Früher hat Tobi Fußball gespielt. Den Spaß daran verlor er aber recht schnell. Zu langsam das Spiel, zu kleinlich die Schiedsrichter, zu viele Schwalben. „Das hab ich einfach nicht aushalten können.“ Mit neun Jahren hängt er die Fußballschuhe schon wieder an den Nagel, tauscht sie gegen Inline-Skates. Heute ist Tobi 15 Jahre alt – und eines der aufstrebendsten Talente Bayerns sowohl im Skater- als auch im Inlinehockey.
Aber eins nach dem anderen: Dass es sowas wie Skaterhockey überhaupt gibt, wusste Tobi vor sechs Jahren noch gar nicht. Zu Ostern hatte er damals Inline-Skates geschenkt bekommen, einen Eishockeyschläger besaß der DSC-Fan schon länger. Und weil Männer eben gern experimentierfreudig sind, hatten sein Papa und er eines Tages die Idee, beides miteinander zu kombinieren. Statt nur hin- und herzufahren, machte Tobi kleine Übungen mit Ball – und hatte so viel Spaß dabei, dass die beiden zu recherchieren begannen, ob man sowas auch im Verein spielen kann. Beim Skaterhockeyverein Pflanz Deggendorf wurden sie fündig.
Wie Eishockey – nur anders
Dort und in Atting, wo die beiden größten Vereine der Region zu Hause sind, wird Skaterhockey wohl Vielen ein Begriff sein. Für alle anderen sei der Sport dennoch einmal kurz erklärt: Skaterhockey ist eigentlich wie Eishockey – nur eben ohne Eis. Die Ausrüstung ist prinzipiell dieselbe, statt auf Kufen sind die Spieler jedoch auf Rollen unterwegs. Das macht das Bremsen etwas anstrengender, insbesondere weil man nicht mit beiden Füßen, sondern nur mit einem stoppen kann. Bremsen an den Fersen, wie man sie von normalen Inlineskates kennt, hat man beim Skaterhockey zudem nicht.
Um auf dem etwas griffigeren Untergrund außerdem ein schnelles Spiel gewährleisten zu können, wird nicht mit einem Puck, sondern mit einem Ball gespielt. Statt fünf Feldspielern stehen nur vier pro Mannschaft auf dem Platz und es gibt weder eine Abseits- noch eine Icing-Regel. Ansonsten ändert sich nicht viel: Gespielt wird 3 x 20 Minuten und wer am Ende die meisten Tore geschossen hat, gewinnt.
Für Tobi genau das Richtige, wie es scheint: Bei den Junioren von Pflanz Deggendorf zockt er so richtig auf. Mit seinen flinken Bewegungen und starkem Stickhandling wird er schnell einer der besten und kann sich dadurch sogar in den Kader der Bayernauswahl spielen. Wo er sich nun mit den besten Nachwuchsspielern aus ganz Deutschland messen darf. Schon bei seinem ersten nationalen Turnier gelingt Tobi mit seiner Mannschaft der große Coup: Im Finale setzt sich die Bayernauswahl gegen das bis dahin ungeschlagene Team aus Nordrhein-Westfalen durch. „Da war die Freude natürlich riesig“, erinnert sich der Hengersberger.
Nationalmannschaft wird auf Tobi aufmerksam
Seine Leistungen gefallen nicht nur seinem Trainer. Nach dem diesjährigen Turnier erkundigten sich zwei Scouts vom Deutschen Inline-Hockeyverband explizit nach dem 15-Jährigen. Ihr Anliegen: Ob er sich vorstellen könne, für den Nachwuchs der Deutschen Inlinehockey-Nationalmannschaft aufzulaufen. Tobi musste nicht zweimal überlegen – voller Stolz sagte er zu.
Wer ganz genau aufgepasst hat, der mag vielleicht irritiert sein. Inlinehockey? Ist das jetzt dasselbe wie Skaterhockey? Die Antwort: nein. Die beiden Sportarten sind zwar miteinander verwandt und ähneln sich in den allgemeinen Spielregeln, jedoch gibt es auch krasse Unterschiede. Zuerst einmal spielt man Inlinehockey nicht mit einem Ball, sondern, wie beim großen Bruder Eishockey, mit einem Puck. Der ist dabei extra auf den raueren Boden angepasst. Darüber hinaus sind die Tore etwas kleiner und – der wohl größte Unterschied – es wird, so gut es geht, ohne Körperkontakt gespielt. Dementsprechend trägt man auch eine andere Ausrüstung, denn auf einen Brustpanzer wird beim Inlinehockey komplett verzichtet.
Dass der DIHV beim Skaterhockey wildert, sei aber gar nicht so ungewöhnlich, erklärt Verbandssportdirektor und U16-Trainer Sébastien Heidt. Man habe zwar einen großen Pool an Spielern, aus dem man schöpfen könne, und gebe diesen Spielern auch Vorrang. „Wenn aber ein Skaterhockeyspieler den Anforderungen entspricht, dann schauen wir uns auch den an. Tobi hat ein starkes Stickhandling, ist extrem schnell.“ Genau das, was es in dem etwas schnelleren Inlinehockey brauche. „Wir haben Qualität gesucht – und gefunden.“
Wechsel ins 50 Kilometer entfernte Atting
Mit einem Puck und zudem ohne Brustpanzer spielen? Natürlich sei das anfangs ungewohnt gewesen, erzählt Tobi. Sein Vereinstrainer Markus Alzinger organisierte deshalb extra zusätzliche Inline-Hockey-Trainingseinheiten. Und das mit Erfolg: Bei seinem ersten Lehrgang bei der Nationalmannschaft klappte es bereits so gut, dass Tobi nun sogar schon für den U18-Kader eingeplant ist. Welcher Sport ihm nun mehr Spaß macht? Beides gefalle ihm richtig gut, sagt er – Skaterhockey aber einen Tick mehr.
Verein, Bayernauswahl, Nationalmannschaft – gar nicht mal so einfach, das alles unter einen Hut zu bekommen. Noch dazu, weil Tobi sich im Sommer entschied, zum 50 Kilometer entfernten IHC Atting zu wechseln, wo auch einige seiner Mitspieler aus der Bayernauswahl auflaufen. Zweimal die Woche hat er Training, jeweils ab 16.30 Uhr. Und weil Tobi auf eine Ganztagesschule geht, muss es an diesen Tagen immer besonders schnell gehen: Um 16 Uhr holen ihn seine Eltern ab und fahren ihn auf schnellstem Weg zum Training, während Tobi im Auto noch eine Kleinigkeit isst. Drei Stunden dauert das Training, weil er nicht nur bei der U16, sondern auch schon bei der U19 mitmacht. Papa Paul und Mama Julia schauen in der Zeit zu.
Skaterhockey auch finanzielle Herausforderung
Allgemein sind die beiden seine größten Fans – und unterstützen Tobi, wo sie nur können. Egal wohin es geht, ob Training, Lehrgang oder Spiel, Paul und Julia sind so gut wie immer dabei. Was ihren Sohn mittlerweile schon zum Schmunzeln bringt: „Es heißt immer, nächstes Mal fährst du allein mit. Aber ich glaube, ich bin noch nie allein zu einem Auswärtsspiel gefahren.“ Worauf seine Mutter erklärt: „Wir schauen einfach gerne zu, vor allem die Turniere der Bayernauswahl.“
Die beiden müssen für Tobis Leidenschaft allerdings nicht nur weit fahren, sondern auch des Öfteren tief in die Tasche greifen. Dass Skaterhockey ein Nischensport ist, macht sich vor allem durch die sehr dürftige finanzielle Förderung bemerkbar. Die Ausrüstung müssen die Spieler beispielsweise komplett selbst bezahlen: Helm, Brustpanzer, Handschuhe, Ellbogen- und Schienbeinschoner, Hose, Inliner-Skates, Tiefschutz, Stock – da bewegt man sich schnell im oberen dreistelligen Bereich. Hinzukommen der jährliche Mitgliedsbeitrag im Verein, die Ausgaben für Anreisenńund Verpflegung bei Auswärtsspielen und Lehrgängen sowie für eine Unterkunft, wenn es zu Turnieren der Bayernauswahl geht. Sogar das Nationalmannschaftstrikot ihres Sohns mussten die Novaks selbst bezahlen.
Das große Ziel: 1. Bundesliga
Auch deshalb wünscht sich Tobi mehr Aufmerksamkeit für seinen Sport. „Beim Skaterhockey geht es so zur Sache“, schwärmt er. „Ich hoffe, dass sich mit der Zeit mehr Leute dafür interessieren. Dann wird es vielleicht auch mehr gefördert.“ Sein großer Traum: Eines Tages in der ersten Bundesliga spielen. Vielleicht hat der Sport bis dahin so viel Zulauf erhalten, dass Tobi sein Hobby sogar zum Beruf machen kann.
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