder, ob es etwas Neues gibt. In jedem Sommerurlaub, den er gerne dort verbringt, besucht er Bücher- und Papiergeschäfte. „Prosim, papirove Bethlehem“, sagt er dort. „Bitte eine Papierkrippe.“ Eine Frage, die die Verkäufer, besonders in der Jahreszeit, oft verdutzt schauen lässt, wie er zugibt. „Aber meist finden sie dann doch etwas in ihren Lagern.“

Gleichzeitig stehe seine Familie draußen und schüttele nur noch den Kopf ob der Sammelleidenschaft. Dabei ist gerade Ehefrau Emmi eine große Unterstützung, sie teilt das Hobby ihres Mannes. „Sie baut alles auf und arrangiert die Figuren“, erzählt Hofbrückl. „Sie weiß einfach, wo die Figuren hingehören und bringt Ordnung in meine Unordnung.“ Denn genauso wichtig: Nach den Ausstellungen, für die die Familie ihre Sammlung zur Verfügung stellt, wie jetzt im Spital in Hengersberg, müssen die Krippen wieder sortiert in Schachteln verpackt und für das nächste Jahr verräumt werden. Immerhin über 100 lagern inzwischen in den Regalen.

Bis auf zwei Ausnahmen sieht man in der Ausstellung in Hengersberg nur tschechische Krippen. Mit der Region verbindet den Vilshofener eine lange Freundschaft. Tätig in der kirchlichen Jugendarbeit, hat er das Land erstmals 1968 besucht. Geprägt vom Prager Frühling, versuchte man vor Ort Kontakte zu knüpfen und herauszufinden, wo man helfen könnte. Kirchliche Tonbänder für den Schulunterricht habe man ins Land geschmuggelt, Geld gesammelt und ein Jugendheim ausgestattet. „Die Menschen hatten in der Zeit viel Angst, wussten, dass etwas passieren wird – und trotzdem waren sie so gastfreundlich, herzlich und ehrlich – so ist meine Liebe zu Tschechien und Böhmen entstanden.“

Nach der Wende habe man erst wieder so richtig begonnen, Papierkrippen zu malen. „Sicherlich sind aber auch heimlich einige während des Sozialismus entstanden wie vom großen tschechischen Trickfilmer Jiri Trnka, dessen Filme zu Zeiten der CSSR verboten gewesen waren“, da ist sich Hofbrückl sicher. Aber auch viele Reprints aus den Zeiten vor dem Zweiten Weltkrieg seien angefertigt und verkauft worden.

Gedacht waren die Papierkrippen als Weihnachtsschmuck vor dem Christbaum. „Deshalb haben sie auch meist wenig Landschaft drumherum.“ Alternativ standen sie im Fenster. „Vor Weihnachten haben sie ins Zimmer geschaut und danach hat man sie umgedreht“, beschreibt Hofbrückl den Brauch, der noch heute teilweise im Böhmischen gelebt wird. „Dann sind die Menschen in der Nachbarschaft bis zum 2. Februar Kripperl schauen gegangen.“

Zwei „Ausrutscher“ befinden sich neben den tschechischen Krippen in der Hengersberger Ausstellung. Aus Polen stammt die Darstellung der Marienkirche aus Krakau. Dort findet jährlich ein Wettbewerb statt, wer die schönste Krippe aus Silberpapier baut, beschreibt Hofbrückl Traditionen aus anderen Ländern. „Hochinteressant ist auch die Krippe des Bayerwald-Künstlers Josef Fruth, der wunderbar das bäuerliche Leben in der Region dargestellt hat.“ Auch zeigt die Szene den in der Bibel beschriebenen Kindsmord und den Teufel, wie er Herodes dafür versucht, in die Hölle zu zerren. „Das finde ich so schön – es ist in den Krippen nicht alles nur süß, das hat Schmackes.“

Viele Schulklassen würden seine Ausstellungen besuchen und gerade Kinder würden nicht nur die besonders farbenfrohen, sondern gerade die lebensnahen Darstellungen begeistern. „Kinder verstehen sofort, was gemeint ist, wenn der Bäcker dem Jesuskind etwas bringt oder der Metzger in die Kirche kommt.“ Deshalb nimmt er sich auch immer gerne viel Zeit für den Nachwuchs, baut mit Schulklassen Krippen oder gibt auch mal eine Online-Unterrichtsstunde zum Thema an einem italienischen Gymnasium für die Deutschklasse dort.

Auch viele alte Berufe würden in den Krippen gezeigt. Eine von Hofbrückls Lieblingsszenen ist, wenn Losverkäufer, Schlangenbeschwörerin und Bärendompteur ihren Platz an der Krippe finden. „Jeder ist immer herzlich willkommen“, fasst er die Botschaft noch einmal zusammen.

Er arbeitet vor allem mit fertigen Bastelbögen, die er auf Holz aufklebt, aus dem er die Figuren dann aussägt. Zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Kunsterzieher Walter Wanninger und Freund Werner Geiger vom Verein „Brücken für den Frieden“ hat er außerdem eine Vilshofen-Krippe entworfen, die an Schulen und Kindertageseinrichtungen verteilt worden ist und die auch gekauft und selber gebastelt werden kann. Sie passt in ein Postpackset, das beiliegt, und zeigt die Heilige Familie zusammen mit Flüchtlingen in einem schäbigen Boot, auf dem in verschiedenen Sprachen das Wort Hoffnung zu lesen ist. Vor der Vilshofener Kulisse und dem Café Welcome dümpelt es in der Donau. „Zum selber bauen, anmalen – so einfach, dass jeder das kann.“ So wolle man Kinder für das Thema sensibilisieren, da in der Donaugemeinde viele Flüchtlinge leben.

Damit lebt die Tradition fort, dass man aus allen Krippen, die sich in Hofbrückls Sammlung befinden, auch immer etwas lernen kann, wenn man sich die Zeit nimmt, sich mit den Darstellungen zu befassen. „Und sich dabei am besten mit einem Stuhl davorsetzt, damit man nicht von oben auf das Geschehen herabschaut“, begründet er, wieso im Spital vor vielen Krippen Sitzmöglichkeiten platziert sind.

Bei sich selbst hat Hofbrückl in der Advents- und Weihnachtszeit nicht eine Papierkrippe aufgebaut. „Bei uns steht immer noch jedes Jahr die große Familienkrippe meines Urgroßvaters.“ Von der hofft er, dass er sie einmal einem seiner drei Söhne oder einem der Enkel vererben kann.


Wer sich nun selbst noch von den vielen wunderbaren Details von Benno Hofbrückls Papierkrippen überzeugen möchte, für den zeigt die Kunstsammlung Ostbayern die Ausstellung „Weihnachten mit Augenzwinkern – Böhmische Papierkrippen aus der Sammlung Hofbrückl“ noch bis zum 8. Januar im Spital in Hengersberg. Geöffnet ist immer Samstag und Sonntag sowie an den Feiertagen jeweils von 14 bis 17 Uhr.