Deggendorf
Auf Famulat(o)ur in Deggendorf

02.09.2021 | Stand 22.09.2023, 1:17 Uhr
Josefine Eichwald

Dr. Ila Schnabel (M.), die Initiatorin des Famulat(o)ur-Projektes, und dritte Bürgermeisterin Renate Wasmeier (2.v.r.) begrüßten mit dem Kunst- und Wissenschaftsminister Bernd Sibler (l.) die ersten vier Medizinstudenten des Ärztegewinnungsprogramms. Kristina Fuß (2.v.l.), Verena Edler (3.v.l.), Andreas Lederer (2. Reihe l.) und Katharina Kreilinger (3.v. r.) mit Magnus Ott, Vorstand des Ärzte-Kreisverbandes Deggendorf-Regen, und Dr. Anja Santner (r.) . −Foto: Eichwald

Vier Studenten – die ersten, die am Ärztegewinnungsprogramm der Stadt Deggendorf teilnehmen – sind im Alten Rathaus begrüßt worden.

Sie kommen aus verschiedenen Himmelsrichtungen; Katharina Kreilinger (22), die schon eine Famulatur in der Allgemeinarzt-Praxis von Dr. Ila Schnabel absolviert hat, stammt aus Halle, die Gilchingerin Kristina Fuß (Kreis Fürstenfeldbruck, Oberbayern) studiert in Regensburg und die Südtirolerin Verena Edler (21) aus dem Pustertal ist in München als Medizinstudentin eingeschrieben, ebenso wie Andreas Lederer (21) aus Oberhaching (Landkreis München), der an der TU München studiert.

Dr. Ila Schnabel hat das Ärztegewinnungsprogramm organisiert. Ihr "Baby", wie sie das Famulatur-Programm nannte, habe sie mit "viel Herzblut und Leidenschaft" zusammengestellt. Bei den Kollegen stieß sie auf große Resonanz in punkto Mitarbeit, freute sie sich. Am Dienstagabend begrüßte dritte Bürgermeisterin Renate Wasmeier zusammen mit der Stadtratskollegin Schnabel und Wissenschaftsminister Bernd Sibler die künftigen Mediziner, die seit Mittwoch eine vierwöchige Famulatur mit verschiedenen Kursen in der Donaustadt absolvieren, im historischen Rathaussaal.

Kreilinger hat die Info über die Initiative "aus erster Hand" von Dr. Schnabel bekommen, die anderen über die Fachschaftsseite, ausgewählt wurde nach dem "Windhundprinzip", so Dr. Schnabel, die ersten Vier, die sich beworben hatten, kamen dran. Es gehe darum, junge, engagierte Ärzte zu generieren. Die Allgemeinmedizinerin warf einen Blick zurück, als sie zusammen mit ihrem Mann Dr. Stephan Schnabel, einem Internisten, 2003/2004 damit befasst war, sich niederzulassen. Damals hatten acht/neun Ärzte ihre Praxis aufgegeben, insgesamt gebe es gerade im ländlichen Bereich zu wenig Ärzte, auch in den Kliniken, machte sie deutlich. Bislang wird von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns zwar keine Unterversorgung für Deggendorf ausgewiesen, doch knapp die Hälfte der niedergelassenen Ärzte ist über 60 und älter, deshalb gelte es einer Unterversorgung entgegenzuwirken.

Die Stadt hat zwar keinen Einfluss auf die Ansiedlung von Haus- und Fachärzten, möchte aber mit dem Programm einen Anreiz geben. Der Sozialausschuss hat dafür 5000 Euro locker gemacht, die in die Unterbringung der auswärtigen Studenten fließen.

Auch der Freistaat lege einen Fokus auf "mehr Ärzte", sagte Wissenschaftsminister Bernd Sibler, der Kommunen mit den Unis in Kontakt gebracht hat. Die medizinische Versorgung müsse ganz anders aufgestellt werden, fuhr der Minister fort. Es müsse auch eine Professionalisierung in der Pflege stattfinden, dazu gehört auch eine Führungsgruppe mit akademischer Ausbildung im Pflegebereich. In der Regel seien Großstädte mit Medizinern ausreichend versorgt, wie z.B. am Klinikum Großhadern in München, wo es aber zu wenig Pflegepersonal gibt. Auch angesichts verschiedener Arbeitszeitmodelle benötige man mehr Ärzte.

Laut Sibler hat der Freistaat Bayern vor eineinhalb Jahren in Augsburg 1500 zusätzliche Studienplätze geschaffen, 2100 in Erlangen und Bayreuth, wobei man wissen müsse, dass ein Medizin-Studienplatz 200000 Euro kostet. Letztlich kämen noch 600 zusätzliche Studienplätze am Medizincampus Niederbayern hinzu. In Deggendorf stehen auch in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule nicht nur Kurse, wie bei Magnus Ott über Schulter und Lendenwirbelsäule, oder bei Dr. Peter Perenyei über Herzultraschall an, sondern auch Besichtigungen von Firmen der Medizinbranche.

Wasmeier, die als Physiotherapeutin das Programm ebenfalls mitgestaltet, ging auf die Vorzüge von Deggendorf ein. Sie schilderte die Donaustadt mit nahe gelegenem Skating- und Langlaufzentrum, Möglichkeiten zum Mountainbiken, eingebettet zwischen Berge und Gäuboden, samt der Donaupromendade als lebenswert. An der Technischen Hochschule sei zudem eine Gesundheits-Fakultät angesiedelt, wo man im Bereich Pflege mit dem "Physician Assistent" einen neuen Studiengang mit 200 Studenten generiert habe. Schließlich will man die Studiosi – ein weiteres Famulaturprogramm ist in den Semesterferien im kommenden März geplant – zum Bleiben animieren. So wie Perenyeis Praxiskollegin Dr. Anja Santner von der internistischen Gemeinschaftspraxis am Pflegtor. Sie hat nach dem Studium in Österreich 2010 ihre erste Stelle in Deggendorf angetreten.

Nach Abschluss des ersten Famulat(o)ur-Programmes ist eine Evaluierung angestrebt.