Niederalteich
Mit Musik gestärkt

Der "Flying Circus" mit Hannes Ringlstetter und Dreiviertelblut gastierte auf der Klosterwiese in Niederalteich

16.08.2020 | Stand 20.09.2023, 4:36 Uhr

Hannes Ringlstetter (r.) und Jochen Goricnik spielen den Blues.

In der aktuellen Situation braucht es besondere Ideen. Eine richtig gute war es, die Klosterwiese Niederalteich für ein Konzert im Freien zu nutzen: Für 400 Besucher war der Freitagabend mit Hannes Ringlstetter und Dreiviertelblut ein Erlebnis, wie sie es wohl schon lange nicht mehr hatten.

Till Hofmann, der in Passau das Eulenspiegel Festival veranstaltet, schickt in diesem Sommer seine Künstler im "Flying Circus" durch Niederbayern. Er hatte dazu aufgerufen, sich mit passenden Orten bei ihm zu melden. Hierauf wurde die Bürgerinitiative "Kulturboden" in Niederalteich aktiv und schlug die Klosterwiese vor.

Ein großes Team rund um Franz Dullinger vom Kulturboden und viele Helfer aus dem Dorf arbeiteten zusammen. Die Ministranten übernahmen den Getränkeverkauf. Das Kloster stellte seine Wiese zur Verfügung, die dictum-Werkstatt wurde zum Backstage-Bereich. Die Bühne stellte der Bezirk Niederbayern. Die Organisation war perfekt.

Den ersten Teil bestritt Hannes Ringlstetter mit seiner Band. Gewohnt locker plauderte Ringlstetter mit seinem Publikum und brachte es zum Lachen. Mit Xavier-Naidoo-Sonnenbrille schlüpfte er in die Rolle des Verschwörungstheoretikers und versuchte die "Schlafschafe" im Publikum davon zu überzeugen, dass "Reptiloiden" die Herrschaft über die Menschen übernehmen wollen. Ringlstetter hatte einige neue Songs mit dabei, die er gerade frisch für eine neue Platte aufgenommen hat. Mit seinen Stücken zeigt er sich als leidenschaftlicher Bluesmusiker und Sänger. Mit seiner tiefen Bassstimme kamen sowohl englische als auch bairische Texte gut zur Geltung. Jochen Goricnik war der richtige Partner an seiner Seite, die beiden haben im Spiel miteinander und mit Unterstützung der anderen Bandmitglieder Freude daran, ihre Blues-Leidenschaft an der Gitarre auszuleben.

Vor allem vermittelt Ringlstetter mit seinen Songs ein positives Lebensgefühl und eine ordentliche Portion Optimismus, ob nun mit seinem Cover von "Times like these" von den Foo Fighters oder eigenen Songs wie "Einfach so". Und er richtet den Blick nach vorne: Wenn der "ganze Schmarrn rum ums Eck" ist, wird alles "wieder schee".

Ringlstetter, selbst aus Straubing, ist nah dran an den Leuten, er kann hineinschauen in die Seele des Niederbayern und nimmt das auf, was die Menschen bewegt. Er blickt mit Witz auf Getränkemarktbesoffene oder vorlaute Kinder – oder er schaut mit liebevollem Blick auf das Gemüt seiner Landsleute in seinem "Niederbayern"-Song, der als Abschluss nicht fehlen durfte.

Nach der Pause, schon bei Dunkelheit, legten "Dreiviertelblut" ihre Klangdecke über die Klosterwiese. Zu siebt stehen die Musiker auf der Bühne: Gitarren, Kontrabass, Trompete, Klarinetten, Orgel, Glockenspiel, Schlagzeug und vierstimmiger Gesang sind wie ein kleines Orchester. Vorne dran stehen Gerd Baumann an der Gitarre, der die Musik komponiert hat, und Sebastian Horn, der die bairischen Texte geschrieben hat und mit seiner eindringlichen tiefen Stimme in den Bann zieht.

Die Musik hat eine ungemeine Bandbreite, sie ist mal locker wie bei "Schwupp Marie", lädt ein anderes Mal mitreißend zum "Deifedanz" ein. Schräg sind Texte und Musik beim Stück über die "Zeit" oder dem Festl auf dem Friedhof in "Campo Santo". Besonders aber transportiert die Musik viel Gefühl. In "Bei da Nacht" schreit Sebastian Horn die Einsamkeit hinaus, nachdenklich macht das Stück "Mia san ned nur mia". Ein Perspektivwechsel, ein Blick von oben auf unseren "blauen Stoa" Erde ist manchmal wichtig, um die kleinen Freuden im Leben wieder zu entdecken. Wer mehr von Sebastian Horn und Gerd Baumann sehen und hören will, dem sei ein Kinobesuch empfohlen: Gerade läuft der Film "Dreiviertelblut – Welttraumtouristen" von Marcus H. Rosenmüller und Johannes Kaltenhauser.

Hannes Ringlstetter kam noch einmal zu Dreiviertelblut auf die Bühne, um zusammen das Lied "Weida midanand" zu spielen. 2013 hatten die Musiker auf Initiative von Till Hofmann den Benefizsong zugunsten der Hochwasser-Opfer aufgenommen. "Wir denken, der Text passt in der jetzigen Situation auch wieder ganz gut", meinte Ringlstetter.

Gut gestärkt von dieser lange entbehrten, nun großen Portion Kultur verließen die Zuschauer erst nach ein paar Zugaben das Konzertgelände mit dem guten Gefühl im Gepäck, dass es weitergehen kann, wenn man zusammen anpackt und positiv denkt. Hoffentlich war dies nicht das letzte Mal, dass die schöne Klosterwiese zum Konzertort wird.

Kristina Pöschl