Künzing
Keine "Boandl" am "Schaibinger Boindl"

17.06.2021 | Stand 12.10.2023, 10:36 Uhr

Interessierte Zuhörer im "Baugebiet Schaibinger Boindl II"(v.l.): "Ascea"-Mitarbeiter Mauritz Thannabaur, Bürgermeister Siegfried Lobmeier, Investor Peter Erl und Dr. Thomas Beck (Ascea). −Fotos: Schiller

Die älteste Gemeinde im Landkreis Deggendorf ist weitum bekannt wegen ihrer römischen Vergangenheit. Doch die Ortschaft ist wesentlich älter, wie die Funde der Kreisarchäologie aus den letzten Jahren zeigen. Am Donnerstag stellten Kreisarchäologe Stefan Hanöffner und das "Ascea"-Grabungsteam aus Landshut die bisherigen Befunde aus dem neuen Baugebiet "Schaibinger Boindl II"vor.

Nach ersten Lesefunden und einer Streifensondage haben die Archäologen zunächst die vielen Befunde dokumentiert und die insgesamt 23000 Quadratmeter großen Fläche dann streifenweise geöffnet. Dunkle Flecken als humose Verfärbungen weisen im hellbraunen Lößboden auf vermoderte Holzpfosten ehemaliger Häuser hin. Das Gelände fällt zur Bahnlinie hin leicht ab. Dort war ehemals ein Bachlauf, weshalb hier weniger Befunde festzustellen sind. Einen Befundkomplex haben die "Ascea"-Mitarbeiter Mauritz Thannabaur, Dr. Thomas Beck und Christian Skiba in mehreren Schichten aufgegraben. Gefunden wurden Überreste aus der Urnenfelderzeit (1300 bis 800 v. Chr.). Hanöffner vermutet, dass es sich hier um eine von mehreren kleineren Siedlungen handelt. Wie dicht die Region zu dieser Zeit besiedelt war, beweist der riesige Friedhof mit über 1000 Grablegen östlich des römischen Kastells, wo sich eine weitere Siedlung befand.

Der Profilschnitt in einer Grube lässt einen frühzeitlichen "Kühlschrank" erkennen. Die Grubenränder sind irgendwann eingebrochen, im Lehm steckt ein Stück Keramik. Ein Stück weiter südlich wurden in einer länglichen Grube diverse Materialien festgestellt, darunter einen kompletten Satz Webgewichte aus gebranntem Ton. In Graphittontechnik gearbeitete Topfscherben stammen von einem Schmelztiegel oder Kochtopf aus der Hallstatt oder der frühen Latène-Zeit (ca. 550 v. Chr.), ein Stück Hüttenlehm vom Deckel lässt auf die Größe des Gefäßes schließen.

Rund 10000 Quadratmeter haben die Archäologen bereits sondiert, vier bis fünf Wochen werden sie im "Schaibinger Boindl II" noch beschäftigt sein. "Boandl", sprich Skelettfunde, sind bislang noch nicht zu Tage getreten. Wie der Kreisarchäologe dazu anmerkt, könnten aber durchaus noch Grablegen entdeckt werden.

In den Investoren Peter und Torsten Erl hat Stefan Hanöffner verständnisvolle Bauherren gefunden, die ihn mit Bagger und sonstigem Gerät unterstützen. Auf rund 16000 Quadratmeter will die Baufirma aus Osterhofen bis Jahresende 23 Bauparzellen erschließen und ab Frühjahr 2022 vermarkten. Die Infrastruktur wird dann kostenlos der Gemeinde überlassen.

Anwohner südlich der Bahnlinie hatten noch Unterschriften gegen die geplante Schallschutzwand gesammelt, weil sie eine Verschlechterung durch Widerhall befürchten. "Diese wird jedoch nicht eintreten, da die Wand den Schall absorbiert", versichern Erl und Bürgermeister Siegfried Lobmeier. Vor und nach der Installation würde dies bei Messungen nochmals überprüft. Für Lärmminderung sollen zudem zwei dreistöckige Wohnblöcke mit je neun Wohnungen sorgen, die nördlich entlang der Bahnlinie einen Querriegel bilden. Zudem wird das Areal laut Erl noch eingegrünt. "Der Bedarf für Wohnungen ist da", betonen Erl und der Bürgermeister, denen auch um eine Innenverdichtung und geringen Flächenverbrauch durch höhere Bauten geht. Eigentlich wollten sie auch noch die 20000 Quadratmeter östlich daneben erschließen, doch konnte man sich mit den Grundeignern nicht einigen. So laufen im Juli/August die Erschließungsarbeiten im "Schaibinger Boindl II" an, im Frühjahr 2022 wird mit dem Bau der Schallschutzwand und der Wohnblöcke begonnen, die Zufahrt erfolgt über die Leonhardistraße.