Deggendorf
Bairisch g’schwindelt: Festakt ohne Poetenteller

25. Bairischer Mundarttag – Auszeichnung für Verserlschmiedin Gerti Reinhardt, Ehrengabe der Stadt für Gisela Sebele

26.09.2022 | Stand 20.09.2023, 22:34 Uhr
Josefine Eichwald

"Den Poetenteller überreiche ich persönlich nach", versprach Staatsminister Christian Bernreiter (r.) der Deggendorferin Gerti Reinhardt, der auch OB Christian Moser gratulierte. Reinhardt hatte den rund 70 Anwesenden in einer Textprobe mit auf den Weg gegeben: "Lacht’s a bisserl öfter." −Fotos: Josefine Eichwald

Letztlich stimmte das Manuskript, das sich Mundartautorin Gerti Reinhardt für ihre Dankesworte beim 25. Bairischen Mundarttag "Lus zua" vorbereitet hatte, nur noch insofern: "Narrisch g’freut" habe sie sich, dass sie den Bayerischen Poetenteller erhalten sollte, "a scheene Ansprach ham’s gmacht, globt hams mi", wandte sich die 88-jährige Deggendorferin an den Festredner, Minister Christian Bernreiter.

Die Passage "Danke, Herr Staatsminister, sie haben mir einen schönen Poetenteller überreicht", passte aber nicht mehr. Denn, so hatte es der Deggendorfer OB Christian Moser vorweg genommen: "Der Teller selber ist nicht da. Wir überreichen ihn trotzdem, das muss uns erst einmal jemand nachmachen." Man habe den Poetenteller in der Staatskanzlei "öfter angemahnt, der Termin war fix", sagte Moser beim Festakt am Sonntag im Historischen Rathaussaal. Dabei sei es beim letzten Mal bereits ähnlich gewesen, damals sei der Teller dann noch gekommen, "nur dann hat der Name gar nicht gestimmt", so Moser. Alt-OB Dieter Görlitz habe ihn gleich mit den Worten beruhigt, das "war zu seiner Zeit schon so."

Unproblematischer verhielt es sich mit der Ehrengabe der Stadt Deggendorf: Moser überreichte die gläserne Trophäe an Mundart-Autorin Gisela Sebele aus Bayerbach (Kreis Rottal-Inn).

"Was sprechen Sie für einen Dialekt? So einen Dialekt hab ich noch nie gehört." Mit solchen Fragen wie der einer Dame beim Festakt "50 Jahre Fuggerei" ist Minister Bernreiter beim Festakt zum 25. Bairischen Mundarttag in Deggendorf nicht konfrontiert worden. Das Fazit des Hengersbergers: "Wenig niederbayerische Redner in Augsburg."

"Dialekt ist Teil unserer Kulturlandschaft, vermittelt Verbundenheit und Heimatgefühl. Sprache und Kultur gehören untrennbar zusammen, Sprache gibt uns Identität. Wer Dialekt spricht, weiß, woher er kommt", so der Festredner. Außerdem mache Dialekt auch schlau, das ist wissenschaftlich belegt, fuhr er fort. "Für uns Bayern keine Überraschung." Dialekt sollte auch in Schulen seinen Platz haben. Dabei wolle die Politik Dialekt nicht verordnen. "Hier kommen Sie als Mundartdichter ins Spiel", wandte sich Bernreiter an die anwesenden Autoren. "Sie beweisen außergewöhnliches Sprachgefühl, sind ideenreich und echte Sprachkünstler."

Gerti Reinhardt, in Landau geboren, habe schon in jungen Jahren Verserl geschrieben und bei Familienfeiern vorgetragen. 1958 hat sie nach Deggendorf geheiratet. Die Mutter dreier Söhne, Fachlehrerin für Handarbeit und Hauswirtschaft, habe noch eine Ausbildung als Drogistin und Kosmetikerin absolviert und ein eigenes Geschäft gehabt. Erst in den 1980er Jahren habe sie als Mundartpoetin losgelegt, ihren Stil verfeinert und sich auf die Bühne getraut. "Seither ist sie fester Bestandteil der Szene", hieß es in Christian Bernreiters Laudatio. In drei Büchern "Aufe und owe", "A bisserl an Durchananda" und "Zeit, geh nimms dir", 2001, 2003 und 2005 erschienen, werfe sie mit Verserln und Geschichten einen Blick auf Alltagserlebnisse.

Christian Moser hatte zuvor den Werdegang und die Verdienste um die Mundart von Gisela Sebele geschildert. 1955 in Gottfrieding im Kreis Dingolfing-Landau geboren und in Straubing aufgewachsen, ist sie seit 1982 beim Mundarttag vertreten. Gisela Sebele hat ein Examen als Hebamme gemacht, im elterlichen Betrieb mitgearbeitet. Zu ihrem breiten Themenfeld gehören auch der Kräutergarten, entsprechende Seminare und Kochkurse oder die Ernährungsberatung nach Hildegard von Bingen. Sie ist seit 1988 beim Mundarttag vertreten und auch Mitglied beim Stelzhammerband, der österreichischen Mundartautoren-Vereinigung. Gisela Sebele habe die Tagungsleitung beim 21. und 22. Mundarttag in Deggendorf mit Olga Hartmetz-Sager übernommen, später alleine geleitet und drei Bücher verfasst: "Gifthaferl I und II", sowie "Kräuterweiberls Geheimnisse", führte Moser aus.

"A besondere Ehre, I gfrei mi", reagierte Sebele, die in Bayerbach bei Bad Birnbach lebt, auf die Auszeichnung. Sie überreichte Moser ein Geschenk vom Bürgermeister ihrer Gemeinde Günter Baumgartner und erinnerte an vergangene Mundarttage mit oft 80 Teilnehmern. Nicht jeder habe am Festabend lesen dürfen, man habe beim Kuchler Franz vorlesen müssen und sei dann ausgewählt worden, "die anderen haben in Wirtshäusern und Hütten gelesen". Oft sei es schwierig gewesen, für die Schullesungen in den 1. und 4. Klassen Autoren zu finden. Aber nach der Aufforderung "Wenn ihr so schlecht seid, dass ihr nicht für die Kleinen schreiben könnt, dann seid ihr auch zu schlecht für denn Festabend",wurde so viel für die Schüler geschrieben, so viele Klassen gab es gar nicht, erinnert sich Gisela Sebele. Sie gab sich überzeugt: "Mundart stirbt nicht, sie verändert sich. Die Jungen tragen auch wieder Tracht, auch wenn auf dem Dirndl hinten a Totenkopf drauf ist."

Ein Dankeschön richtete OB Moser an Kulturamtsleiterin Sabine Saxinger und ihr Team: Sie habe dem Mundarttag ein neues Flair gegeben, mit dem Motto "Lus zua" sowie mit der Programmfolge: "Dialekt ist Sprache der Gemeinschaft, in der Familie und unter Freunden, deshalb ist er schützenswert. Dialekt ist das Fundament für Integration", kam Moser auf den Mundartforscher Anthony Rowley zu sprechen und auf "einen Pizzabäcker, der nicht Hochdeutsch schreiben konnte, aber Bayreuther Stadtdialekt sprach".

Die Tradition der Mundarttage auf den Weg gebracht habe Franz Kuchler, der heuer 110 Jahre alt geworden wäre. Großen Anteil hatte auch Olga Hartmetz-Sager, die 39 Jahre lang die fachliche Organisation übernommen hatte, ebenso wie Domkapitular Max Huber, der noch beim letzten Mundarttag den Gottesdienst auf Bairisch gehalten hatte. Sie alle sind inzwischen verstorben.

Musikalische Beiträge zum diesjährigen Mundarttag lieferte die Hoabergmusi aus dem Raum Ortenburg – Brigitte (Harfe) und Andreas Orttenburger (Bass) mit Matthias Eichlseder (Akkordeon) – mit Stücken wie Herbert Pixners "Beautiful Seeress", dem "Katrin Boarischen" oder der "Springginkerl-Polka".

Im Rathaussaal hatte sich zahlreiche Politprominenz versammelt wie Alt-OB und Ehrenbürger Dieter Görlitz, der ehemalige Bürgermeister Peter Volkmer, Rathauschefin Jutta Staudinger aus Stephansposching, 3. Bürgermeister Ewald Straßer aus Hengersberg, Bürgermeister Anton Stettmer aus Grafling und eine stattliche Abordnung an Stadträten wie Hela Schandelmaier, Ila Schnabel, Christian Heilmann-Tröster, Paul Linsmaier, Konrad Rankl, Harald Schiller, Karl Heinz Stallinger, Oliver Antretter, Corinna Ortmann oder Leopold Till hatte sich eingefunden, ebenso Kreisheimatpfleger Florian Jung.