Deggendorf
Triennale "Global Papier 5" startet

03.10.2021 | Stand 21.09.2023, 5:11 Uhr

Auf dem Papiermarkt zeigt Susanne Kauth aus Regensburg einer Interessentin eine bedruckte ehemalige Käseschachtel. Sie hat sich auf den Druck mit alten Handpressen und Bleischriften spezialisiert. −Fotos: Eichwald

Papier ist geduldig, so heißt eine Redensart. Diesmal waren es auch die beteiligten Künstler, die sich mit den Verschiebungen der Vernissage der Internationalen Papierkunst Triennale "Papier Global 5" in Deggendorf arrangieren mussten. Für das Verständnis der Teilnehmer bedankte sich Oberbürgermeister Christian Moser bei der Begrüßung am Samstagabend per Video. Diesmal zeigen im Stadt- und Handwerksmuseum 69 Künstlerinnen und Künstler aus rund 20 verschiedenen Ländern ihre Werke. 360 Bewerbungen aus rund 30 Nationen waren eingegangen, freute sich Moser. Museums-Leiterin Birgitta Petschek-Sommer. Sie entschuldigte sich auch für das Hin und Her der Terminierung, wies zudem darauf hin, dass nach der Umbauphase – das Stadtmuseum war erst am 12. September wieder eröffnet worden – die Kabinette weggefallen sind. "Der Saal 1 ist dafür größer geworden, erläuterte sie.

Die "Papier Global 5", die erste Vernissage nach dem Umbau, ist für Petschek-Sommer die letzte. Sie geht zum 1. Januar 2022 in den Ruhestand, ließ sie die ersten Besucher, darunter auch etliche teilnehmende Künstler, wissen. Zusammen mit Anja Fröhlich vom Handwerksmuseum, die ihre Nachfolgerin als Leiterin der städtischen Museen wird, und Helene Tschacher aus Mainburg, Past-Präsidentin der Internationalen Papierkünstlervereinigung (IAPMA), hat sie die Werke juriert.

Teilweise hatten die Teilnehmer bis zu drei Objekte eingereicht, sagte Petschek-Sommer, aber mit 69 Ausstellungsstücken seien es weniger als in den Vorjahren. Insgesamt, zeigte sich die Museums-Chefin überzeugt, ist "eine schöne Auswahl gelungen". Aus aktuellem Anlass finden sich in der Ausstellung etliche Arbeiten mit Corona-Bezug wie der "Lockdown" (2919/2020) von Donata Oppermann aus Deutschland, die bunte Papierschnüre mit Nähseide zu einem langen Beutel zusammengenäht hat. Es geht aber auch um Konsum, Medien, Alltagskultur oder den Klimawandel – der Umgang der Gesellschaft mit der Natur spielt eine große Rolle.

Das dominanteste Stück, der "Gebeutelte Mann", ein 3,50-Meter-Riese, wurde in Einzelteilen angeliefert. Sein "Konstrukteur" Uli Schmid, der das Objekt aus Staubsaugerbeuteln kreiert hat, musste zweimal fahren, erzählt Birgitta Petschek-Sommer, der es in Anbetracht der großen Einzelteile zunächst etwas "mulmig" war: Die Räume sind exakt vier Meter hoch.

Wunderbar filigran nimmt sich dagegen in einem anderen Saal die Kombination von Eden I, II und III aus. Kleine, gestaltete "Naturinseln" von Brigitte Amarger, die Blumen und Landschaft aus Bogen-, Paus- und Zeichenpapier, mit Kleber und Lasergravur in einer Vitrine arrangiert hat. Der Bogen, den die Künstler mit den Materialien Papier, Pappe, Karton, Papierschnur, mit alten Fotos, Magazin- und Zeitungsausschnitten ausloten, ist weit gespannt: Sarah Delanay aus Australien beispielsweise nennt ihr "Dinosaurier"-Gerippe "Devil in the Detail". Das bereits 2012 geschaffene Werk ist aus geschredderten Dokumenten und mit gehäkeltem Papier entstanden.

Das skurrilste Werk stammt von Theresia Hillebrand: "Was geschah wirklich mit Hänsel und Gretel?" Zu sehen ist eine "Puppenstube" mit einer Hexe und vielen Details – vom Küchenbuffet bis zum Ofen, von der Illustrierten über Äpfel und Salami bis hin zur Pril-Flasche. Dazwischen eine blutige Kettensäge und weitere eher verstörende Details. Das Werk ist aus Pappe, Zeitungspapier und Seidenpapier aufgebaut.

Mindestens genauso spannend wie die Ausstellung ist ein Blick hinter die Kulissen des Aufbaus: So waren fünf Personen notwendig, erzählt Anja Fröhlich, um das an ein offenes Netz erinnernde Konstrukt von Sabine Naumann-Cleve aus Baden-Württemberg an einer Acrylglasplatte hängend zu befestigen. Es ist aus in Streifen gerissenen Fotos in monatelanger Arbeit geschaffen worden, die Künstlerin hatte ihr Objekt für den Transport mit Querstangen stabilisiert und in einer mit Vlies und Seidenpapier ausgepolsterten Transportkiste nach Deggendorf gebracht.

Die erste Papier-Triennale hatten 2009 Helene Tschacher und ihr Mann Joachim in Deggendorf angeregt. Die Donaustadt biete sich mit der nahe gelegenen Papierfabrik in Plattling oder derjenigen in Teisnach an, hatten die Tschachers damals argumentiert. Auch habe gab es in Deggendorf seinerzeit eine Papiermühle.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 6. März 2022, ist zu den Öffnungszeiten der Museen zugänglich und wird von einem umfangreichen Workshop-Programm für Schulklassen sowie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene begleitet. Zur Ausstellung wird ein Katalog in deutscher und englischer Sprache erscheinen. Was ihn betrifft, bittet Birgitta Petschek-Sommer noch um etwas Geduld.

Sehr gut besucht war am Samstagabend und am Sonntag der Papiermarkt in Stadt- und Handwerksmuseum. Schon vor der Öffnung seien am Sonntag die Ersten angestanden, sagt Anja Fröhlich, und Birgitta Petschek-Sommer musste am Vormittag an der Kasse im Stadtmuseum aushelfen, so groß war der Andrang. Brigitte Neugebauer aus Wangen im Allgäu, eine der 23 Teilnehmenden, war zum dritten Mal dabei. Sie hatte rund 1000 Bogen Papier mit selbst entworfenen Mustern und Ornamenten dabei. Deggendorf sei ihr Lieblingsmarkt, hierher kämen die Insider, sagt sie.

Auch Susanne Kauth aus Regensburg findet das Ambiente gut, 2018 war sie erstmals da. Ihre Domäne ist der Druck mit alten Handpressen und Bleischriften. Auch Schmuck, Gefäße oder Wanddekoration aus Papier konnte man erwerben. Zudem konnte man selbst aktiv werden: Museums-Aushilfe Marie Waldmann leistete im Stadtmuseum Interessierten beim Bekleben von Zündholzschachteln Hilfe, wofür die "Bastler" zwischen fünf und 15 Minuten benötigten. Im Handwerksmuseum konnte man Blätter und Birkenholzrahmen mit dem Frottage-Effekt gestalten.