Plattling
Plattlinger Fotoclub: Grübeln, knipsen, kritisieren

Neuer Vorstand, alte Ziele – Fotoclub hält an bewährtem Kurs fest

01.02.2023 | Stand 17.09.2023, 4:06 Uhr

Zwei Aras, die sich auf dem Baum um den besten Sitzplatz streiten. Fotografiert hat sie Alois Lehner, Vorsitzender des Plattlinger Fotoclubs, in Costa Rica. −Foto: Lehner

Von Franz Josef Bauer

Zoom hinein: Stammtisch, Traditionsverein. Tasten klacken, Bildschirme knistern, Laptops laufen im Diashow-Modus. Der Fotoclub hat sein Equipment aufgebaut, die nächsten Stunden wird diskutiert – über Technik, Ideen, Motive. „All das, was ein Foto einzigartig macht“, sagt Alois Lehner, seit Januar Club-Obmann. Künstlerische Grenzen will er nicht ziehen, der Verein sei für viele Spielarten offen. „Bei uns ist alles dabei, bildlich und technisch“, erklärt Lehner – vom Costa-Rica-Ara bis zur Isar-Libelle, vom pakistanischen Pilger im Porträt bis zum Christkindlmarkt in Fischaugenoptik.

„Ein Bild mitbringen, sich Kritik gefallen lassen, besser werden“, so soll man sich laut Lehner die Vereinszusammenkunft vorstellen. Traditioneller Treffpunkt: das Gasthaus Spitzenberger in Schiltorn, jeden zweiten und vierten Mittwoch im Monat. „Wir besprechen da meistens 20 bis 30 Bilder, jeder bekommt Feedback zu seinen Einfällen“, sagt der Vorsitzende. Jeder – das sind insgesamt 18 Mitglieder, zwei davon Frauen. Durchschnittsalter: um die 65.

Doch womöglich naht ein Sturz in den Jungbrunnen. Vor wenigen Wochen hat der Verein eine „Zukunftsoffensive“ beschlossen, Vorstand und Satzung erneuert. Neben Lehner kam auch Christoph Schreiner erstmals ins Amt. Der stellvertretende Vorsitzende bringt frischen Wind mit, ist erst seit zwei Jahren Vereinsmitglied. Schriftführer Walter Schwarz gehört dagegen zum alten Fotoclub-Adel. „Er ist so etwas wie unser Chefkritiker“, erklärt Lehner.

Schwarz fotografiert nicht, sondern bewertet die Bildkompositionen seiner Kollegen. Ob Landschafts- oder Kunstfotografie, Schwarz hat immer eine Linsenweisheit parat, leitet an, zeigt Alternativen auf – handwerklich, ästhetisch, ideell.

Goldener Schnitt der erste Schritt zum guten Foto

Was aber macht ein Foto zum guten Foto? „Das kann ich nicht per se beantworten, das kommt immer auf den Fall an“, meint Schwarz. Kritik sei keine Physik, keine exakte Wissenschaft, sondern auch Geschmackssache. „Ein paar Grundregeln gibt es aber schon, zum Beispiel den Goldenen Schnitt.“ Ein Teilungsverhältnis, das besonders harmonisch auf den Betrachter wirke. Wer den Schnitt befolgt, hat den ersten Schritt getan, hinein in die hohe Kunst der Fotografie.

Eine Kunst, die sich ständig wandelt. „Früher war Fotografieren etwas ganz anderes, kein Vergleich zu heute“, sagt Lehner. Angefangen hat es mit Schattenspielen und der Camera Obscura, dann ist die Daguerreotypie gekommen – und schließlich die „gute alte Analogfotografie“, jahrzehntelang das Rückgrat des Fotoclubs.

Dieser existiert seit 1925, gegründet von Alois Urban, Foto-Graf von Plattling, der bis 1984 Vorsitzender bleibt – 59 Jahre, eine elisabethanische Zeitspanne. Anfangs können sich nur Geschäftsleute Kameras leisten, die Fotografie ist eine „Sache für reiche Leute, wie Golf und Polo“, sagt Schwarz. In der Nachkriegszeit kommt es zum Technikwandel, die Geräte werden kleiner und günstiger, aus dem Eliten- wird ein Volkssport. Kodak, Nikon und Canon dürfen auf keiner Reise fehlen – und wehe man hat den Farbfilm vergessen.

„Aber analog ist selten geworden“, stellt Schwarz klar. Heute beherrscht die Digitalfotografie Markt und Fotoclub. „Dias und Polaroids sind bei uns nur noch Anekdoten.“ Nachtrauern möchten Lehner, Schreiner und Schwarz dem Analogstil jedoch nicht. „Die digitalen Möglichkeiten sind grenzenlos, wenn man es richtig beherrscht“, sagt Schreiner. Von der Rohdatei bis zum fertigen Bild gebe es millionfach Variationen, die Vor- und Nachbereitung der Bilder sei unheimlich gut. Das einhellige Vorstandsfazit: Digital ist besser.

Obwohl Schreiner auch Einwände hat: „Ich mag das unüberlegte nicht, die Einstellung: Ich gehe raus und mache einfach mal so einen Schnappschuss. Das ist okay, aber keine Fotografie.“ Smartphones und Tablets haben das Fotoschießen laut Schreiner verändert, die Qualität nehme ab. „Die Leute knipsen ständig: hier eine Katze, da eine Blume, dort ein seltsamer Mensch.“ Jeder Handybesitzer sei heute Fotomillionär, habe unzählige Bilder auf der Festplatte, ohne sie wertzuschätzen. „Schade“, findet der Stellvertreter.

Die Fotografie hat sich radikal verändert, aus Schattenfängern sind Knipser geworden. Ein Kulturwandel, dem Alois Lehner gerecht werden muss, als Urbans dritter Nachfolger, als erst vierter Vorsitzender seit dem Gründungsjahr 1925. Er will die Mitgliedschaft verjüngen, zeigt sich offen für Interessenten jeder Couleur. „Ob Influencer, Naturfreak oder Architekturfotograf, jeder ist willkommen.“ Gäste können beim Stammtisch in Schiltorn vorbeischauen, gerne mit Fotos im Gepäck.

Dort erwartet sie Feedback, und die ein oder andere Grundsatzdiskussion. Zum Beispiel: Wie komme ich vom Motiv zum Foto? Die beiden Vorsitzenden sind sich uneins, sprechen von „zwei verschiedenen Philosophien“ – mit Plan oder spontan. „Mich springen die Motive beim Vorbeigehen an. Dann gehe ich vielleicht noch ein zweites oder drittes Mal zurück, und dann macht’s klick“, sagt Lehner.

Neun Monate vorbereitet:Ein Foto wie eine Geburt

Schreiner dagegen bereitet jeden Schritt, jedes Motiv minutiös vor, teils Monate im Voraus. „Ich muss im Grunde das Bild erwischen, das ich im Kopf habe.“ Für die perfekte Darstellung eines Robbenbabys braucht er „gut neun Monate, wie eine richtige Schwangerschaft“, erklärt Schreiner. Am Ende ist das Foto geboren, die Robbe in Pixel übersetzt.

Kunst, Geschichte, Philosophie – der Lehrplan des Fotoclubs ist ausgewogen. Nur im Fach Informatik besteht Update-Bedarf. „Die Internetseite befindet sich im Aufbau, aber bald kann man auch online unsere besten Fotos sehen“, sagt Lehner. Eine Homepage im Umbau – wie der Fotoclub, wie die ganze Fotografie. Immer eine Momentaufnahme, ein flüchtiger Blick. Klick!