Plattling
Fasching vor 50 Jahren: Buntes Treiben auf Schwarz-Weiß-Ball

Vergessener Schlagerstar und Partyband sorgen im Plattlinger Night Club für Stimmung

31.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:12 Uhr

Fund und Finder: Thomas Schreiner mit dem Plakat zum „Schwarz-Weiss-Ball“. −Foto: Bauer

Von Franz Josef Bauer

Schneeweiße Blusen, pechschwarze Kleider, Smokings mit Fliege und Einstecktuch. Die Kostüme im Plattlinger Night Club treffen vor 50 Jahren voll ins Schwarz-Weiße. Kein Zufall, sondern Dresscode. Überall in der Stadt haben Plakate „zum Großen Schwarz-Weiss-Ball“ geladen. Eintritt: 8 D-Mark, Datum: 9. Februar ‘73.

Thomas Schreiner aus Pielweichs hat ein solches Poster wiederentdeckt. Vor fünf Jahren entrümpelt er den Dachboden des „Krinner Anwesens“ in der Landauer Straße und stößt dabei auf das Plakat mit dem Tanzpaar in Rosa. „Ich war fasziniert, habe mich gleich in die Vergangenheit reingedacht“, sagt der 53-Jährige, der 1973 höchstens zu „Alle meine Entchen“ tanzte.

Und nun – was tun mit dem Dachbodenfund? „Wäre das etwas für Bares für Rares?“ Schreiner hält inne, überschlägt den Wert und kommt zu einem eindeutigen Schluss: ein ideelles Erinnerungsstück. Das Plakat soll einen Platz in der Wohnung bekommen, gerät aber bald in Vergessenheit. Fünf Jahre verbringt es eingerollt im Abstellraum, bis Schreiner sich der Jahreszahl besinnt. „Ich habe wieder danach gesucht, weil jetzt das halbe Jahrhundert ansteht. Ich dachte, das wäre ganz interessant.“ Schließlich sei der Night Club eine „Institution“ gewesen, die erste Adresse für „elegante Abende“. Doch wie feierte Plattling damals? Zeit für eine Rückschau.

Dritter Bürgermeister Max Thoma erinnert sich gut an die Diskothek. „Der Night Club war legendär, da ist es immer zugegangen“, erklärt der Ruheständler, der als aktiver Polizist dort des Öfteren „aufräumen“ musste. „Viele Betrunkene, viele Einsätze“, meint Thoma. Die Gleichung der Gesetzeshüter gilt weiterhin, die Einsatzorte haben sich geändert. Der Night Club beim Hotel zur Isar schloss 1988 für immer die Pforten, Schlips- und Ballkleidträger mussten sich eine neue Schickeria suchen.

1973 ist das noch unvorstellbar, von „ausgelassenem Tanzgewimmel“ schreibt die PZ am 12. Februar. Schritte, Schnipser, Pirouetten – angeheizt von Schlagerhoffnung Andreas Andersen. Heute so vergessen wie die Plattlinger Prinzengarde, die damals ebenfalls einen Auftritt hat. Nur eine Autogrammkarte auf Ebay lässt den alten Ruhm Andersens erahnen. Preis: 5,99 Euro, Verhandlungsbasis.

Anders steht es um Take Five, die Tanz- und Hochzeitsband aus Dorfen. Auf dem Schwarz-Weiß-Ball sorgen sie vor und nach dem Sänger für Stimmung, spielen klassische Gute-Laune-Stücke. „Wir sind ständig auf Achse, waren und sind bekannt in der Region“ sagt Walter Pfeifer, noch immer Bandmitglied. Seine Kollegen von damals sind inzwischen alle gestorben, der 78-Jährige blickt daher umso sehnsüchtiger auf die Zeit der Schlaghosen und Tunikas zurück. „Es war wirklich herrlich in den 70ern, wir hatten einfach Spaß an der Musik und am Feiern.“ Vor 50 Jahren sind Take Five oft im Raum Deggendorf unterwegs, Schlagzeuger und Sänger stammen aus der Region. Trotzdem bleibt der Schwarz-Weiß-Ball das einzige Intermezzo im Plattlinger Night Club.

Thomas Schreiner rollt sein Plakat auf. Behutsam streicht er mit dem Zeigefinger das Glanzpapier glatt. „Leicht vergilbt, kaum verknittert“, stellt er fest. Dann widmet er sich dem vertrauten Aufdruck, liest ihn stumm vor sich hin – erst der letzte Absatz bringt Schreiner zum Reden. „Kostenloses kaltes Buffet. Was es da wohl gegeben hat?“

Das PZ-Archivfoto gibt Aufschluss. Das Tanzgewimmel ereignet sich im Gastro-Himmel, bei Käseigeln und Canapés. Für die Verpflegung im Night Club sorgen „sehr wahrscheinlich“ die Eltern von Maximilian Lang. Sie sind Inhaber des Hotels zur Isar, verpachten bis 1988 den Saal an Hans Reicheneder, „eine eigene Küche hatten wir da nicht drin“, erinnert sich Lang.

Gehobener Stil sei Gebot der Disco gewesen, kulinarisch wie modisch. „Ich weiß noch, dass der Kellner immer sehr galant gekleidet war“, sagt Lang. Der Night Club gilt als in, nicht zuletzt, weil regelmäßig Stargäste kommen: Roberto Blanco, Johnny Hill, Charly Mrosko – teils „echte Hochkaräter“, teils Eintagsfliegen wie Andersen.

Die Faschingsparty ist jährlicher Höhepunkt im Veranstaltungskalender. „Das waren noble Bälle, fast wie bei den englischen Gentlemen“, sagt Lang. Gut kostümiert gleich gut amüsiert, darauf vertraut man auch auf dem Schwarz-Weiß-Ball.

Selbst die Zeitung huldigt dem Graustufenchic, Käseigel und Wurstplatte wirken auf dem Archivfoto ungewohnt farblos. Dem Schwelgen in Erinnerungen tut das keinen Abbruch, Lang, Thoma und Pfeifer haben noch das bunte Original im Kopf. Die Idee vom Night Club als Plattlings In-Diskothek, als zeitüberdauernde Party-Legende.