Sie zählt natürlich zu den Favoriten – und ihr Name ist in der Kickbox-Welt klangvoll und schillernd zugleich. Die Rede ist von Julia Irmen, die bei der jetzt anstehenden Europameisterschaft im Vollkontakt ein Comeback gibt.
Warum die Osterhofenerin nochmals in den Ring steigt, hat einen ganz einfachen Hintergrund. Die mehrfache Weltmeisterin rutscht für eine verletzte Athletin nach. Aber nicht nur Irmen ist in der griechischen Hauptstadt am Start, auch sechs weitere Athleten aus dem Deggendorfer FS (Fighting Sports) Team Becker kämpfen um Medaillen und Platzierungen.
Schon der Austragungsort lässt aufhorchen: der Olympic Velodrome ist Schauplatz dieser Europameisterschaft, ausgerichtet von der WAKO (World Association of Kickboxing Organizations). Von diesem Wochenende an (2./3. November) wird es dann ernst, nach Registrierung, Wiegen und medizinische Kontrolle stehen ab Montag, 4. November die ersten Qualifikationsrunden auf dem Programm. Diese dauern bis zum Freitag, 8. November, ehe am Samstag, 9. November die finalen Wettkämpfe und Team-Events ausgetragen werden.
„Ich freue mich, dass sich die Situation im deutschen Verband aktuell beruhigt hat und in die richtige Richtung geht,“ erklärt Coach Kai Becker. Mit der Rückkehr von Peter Lutzny als Bundestrainer für Vollkontakt konnte der Verband zahlreiche Athleten wiedergewinnen, die zuletzt nicht mehr für den Verband gestartet waren. Becker weiter: „Die Vorbereitungen für die Europameisterschaft verliefen sehr gut. Vor zwei Wochen absolvierte der Kader in Deggendorf gezielte Sparringskämpfe und drei intensive Trainingseinheiten als unmittelbare Wettkampfvorbereitung.“ Darüber hinaus standen auch noch zahlreiche Partnerübungen sowie Sparringseinheiten auf dem Programm, die im Rahmen von Bayernkader-Lehrgängen gemeinsam mit den bayerischen Teilnehmern und Gästen aus anderen Bundesländern, absolviert wurden.
Neben seinem Engagement im Bayerischen Verband ist Becker auch als Honorar-Bundestrainer für Liechtenstein tätig, wo er zusammen mit Cheftrainer Michael Lampert ein Team von drei Athleten betreut. Becker sieht großes Potenzial in beiden Teams und blickt optimistisch auf die bevorstehenden Wettkämpfe – und natürlich auf sein Sextett aus der Donaustadt. Die Heimatzeitung stellt die Deggendorfer Kämpfer aus dem FS Team Becker vor:
• Studentin Laura Stettmer (22) wurde für die Klasse +70 kg Frauen nominiert. Neben ihrem eigenen Training engagiert sie sich im Verein als Kindertrainerin und unterstützt die Ausbildung junger Talente mit großem Engagement. Sport spielt für Stettmer eine zentrale Rolle, sie ist begeisterte Läuferin. Ihr Trainer Becker beschreibt sie als äußerst motiviert und manchmal sogar „übermotiviert“, was ihre Hingabe zum Sport unterstreicht. Becker formuliert als Heimtrainer seine Ziele für die erste Europameisterschaft klar: „Eine erfolgreiche Teilnahme soll die Trainingsleistung optimal widerspiegeln und ihr die Möglichkeit geben, erste EM-Erfahrungen zu sammeln und EM-Luft zu schnuppern.“
• Marco Stracker (20) ist derzeit Schüler an der Meisterschule für das Schlosserhandwerk und tritt in der Klasse bis 63,5 kg Herren an. Stracker gilt als junges Talent, das besonders durch seine Schnelligkeit und Beintechnik hervorsticht. Für ihn ist es die erste EM-Teilnahme, und Heimtrainer Becker setzt ähnlich wie bei Stettmer auf eine ausgewogene Zielsetzung: „Stracker soll den nötigen Ernst bewahren, aber auch den Spaß am Wettkampf nicht verlieren. So könne er seine Trainingsleistung optimal in den Ring bringen und wertvolle EM-Erfahrungen sammeln.“
Beide Athleten haben das Potenzial, bei einer günstigen Auslosung, guter Tagesform und einer persönlichen Spitzenleistung um eine Medaille mitzuringen.
• Studentin Melda Dursun (26) tritt in der Klasse bis 56 kg Damen an. Dursun ist nicht nur eine international erfahrene Kämpferin, sondern auch eine wertvolle Unterstützung für Trainer Kai Becker und wird als dessen „rechte Hand“ im Training geschätzt. Laut Becker hat Dursun das Potenzial, bei dieser EM in den Medaillenrängen mitzumischen. Vorausgesetzt, sie bringt ihre Leistung über alle drei Runden konsequent auf den Punkt.
• Asude Dursun (24) ist Vollzugsbeamtin bei der Bundespolizei und geht in der Klasse bis 48 kg in der Favoritenrolle in die Europameisterschaft. Die ehemalige Sportsoldatin und frisch gekürte Weltmeisterin 2024 im Kickboxen bringt mit ihrer langjährigen Erfahrung und herausragenden Leistung den nötigen Biss für den Wettkampf mit. Kai Becker, der sie bereits seit zwölf Jahren kennt, erinnert sich an ihre Anfänge im Kindertraining und sieht in ihr eine besondere Athletin. „Asude muss Spaß haben, dann läuft es bei ihr.“ Becker verweist auf ihre stetig steigenden Trainingsleistungen, die große Erwartungen für den Wettkampf wecken. „Allerdings muss man als Athlet auch erst mal mit dem großen Druck in einer Favoritenrolle zurechtkommen“, fügt Becker an.
• Eugen Ill (24) ist Justizvollzugsbeamter aus Altötting und geht in der Gewichtsklasse bis 67 kg an den Start. Der ehemalige Sportsoldat und Europameister 2018 ist in eine höhere Gewichtsklasse gewechselt und bringt als hartnäckiger und ausdauernder Kämpfer das Potenzial mit, erneut um die Medaillen zu kämpfen. „Eugen ist für jeden ein harter Gegner, er gibt nie auf,“ betont Trainer Becker. Wichtig sei es, dass Ill bereits im ersten Kampf aktiv in den Wettkampf starte, um sein volles Leistungspotenzial auszuschöpfen.
• Julia Irmen, eine altverdiente Athletin und mehrfach Europa- und Weltmeisterin, feiert ein beeindruckendes Comeback im FS Team Becker. Die erfahrene Kämpferin, die zuletzt bei der WM 2017 in Budapest antrat, rutscht kurzfristig für eine verletzte Athletin in der Gewichtsklasse bis 70 kg nach. Für Irmen wird diese Europameisterschaft tatsächlich der letzte Auftritt im Amateurbereich, da sie die Altersgrenze von 40 Jahren erreicht hat, wie Trainer Becker berichtet. „Julia zählt natürlich zum Favoritenkreis, bei ihr ist alles möglich,“ sagt Becker, der sie bereits 2009 zu ihrem ersten WM-Titel in Deggendorf führte.
In den vergangenen acht bis zehn Wochen haben sich die Athleten nun intensiv auf die bevorstehende Europameisterschaft vorbereitet. Mit sechs bis zehn Trainingseinheiten pro Woche wurden sie individuell betreut – eine anspruchsvolle Aufgabe für den Trainer, der Fingerspitzengefühl und Flexibilität zeigen musste. Becker: „Die Sportler kommen aus unterschiedlichen Berufen und bringen verschiedene Bedürfnisse und Voraussetzungen mit.“ Neben leichten, grippalen Infekten und kleineren Verletzungen erschwerten aber auch bürokratische Hürden die Planung. Zudem gab es für das Team wenig freie Wochenenden, da Lehrgänge und Trainingswettkämpfe absolviert wurden. „Trotz aller Herausforderungen ist die Mannschaft aber nun bestens vorbereitet und blickt der EM mit großen Erwartungen entgegen“, sagt der Deggendorfer Erfolgscoach zuversichtlich.
− red/mo
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