Deggendorf
Deggendorfer helfen Erdbebenopfern

07.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:38 Uhr

Anil Aydogmus (2.v.r.) kann bei der Hilfsaktion für die Türkei auch auf die Mithilfe ihres Mannes Erdal sowie von Tochter Seray und Sohn Seycan zählen. Sie schleppen und beschriften die Kartons, die auch am Mittwoch noch angeliefert werden können. −Fotos: Michaela Arbinger

Von Michaela Arbinger

Auch viele in Deggendorf lebende Türken bangen um Familienangehörige und Freunde in der von einem Erdbeben schwer getroffenen Südosttürkei. Über 5000 Frauen, Männer und Kinder starben, Tausende wurden verletzt oder liegen noch unter den Trümmern begraben. Viele Überlebende sind bitterer Kälte ausgesetzt. Um ihnen zu helfen, hat die in Deggendorf als „bayerische Türkin“ bekannte Anil Aydogmus eine Hilfsaktion gestartet. Noch am Mittwoch können in ihrem ehemaligen Lebensmittelladen „Esas Market“ im Nördlichen Stadtgraben Spenden abgegeben werden.

„Alles, was warm hält, wird gebraucht“, weiß die Deggendorferin. Nach den massiven Erdstößen, die ab Montagmorgen die Türkei und das angrenzende Nordsyrien erschütterten, hat Anil Aydogmus, die selbst nicht aus der betroffenen Gegend stammt, schnell gehandelt und auf der sozialen Plattform Facebook um Spenden gebeten. Gebraucht werden Winterbekleidung wie Jacken, Pullover, Socken oder Handschuhe. Außerdem Thermowäsche, Thermomatten, Schlafsäcke, Hygieneartikel, Windeln sowie Taschenlampen und Batterien. „Alles muss natürlich sauber und gut erhalten sein“, sagt sie und bittet darum, dass die Spenden am besten in mit dem Inhalt beschrifteten Kartons angeliefert werden sollten.

Wie kommen die Hilfsgüter aus Deggendorf ins Krisengebiet? „Mit zwei Lkws“, erläutert die Deggendorferin. Die Laster starten am Donnerstag in Regensburg, finanziert von einem dort ansässigen Gastro-Großmarkt.

Anil Aydogmus’ Aufruf stößt auf große Hilfsbereitschaft, nicht nur in der türkischen „Community“ in Stadt und Landkreis. Viele haben die Berichte über die Katastrophe verfolgt. Allein in der Türkei sind zehn Provinzen und dicht besiedelte Städte betroffen. Weil viele Menschen unter den Trümmern als vermisst gelten, ist das Ausmaß noch unklar.

Nach nicht einmal einer Viertelstunde hatte sich am Dienstag, dem ersten Spendenanlieferungstag, bereits ein beachtlicher Berg an Kartons im ehemaligen Lebensmittelgeschäft der Deggendorferin angesammelt. Der Strom an Anlieferern riss nicht ab. Und auch viele Helfer packten mit an – nicht nur Anil Aydogmus’ Ehemann Erdal, Tochter Seray (17) und Sohn Seycan (19). Sie waren schon bei der Ukrainehilfe ein eingespieltes Team.

Deggendorfer mit Angehörigen in der Erdbebenregion machen derzeit angesichts dramatischer Bilder von völlig zerstörten Städten kein Auge zu. Ihnen bleibt nur, auf gute Nachrichten zu hoffen. Doch weil teilweise auch das Mobilfunknetz in der Türkei zusammengebrochen ist, gestaltet sich der Kontakt zu Familienmitgliedern schwierig. „Es gibt auch hier viele Betroffene. Sie haben Angehörige verloren, ihr ganzes Hab und Gut“, weiß Anil Aydogmus.

Ramona Reitberger hilft mit, schleppt und beschriftet Kartons. Die 45-jährige Deggendorferin ist in Sorge um ihren Mann Mustafa Karalar, mit dem sie seit einem Jahr verheiratet ist. Noch lebt er in Gaziantep, das im Epizentrum des Bebens lag. „Heute oder morgen hätte ihm eigentlich der Reisepass zugestellt werden sollen“, erzählt sie vom Plan einer gemeinsamen Zukunft in Deggendorf. Am Montag kurz vor 3 Uhr meldete er sich per Handy bei seiner Frau in Deggendorf, mit der Nachricht, dass es ein heftiges Erdbeben gegeben habe. Er müsse sofort aus dem Haus raus, der Handy-Akku sei fast leer, das Nachbarhaus komplett eingestürzt. Am Nachmittag dann die nächste Nachricht. „Ihm ist nichts passiert“, ist die Deggendorferin erleichtert. Mittlerweile sei er zusammen mit Familienmitgliedern – darunter kleine Kinder – in einem Dorf nahe Gaziantep in Sicherheit. „Da gibt es keine hohen Häuser. Sie sitzen in einem Auto, weil sich niemand mehr in die Häuser traut.“


Spenden (z.B. warme Bekleidung, Decken, Schlafsäcke, Isomatten, Batterien, Taschenlampen, Hygieneartikel oder Windeln) können am Mittwoch von 15 bis 18 Uhr im ehemaligen „Esas Market“ im Nördlichen Stadtgraben 10 abgegeben werden. Die sauberen Hilfsgüter sollten in mit dem Inhalt beschrifteten Kartons verpackt sein.