Landkreis Deggendorf
Kulturförderung auf Landkreisebene – aber wie?

Schwarmintelligenz und Lebensfreude auf dem Kulturgespräch mit Landrat Bernd Sibler

04.12.2022 | Stand 18.09.2023, 20:53 Uhr
Sabine Rehm-Deutinger

Auf großes Interesse stieß das Kulturgespräch mit Landrat Bernd Sibler am Donnerstagabend im Deggendorfer Landratsamt. −Foto: Rehm-Deutinger

Von Sabine Rehm-Deutinger

Groß war der Andrang im Großen Sitzungssaal des Landratsamts in Deggendorf: Rund 80 Kulturschaffende verschiedenster Sparten aus dem ganzen Landkreis waren der Einladung von Landrat Bernd Sibler zu einem Kulturgespräch gefolgt. Auf dem Programm standen der allgemeine Austausch, vor allem aber die Vorstellung und Diskussion der Richtlinien für einen Kulturpreis des Landkreises Deggendorf, der erstmals im nächsten Jahr verliehen werden soll (DZ berichtete).

In seinem etwa 30-minütigen Einführungsvortrag ging Sibler zunächst auf die wichtige Rolle von Kunst und Kultur in der Gesellschaft ein. Mit dem Zitat von Pablo Picasso „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“ verwies er auf die Rolle der Kunst als ein „gesellschaftliches Lagerfeuer“, das Lebensfreude verbreite. Gerade in schwierigen Zeiten sei es wichtig, Kunst und Kultur nicht wegen ökonomischer und finanzieller Überlegungen zu vernachlässigen. Außerdem sei die Vielfältigkeit im kulturellen Leben ein wichtiger Beitrag zu Demokratie und Toleranz.

Acht Kategorienvorgeschlagen

Auf Landesebene gebe es den Kulturfonds oder die Atelierförderung als Möglichkeiten der Kulturförderung. Aus dem Landkreis Deggendorf würden sich dort aber nur wenige Kulturschaffende melden bzw. bewerben. Auch gebe es im Landkreis nur wenig überregionale Botschafter aus dem kulturellen Bereich. Sibler wolle daher das Selbstbewusstsein der Kulturschaffenden im Landkreis stärken und als Anerkennung den Kulturpreis auf den Weg bringen – bisher sei Deggendorf einer der ganz wenigen Landkreise ohne Kulturpreis gewesen. Grundsätzlich strebe er eine aktivere Rolle des Landkreises bei der Kulturförderung an. Dabei sei ihm der direkte Austausch mit den Kulturschaffenden ein großes Anliegen.

Bei dem neu ins Leben gerufenen Kulturpreis handle es sich um eine freiwillige Leistung des Landkreises; die Kulturförderung liege in erster Linie in den Händen der Kommunen, wo landkreisweit schon viel geschehe. Sibler stellte daraufhin den Grundsatzbeschluss des Kreisausschusses für die Verleihung eines Kulturpreises vor und bat um Impulse aus dem Auditorium: Der Kulturpreis soll jährlich, erstmals bereits 2023 verliehen werden. Der Kulturpreis soll pro Kategorie mit je 500 Euro, der Sonderpreis des Landrats mit 1000 Euro dotiert werden. Bei dem Preis soll es sich um eine aus Künstlerhand gefertigte Skulptur aus der Region handeln, außerdem wird eine Urkunde verliehen.

Ausgezeichnet werden können Kulturschaffende im Landkreis Deggendorf aus acht Kategorien (Musik; Darstellende Kunst; Bildende Kunst; Literatur, Film und Kino; Brauchtum, Heimat-, Landes- und Denkmalpflege; Kulturorganisation und Kulturvermittlung; Kulturnachwuchspreis; Sonderpreis des Landrats) für herausragende Leistungen auf ihrem jeweiligen künstlerischen Gebiet. Der Preis kann sowohl an Einzelpersonen als auch an Gruppen vergeben werden. Die Verleihung erfolgt durch den Landrat im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung, die an jährlich wechselnden besonderen Kulturstätten des Landkreises stattfindet. Die Preisträger sollen die Möglichkeit haben, sich bei der Veranstaltung zu präsentieren.

Sibler ist zweigleisigesVerfahren wichtig

Sibler erläuterte, dass er in den Richtlinien von einem breit gefächerten Kunst- und Kulturbegriff ausgehe; er versuche alle Gruppierungen in der Kulturszene zu berücksichtigen. Wichtig seien ihm auch im Sinne einer Markenbildung eine Regelmäßigkeit in der Anfangsphase und ein fester Tag für die Preisverleihungen, bevorzugt der Mittwoch vor Christi Himmelfahrt. Zur Diskussion stünden aktuell verschiedene Varianten zum Vorschlagsrecht und zum Auswahlverfahren. Die jeweiligen Varianten A wollen die Kulturschaffenden, Kulturvereine sowie Kultur- und Bildungseinrichtungen einbeziehen. Variante B beim Vorschlagsrecht sieht hierfür den Landrat, die Bürgermeister, den Kreisheimatpfleger, den Musikheimatpfleger, die Kulturbeauftragen der Städte und Gemeinden, die Kultur- und Bildungseinrichtungen, die landkreiseigenen sowie kommunalen Musikschulen und eventuell die Mitglieder des Kreistages vor. Beim Auswahlverfahren sei auch an eine Entscheidung durch den Kreistag (Variante B) oder an eine Jury, bestehend aus Landrat, Kreisheimatpfleger und Musikpfleger des Landkreises Deggendorf (Variante C) gedacht worden. Wichtig sei Sibler, dass das Verfahren zweigleisig angelegt sei, die Kulturschaffenden darin ebenso berücksichtigt würden wie die Gremien des Kreistags.

Abschließend gab der Landrat zu bedenken, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren wohl leicht Preise in allen acht Kategorien vergeben werden könnten, danach müsse man die Entwicklung abwarten.

Sibler hatte mit seinen Ausführungen reichlich Stoff für die nachfolgenden knapp zwanzig Wortmeldungen aus dem Auditorium gegeben. So wurde beispielsweise angeregt, den Kulturnachwuchspreis von der Jugend selbst gestalten zu lassen. Lebhaft diskutiert wurden auch die Kategorien und der zugrundeliegende Kulturbegriff, u. a. wurde vorgeschlagen, auch die Architektur und Baukunst oder die Geschichtswissenschaft und Heimatforschung sowie die Archive als Stätten des kulturellen Gedächtnisses aufzunehmen. In der Kategorie Musik müsse auch die Volksmusik genannt werden. Beim Vorschlagsrecht und Auswahlverfahren wäre es wünschenswert, wenn die Vereinsvorstände sowie die Musik- und Kunstlehrer der Schulen miteinbezogen würden. Eine Jury solle aus Fachleuten aus dem Kultur- und Kunstleben bestehen und unbedingt neutral und politisch unbeeinflusst sein.

Geplante Höhe desPreisgelds kritisiert

Kritik wurde vor allem an der Höhe des Preisgeldes geäußert; dieses sei geradezu lächerlich im Vergleich zu anderen Kulturpreisen. Auch hinsichtlich des Umstandes, dass nach einer Aufstellung des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) nur zwei Prozent der Künstler von der Kunst leben könnten, sei eine Erhöhung angebracht. Sibler verwies darauf, dass es beim Landkreis-Kulturpreis in erster Linie um Anerkennung und die Wirkung gehe. Das Preisgeld sei zunächst recht niedrig angesetzt worden, damit die Hürden im Kreisausschuss leichter genommen werden hätten können. Nun habe er aber gute Argumente für die Diskussion in den Gremien erhalten. Eventuell könne auch ein Sponsoring erarbeitet werden.

Mit Ende des offiziellen Teils der Veranstaltung bestand noch die Möglichkeit, bei adventlichen Leckereien das Gespräch untereinander zu suchen. Das Kulturgespräch war ein wichtiges Signal für das Kulturleben im Landkreis. Es zeigte auf, welch grundlegende gesellschaftliche Bedeutung Sibler der Kultur einräumt. Freilich machte es auch deutlich, mit welchen Hürden er zu kämpfen hat. Auch von Seiten der Kulturschaffenden fand er nur bedingt Verständnis; ihnen scheint vor allem die praktische und finanzielle Unterstützung wichtig zu sein. Die Einsetzung eines Kulturpreises für den Landkreis soll den Stellenwert der Kultur in der Öffentlichkeit stärken.