Deggendorf
Kreative Urteile der Schülerrichter

"Teen Court" von Caritas und Staatsanwaltschaft erfolgreich

29.12.2021 | Stand 22.09.2023, 0:20 Uhr

Wertvolle Tipps für ihre künftigen Verhandlungen gaben Oberstaatsanwalt Dr. Oliver Baumgartner und (online zugeschaltet) Staatsanwältin Dr. Katharina Haider den neuen Schülerrichtern. −Foto: Winkler/Caritas

Insgesamt 25 Fälle haben die 14 Schülerrichterinnen und -richter in den vergangenen 18 Monaten verhandelt und "Urteile" gefällt, die alle von den Beschuldigten akzeptiert und erfüllt wurden. Kriminelle jugendliche Ersttäter durch den Einsatz gleichaltriger Schülerrichter (14 bis 17 Jahre) positiv zu beeinflussen und erneute Straftaten dadurch zu verhindern, ist das Ziel des Schülergerichts. Staatsanwaltschaft Deggendorf und Caritasverband, die für das Projekt Schülergericht im Februar 2020 den Vertrag unterschrieben haben, zogen eine durchwegs positive Bilanz.

Sozialpädagogin Alexandra Winkler, die das Projekt betreut, hat bereits die erste Schulung der ersten 14 Schülerrichter im Juni 2020 geleitet. Nun fand unter ihrer Leitung für Interessenten vom St.-Gotthard-Gymnasium Niederalteich und der Landgraf-Leuchtenberg-Realschule Osterhofen eine weitere für 22 zusätzliche Jugendrichter statt. Wie der Caritasverband für den Landkreis und die Leitende Oberstaatsanwältin Eva Nistler in einer gemeinsamen Presseerklärung mitteilten, wurden auch diese Jugendlichen einen Tag lang auf ihr Amt als Schülerrichter vorbereitet. Neben den Grundlagen des Jugendstrafrechts wurden sie vor allem in der Gesprächsführung und Kommunikation geschult. Mit Rollenspielen wurde der Ablauf des Schülergerichts eingeübt.

Mitte Dezember erfolgte durch Oberstaatsanwalt Oliver Baumgartner die Belehrung und die Unterzeichnung der Verschwiegenheitserklärung. Die für das Projekt zuständigen Staatsanwältinnen Dr. Katharina Haider und Dr. Sylvia Lukas begleiteten die Veranstaltung online, erläuterten die Abläufe bis zum "Urteil" der Schülerrichter und gaben wertvolle Tipps. Die 22 Schülerinnen und Schüler sind nun bereit, ihre ersten Fälle zu verhandeln.

In Vertretung der Leitenden Oberstaatsanwältin Eva Nistler brachte Baumgartner seine hohe Wertschätzung für die Arbeit der Schülerrichter und der Caritas Deggendorf zum Ausdruck. Er zeigte sich begeistert von der Umsetzung und "schlichtweg beeindruckt" davon, was Winkler mit Dr. Haider mit den Schülerrichtern in Deggendorf auf die Beine gestellt haben. Eine bessere Betreuung der Schülerrichter und jungen Straftäter könne man sich gar nicht wünschen. Bereits während der bisherigen Projektlaufzeit habe sich gezeigt, dass durch die Arbeit des Schülergerichts die beschuldigten Jugendlichen aus ihren Taten gelernt hätten und von weiteren Straftaten abgehalten wurden. Auch lobte Baumgartner die hohe Verantwortungsbereitschaft und Sozialkompetenz der jungen Richterinnen und Richter.

Seit 20 Jahren gibt es in vielen bayerischen Städten sogenannte Teen Courts. Diese liegen dem Bayerischen Justizminister Georg Eisenreich sehr am Herzen, weshalb er sich auch für die Einführung des Projekts in Deggendorf eingesetzt und die erforderlichen Mittel bereitgestellt hat. Das Konzept dahinter ist einfach: Typische Formen von Jugendkriminalität wie Sachbeschädigung, Ladendiebstahl, Fahren ohne Führerschein oder kleinere Vergehen im Bereich des Betäubungsmittelgesetzes werden nicht vor Gericht verhandelt, sondern vor dem Schülergericht.

Drei ausgebildete Schülerrichter besprechen mit dem jugendlichen Delinquenten die begangene Straftat und einigen sich auf eine erzieherische Maßnahme. Begleitet und beraten werden sie dabei immer von den zuständigen Sozialpädagogen. Wurde die erzieherische Maßnahme zufriedenstellend abgeleistet, ergeht Meldung an die Staatsanwaltschaft und diese kann dann das Verfahren offiziell einstellen, der Täter oder die Täterin ist somit nicht vorbestraft und es gibt keinen Eintrag ins Führungszeugnis.

Anders als bei Erwachsenen steht im Jugendstrafrecht in solchen Fällen nicht die Strafe im Vordergrund. Ziel ist es vielmehr, im Sinne einer Erziehung auf die Zukunft bezogen fördernd und chanceneröffnend einzuwirken. Die Schülerrichterinnen und -richter könnten sich sehr gut in die persönliche Lage der Beschuldigten hineinversetzen. Vor allem von der Kreativität im Bezug auf die erzieherischen Maßnahmen ist Alexandra Winkler begeistert. "Niemals würden wir Erwachsenen auf solche Vorschläge kommen. Die Schülerrichter fragen gezielt nach den Hobbys oder Stärken der Delinquenten und gehen dann oft darauf ein. Da kommt dann auch mal ein Weihnachtskonzert für Senioren heraus, aber auch Sozialstunden, Entschuldigungsbriefe oder Referate, die dann vor den Schülerrichtern gehalten werden müssen."

− dz