„Wir feiern eine Geschichte der Gastfreundschaft.“ Mit diesen Worten eröffnete Dekan und Stadtpfarrer Josef K. Geismar am Sonntagvormittag den Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche St. Magdalena in Plattling (Lkr. Deggendorf). Gastfreundschaft, die die moderne Stadt Plattling mit ihrem Nibelungenmarkt ebenso zelebriert wie das historische Pledelingen, als Kriemhild und ihre Nibelungen Obdach auf ihrer Reise gewährt worden ist.
Geismar begrüßte die Vertreter der Stadt und die Kirchgänger, die meisten festlich gekleidet in ihrer mittelalterlichen Tracht, in den ersten Reihen saßen. In seiner Predigt stellte er eine Verbindung zwischen der momentan allgegenwärtigen Nibelungensage und den Ängsten und den Wünschen der Menschen heutzutage her. „Wir haben alle Angst vor Wunden“, begann er. Wir setzen alles daran, diese zu heilen, gar direkt zu verhindern. Die Medizin und die Forschung sind darauf ausgelegt, Krankheit und Verwundung so gut wie möglich zu behandeln. Der Drachentöter Siegfried fasst laut Geismar diese uralte Angst perfekt zusammen und führt den Menschen die Ängste und Wünsche vor Augen.
Mehr Verletzlichkeit statt Wunsch nach Unverwundbarkeit
Nachdem er den Drachen Fafnir erschlagen hatte, badete Siegfried in dessen Blut, um eben diesem Wunsch nachzukommen: unverwundbar zu werden. Nur das kleine Lindenblatt machte ihm einen Strich durch die Rechnung und wurde ihm schlussendlich zum Verhängnis.
Jemand, der keine Angst vor Verletzlichkeit oder Verwundbarkeit hatte, war Jesus. Als er auferstanden war und seine Jünger nicht glauben konnten, dass er es war, zeigte er ihnen ohne Scham seine Wunden, die ihm am Kreuz zugefügt wurden. Jesus versteckt sich nicht. Er versteckt seine Wunden nicht, sie gehören zu ihm und seiner Geschichte dazu.
Dies sollen die Gläubigen Jesus gleich tun. „Schämt euch nicht für eure Wunden und eure Schwächen“, appellierte Geismar an die Gottesdienstbesucher. Man müsse kein großer Held sein. Und so sprach der Dekan sich dafür aus, den letzten Markttag gelassen und frei von Streben nach Perfektionismus anzugehen und zu seinen Fehlern, Wunden, Schwächen und Verletzlichkeit zu stehen, so wie es Jesus einst ebenfalls tat.
Artikel kommentieren