Plattling
Aufzüge am Eisernen Steg: Vandalenopfer trotz Kettenhemd

Stadtrat überlegt: Lifte reparieren, austauschen oder durch eine Unterführung ersetzen?

13.11.2022 | Stand 20.09.2023, 1:40 Uhr

Der Anfang vom Ende?: Die Zukunft der Zwillingslifte ist ungewiss. Derzeit verriegelt eine Sperrholzplatte den Nord-Aufzug.

Von Franz Josef Bauer



„Große Sorgenkinder sind für uns alle die Aufzüge am Eisernen Steg.“ Als Bürgermeister Hans Schmalhofer bei der Bürgerversammlung in Plattling (Landkreis Deggendorf) am Donnerstag, 10. November, die beiden defekten Lifte am Bahnhofsplatz anspricht, geht ein Raunen durch den Bürgersaal. Das einstige Vorzeigeprojekt, das Ästhetik und Funktionalität vereinen soll, ist längst zum Ärgernis geworden – ein Treppenwitz, für den zwei Treppen geopfert wurden. Die Zukunft ist ungewiss, der Stadtrat steht vor der Entscheidung, die Aufzüge zu reparieren, auszutauschen oder durch eine Unterführung zu ersetzen.

Dabei wächst der Druck aus der Bevölkerung. Die Bürger sind mit ihrer Geduld am Ende, fragen sich mittlerweile, was zuerst da war: Die Vandalen oder die Lifte? Beides scheint sich zu bedingen seit der Inbetriebnahme im November 2007. Kaputtes Bedienteil – Reparatur, durchlöcherte Scheiben – Reparatur. Urin – Putzeinsatz, Abfall – Abtransport: Ein ewiger Kreislauf, ein Teufelskreis.

Pfauntsch: „Chaoten zunehmend schlimmer“

„Auf eine Aktion folgt eine Reaktion, und dann geht wieder alles von vorne los.“ Stadtbaumeister Roland Pfauntsch ist von der Sache so genervt wie alle anderen Plattlinger. Er meint, dass sich das Problem in den vergangen Jahren verstärkt habe, weniger quantitativ als qualitativ. „Das hat eine andere Dimension als früher, die Chaoten werden schlimmer und schlimmer“, so sein Gefühl.

Der Bürgermeister berichtet von den Umtrieben, von kaputten Bedienelementen, vom Gestank in den Kabinen. Zu Betriebszeiten wird regelmäßig in die Aufzüge uriniert – der Manneken Pis aus Fleisch und Blut, ein trauriges Wahrzeichen von Plattling.

Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen, fast auf den Tag genau vor 15 Jahren: Als „hübsch, familienfreundlich und behindertengerecht“ pries der damalige Bürgermeister Erich Schmid die neuen Aufzüge, als „Sahnehäubchen“ des umgebauten Eisernen Stegs. Gesamtkosten: 750.000 Euro. Beim Architektenwettbewerb „Architektouren 2008“ werden die Aufzüge als „neues Wahrzeichen der Stadt“ vorgestellt, die Zwillingslifte heißen „großer und kleiner Bruder im Kettenhemd“ − des Sicherheitsgitters wegen.

Die Aufzüge gelten als vandalensicher, erweisen sich aber rasch als Zielscheibe von Randalierern. „Der anhaltende Beschuss, das ist der Knackpunkt. Da kann etwas noch so geschützt sein, irgendwann knacken die Vandalen den sichersten Safe.“ Wo ein Wille, da ein Weg, glaubt Pfauntsch.

Aber auch ohne Fremdeinwirkung geht von Anfang an einiges schief. Der Aufzug bleibt stecken, der Notfallknopf fällt aus, eine Frau stürzt in freiem Fall zu Boden und wird leicht verletzt – genügend Stoff für eine ganze Folge „Pleiten, Pech und Pannen“.

Aktuell kann sich die Serie nicht fortsetzen, die Nordkabine wird von einer Sperrholzplatte vor „jugendlichem Leichtsinn“ geschützt, wie Pfauntsch es nennt. Spiele, Mutproben, Imponiergehabe – die Liste an Motivationen ist lang, der Stadtbaumeister selbst hat manchen Buben beim Versuch beobachtet, mit Vandalismus ein Frauenherz zu erobern. „Da setzt etwas aus in denen, und dann kommt so ein Mist dabei raus“, seufzt er. Der Mist ist, dass seit Juli 2021 kein Passagier mehr von unten nach oben oder andersherum gefahren ist. Ein Gutachten verbietet den Weiterbetrieb – rien ne va plus, nichts geht mehr.

Dafür müssen potenzielle Liftnutzer umso weitere Strecken gehen, sich mühen, Umwege machen. Menschen mit Behinderung, Senioren und Kinderwagenschieber sind die Verlierer dieses ewigen Hickhacks. Und natürlich die Steuerzahler: „Jährlich haben die Reparaturen der Stadt etwa 20.000 bis 30.000 Euro gekostet“, rechnet Schmalhofer vor. „Nun wäre eine Reparatur zur Inbetriebnahme bei circa 120.000 Euro.“

Ersatz würde halbe Million Euro kosten
Komplett neue Aufzüge würden eine halbe Million kosten, wären dafür „noch vandalensicherer“. Eine Garantie gibt es laut Pfauntsch jedoch auch mit der neuesten Ausstattung nicht. „Das kann man nicht abschätzen, vielleicht wäre es ja sogar so, dass jetzt mit der Sicherheitswacht weniger passieren würde.“ Die Hoffnung besteht, aber selbst Kameras konnten die Vandalen zu keiner Zeit bremsen.

Bei der Bürgerversammlung erklärt Schmalhofer auf Nachfrage von Adolf Häusler, dass das Aufzugsinnere zwar videoüberwacht werde, die Maßnahme aber weitgehend verpuffe. Kaugummi oder Kapuze überlisten den Großen Bruder im Aufzugseck. Und drumherum? Rund um die Lifte dürfe man keine Kameras positionieren, „aus Datenschutzgründen“, behauptet der Bürgermeister.

Auch dieser Faktor trägt dazu bei, dass sich der Stadtrat mit einer Entscheidung zum Weiter- oder Neubetrieb schwer tut. Schmalhofer deutet deswegen eine Alternative an: Eine Verlängerung der bestehenden Unterführung. Grundsätzlich denkbar, allerdings teuer und langwierig. Die Bahn habe Zustimmung signalisiert, derzeit läuft eine Prüfung. „Wir benötigen aber noch Kosten und Fördermöglichkeiten, um hier im Stadtrat eine Entscheidung zu treffen“, sagt Schmalhofer. Die Frage ist nun, was ist besser? Ein langer Weg unter den Bahngleisen oder ein Aufzug, der alle paar Wochen nicht nutzbar ist?