Wiederaufbau-Pläne
Zerstörte Kunsteisbahn am Königssee: 2026 soll der Rennbetrieb wieder laufen

20.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:00 Uhr

Die bevorzugte Variante hält das für den Hochwasserabfluss problematische Geschiebe und Wildholz oberhalb der Sportanlage zurück und reduziert somit bei einem Unwetterereignis den Feststoffeintrag in den Unterlauf des Klingerbachs. Der Objektschutz schützt dabei nicht nur die Kunsteisbahn, sondern verbessert auch die Situation für alle Unteranlieger.

Dass die zerstörte Kunsteisbahn am Königssee wieder aufgebaut werden soll, darüber herrscht im Landratsamt Berchtesgadener Land sowie im Bayerischen Innen- und Bauministerium Einvernehmen. Nun gibt es einen Zwischenstand, wie die Pläne voranschreiten.



Voraussetzung für den Wiederaufbau: Es gibt umfangreiche Maßnahmen zum Schutz gegen Georisiken und diese sowie der Objektschutz der Bahn gehen nicht zu Lasten der Nachbarn rund um die Bahn. Ein halbes Jahr nachdem der Generalplaner und die Projektsteuerung ihre Arbeit aufgenommen haben (wir berichteten) legt das Landratsamt nun einen Zwischenbericht vor, was in Sachen Objektschutz und Steinschlag vorgesehen ist.

Damit wolle man zudem über eine „erforderliche Verlegung des Rodelstarts informieren“, berichtet Landrat Bernhard Kern. „Die Planungen und Abstimmungen zwischen Behörden wie Fördergeber, Fachbehörden und Fachstellen sowie dem Planungsteam in engster Abstimmung mit dem Bahneigentümer – dem Landkreis Berchtesgadener Land – und dem Bahnbetreiber befinden sich im zeitlichen vorgesehenen Rahmen.“

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Ziel des Projekts ist es, eine nutzungsgerechte Kunsteisbahn als Trainingsstätte für den Nachwuchs- und Spitzensport wiederherzustellen, heißt es im Bericht. Aufgrund der bestehenden Georisiken und im Hinblick auf die Schadensgeschichte ist dabei ein dauerhaft sicherer Objektschutz zu gewährleisten.

Die Maßnahme erfordert daher ein hohes Maß an einheitlich verantworteter, integrativer Planung, um auf der einen Seite eine in sportlicher und wettkampftechnischer Hinsicht attraktive Anlage zu errichten und auf der anderen Seite bei der Projektrealisierung in einem den technischen Anforderungen angemessenen und wirtschaftlich vertretbaren Rahmen zu bleiben, wie es offiziell heißt.

Politiker, Anlieger und Naturschützer informiert

Seit Beauftragung der Planer wurden die Arbeiten, Feldaufnahmen, Untersuchungen und Abstimmungen mit Fördermittelgeber und Vergaberecht vorangetrieben. Mitte Dezember 2022 waren die Mitglieder des Kreisausschusses über den aktuellen Planungsstand in Kenntnis gesetzt worden, wenige Tage später auch die betroffenen Grundstückseigentümer und im Januar diesen Jahres die Naturschützer vom Bund Naturschutz.

Eindrücke der Hochwasserschäden im Berchtesgadener Land im Juli 2021 sehen Sie hier im Video:



Für die Themenblöcke „Objektschutz Bahn Wildbach“ und „Objektschutz Bahn Steinschlagschutz“ wurden von den Experten die in diesem Bereich vorherrschenden Georisiken betrachtet („geologisches Gutachten“) sowie Konzepte zur Umsetzung erarbeitet. Im Folgenden kann hierauf und auf den „neuen Herrenrodelstart“ kurz eingegangen werden. Im Zuge der Wiederherstellung der Kunsteisbahn am Königssee ist ein Objektschutz der Sportanlage für alpine Naturgefahren sicherzustellen. Im Rahmen der wasserwirtschaftlichen Vorplanung wurden unterschiedliche Varianten entsprechend den Vorgaben des Wasserwirtschaftsamts Traunstein untersucht und abgestimmt sowie hinsichtlich funktionaler, rechtlicher, finanzieller und ökologischer Eignung bewertet.

Geschiebe oberhalb der Sportanlage zurückhalten

Des Weiteren werden auch Kriterien wie Resilienz der Schutzbauwerke, Bauästhetik, Projektrisiken sowie Betrieb und Unterhaltung der Schutzbauwerke betrachtet. Um auch die Resilienz der betrachteten Varianten ermitteln zu können, wurde bei der Bemessung beispielsweise der Kronenhöhe ein Extremereignis HQextrem herangezogen. Diese Vorgehensweise erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Umwelt und dem Wasserwirtschaftsamt Traunstein und stellt mittlerweile auch die gängige Praxis in Bayern dar.

Im Laufe des Planungsprozesses wurden zwei Varianten mit grundsätzlich unterschiedlicher Wirkungsweise erarbeitet, wobei sich aufgrund einer detaillierten Abwägung und Betrachtung verschiedenster Aspekte eine Geschiebedosiersperre mit 3800 Kubikmeter Geschiebeverlandungsraum als Vorzugsvariante für die weitere Planung herauskristallisiert hat.

Diese Variante beinhaltet einen Objektschutz, der das für den Hochwasserabfluss problematische Geschiebe und Wildholz oberhalb der Sportanlage zurückhält und somit bei einem Unwetterereignis den Feststoffeintrag in den Unterlauf des Klingerbachs reduziert. In seiner Wirkungsweise ist das Bauwerk so konzipiert, dass der Geschiebetrieb von Mittelabflüssen und kleinen Hochwässern durchgeleitet wird und dadurch einem Geschiebedefizit im Unterlauf entgegengewirkt.

Das Sperrbauwerk wird dafür als Geschiebedosiersperre konzipiert und dadurch eine Geschiebeselbstentleerung bei bettbildenden Abflüssen unterstützt. Der Wildholzrückhalt wird durch einen räumlichen Rechen am Bauwerk sichergestellt. Der Geschieberückhalteraum mit einem Volumen von 3800 Kubikmetern wird durch die Geschiebedosiersperre und einen Absturz (Stützbauwerk) begrenzt. Das Stützbauwerk stabilisiert die Gewässersohle im Oberstrom des Verlandungsraums. Der Objektschutz schützt dabei nicht nur die Kunsteisbahn, sondern verbessert auch die Situation für alle Unteranlieger bzw. die naheliegende Bebauung an der Bahn im Bereich des Klingerbachs.

Noch umfangreicher vor Steinschlag schützen

Neben dem Objektschutz gegen die Gefahren aus dem Wildbach wurde auch der gesamte Bereich der Kunsteisbahn bis hin zum Zielbereich der Bahn hinsichtlich des Schutzes gegen Steinschlaggefahren untersucht. Wie sich zeigte, wird es notwendig, die Bahn auch vor Steinschlagereignissen im gesamten Bahnbereich noch umfangreicher zu schützen.

Aus elf Varianten neuen Herrenstart entwickelt

Auch hier war es erforderlich, die Planung eng mit dem Landesamt für Umwelt abzustimmen, da es deutschlandweit keine einheitliche Dimensionierungsrichtlinie für Steinschlagschutzzäune gibt. Nach Ausarbeitung mehrerer Varianten wird in der Vorzugsvariante die Zauntrasse der bestehenden Steinschlagschutzverbauungen genutzt, wobei fast alle vorhandenen Zäune zurückgebaut und stärker dimensioniert ersetzt werden. Die Lücken in den Bestandszäunen werden dahingehend geschlossen, dass das Schutzziel mittels einer Reihe von entsprechend dimensionierten Steinschlagschutzzäunen erreicht wird. Für den neu zu planenden Rodelstart-Herren im Verbund mit dem Bobstartgebäude und Anschluss an den bestehenden Bahnverlauf der Kunsteisbahn auf Höhe der Kurve Fünf wurden gemäß den Anforderungen des Bob- und Schlittenverband Deutschland (BSD) und des Landratsamts Berchtesgadener Land die gemeinsam in zahlreichen Planungsbesprechungen und Workshops erarbeiteten elf unterschiedlichen Varianten planerisch untersucht und hinsichtlich fahrdynamischer, genehmigungsrechtlicher, funktionaler und wirtschaftlicher Eignung bewertet.

Als Vorzugsvariante für die weitere Planung hat sich eine Variante abgezeichnet, die die Andienung der Bob und Schlitten über die bestehende Verladebrücke möglich macht, was auch funktionell erforderlich ist. Zudem ist im nordwestlichen Bereich zwischen Bobstart und Klingerbach eine entzerrte Funktion für Tribünen und Rettungswege vorgesehen. Des Weiteren ist geplant, die bisher asphaltierte Fläche der Sprintstrecke zu entsiegeln und an das Bestandsgebäude überdacht anzubauen.

Kunsteisbahn wird Bach nicht mehr überqueren

So wird die Kunsteisbahn den Klingerbach nicht mehr überqueren, wodurch die Engstelle, die zur Verklausung des Bachs führte, endgültig beseitigt wird. Auch kann der Bereich des ehemaligen Rodelstarts entsiegelt und somit der Natur zurückgegeben werden. Aktuell werden die Vorentwurfsplanungen weiter verfeinert und die Kostenschätzung erstellt.

Der Baubeginn ist nach derzeitigem Stand für Mitte 2024 vorgesehen. Im Zuge der weiteren Planungen wird untersucht, wie die Anforderungen des Bob- und Schlittenverbands zum CO2-neutralen Betrieb der Bahn und einem vorgezogenen Betrieb von (zumindest) Teilen der Bahn im Rahmen der Umsetzungsprämissen ermöglicht werden können. Die Baumaßnahme soll im Herbst 2026 – zum Start der Saison 2026/2027 – fertiggestellt werden.

Nach Abschluss der Vorplanung wird diese im Mai 2023 den Kreisgremien zur Entscheidung vorgestellt. Somit können ohne Unterbrechung die weiteren Planungen und Abstimmungen mit Fachstellen und Fachbehörden erfolgen. Entwurfs- und Detailplanungen bilden die Grundlage für einen Baubeginn Mitte 2024.

− red