Freistaat lässt Bürgerbegehren prüfen
„Vision Zero“ und Freilassinger Momentaufnahmen: Radentscheid dreht Extrarunde

Infoveranstaltung im Freilassinger Rathaus gut besucht

27.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:23 Uhr

Auch Freilassinger Eindrücke im Verkehrsgeschehen, darunter manchen Zustand an der Industriestraße (im Bild), waren Thema auf der Infoveranstaltung.

Das Rad sei innerhalb der Stadt wirksamer, außerdem praktischer, geldsparender und ökologischer sowieso: Bei einer Informationsveranstaltung zum Bürgerbegehren „Radentscheid Bayern“ haben die lokalen Koordinatoren Kaspar Müller und Simon Tradler kräftig die Werbetrommel gerührt und die Vorteile des innerstädtischen Radverkehrs in den Fokus gerückt. Lob für die Stadt gab’s für Aktionen, Kritik dagegen besonders am Zustand der Radwege an der Industriestraße. Das geht aus einer Pressemitteilung zur Veranstaltung hervor.

Müller und Tradler wollten auf der Infoveranstaltung ursprünglich für die zweite Unterschriften-Runde werben. Doch das Innenministerium machte den bayerischen Radfreunden einen Strich durch diese Rechnung. Bis zum 10. März hatte Bayerns Innenministerium Zeit, den Antrag auf die Zulassung des Bürgerbegehrens zu prüfen. Man hatte sich bis zum letzten Tag Zeit gelassen – um dann doch nicht zu entscheiden. Stattdessen hat man den Antrag dem bayerischen Verfassungsgerichtshof „zur weiteren Prüfung“ vorgelegt. Nach Auffassung des Innenministeriums seien „die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Bürgerbegehrens nicht gegeben“. Darüber hinaus greife der Gesetzentwurf in das Budgetrecht des Parlaments ein, zudem verfüge man als Landesgesetzgeber nicht über die erforderliche Gesetzgebungskompetenz.

Die Initiatoren des Radentscheids vermuten dahinter eine Verzögerungstaktik: Verkehrsminister Christian Bernreiter hatte jüngst angekündigt, an einem bayerischen Radgesetz zu arbeiten. Und das, obwohl die CSU ein solches „jahrelang vehement abgelehnt“ habe, schreiben die Befürworter auf ihrer Website radentscheid-bayern.de. Zudem sei man „optimistisch, dass sich die Richter/innen für die Zulassung des Bürgerbegehrens entscheiden, weil sich unser – von einer spezialisierten Kanzlei erarbeiteter – Gesetzentwurf sehr genau an den strengen Vorgaben für ein Bürgerbegehren orientiert“.



„Vision Zero“


Kaspar Müller und Simon Tradler nehmen diese jüngste Entwicklung zum Anlass, „ein paar Monate mehr“ den Mitmenschen die Argumente des Bürgerbegehrens näherzubringen. Erfreut war man, dass trotz dieser Verzögerung einige Interessierte, auch aus Nachbargemeinden, den Weg ins Freilassinger Rathaus auf sich genommen hatten.

Müller erläuterte anhand einer Präsentation die Ziele des Radentscheides. „Es geht uns vor allem um die Sicherheit der schwächsten Verkehrsteilnehmer“, sagte er in Hinführung auf „Vision Zero“, das heißt null Tote oder schwer verletzte Verkehrsteilnehmer. Diese sei zwar nun in der Straßenverkehrsordnung aufgenommen worden, aber es gelte, dies auch umzusetzen, forderte Müller.

Querungshilfen auch für Radfahrer freigeben?

Anhand von Fotos aus der Freilassinger Verkehrswelt machte Müller anschaulich, wie wichtig es aus seiner Sicht wäre, Bürgersteige und Radwege voneinander zu entflechten. Obwohl „über 60 Prozent“ der innerörtlichen Wege von genau diesen Verkehrsteilnehmern in Freilassing bewältigt würden, werde diesen in der Stadtplanung meist nur ein schmaler Gehweg zugestanden, kritisierte Müller. Ein Besucher merkte an, dass immer dann Gefahr drohe, wenn Radfahrer entgegen der Fahrtrichtung auf Gehsteigen fahren. Aus Sicht der lokalen Koordinatoren von Radentscheid Bayern wäre es „sinnvoll“, vorhandene Querungshilfen mit Zebrastreifen auszustatten und für die Benutzung durch Radfahrer freizugeben.

Radfahrschutzstreifen, wie sie beispielsweise im Zuge des Ausbaus an der Reichenhaller Straße entstehen werden, seien vor Ort nur teilweise vorhanden oder noch in Planung. Gerade an stark befahrenen Straßen seien solche aber „bitter nötig“, meinte Müller. Der Vorsitzende des hiesigen Radsportvereins, Christian Schuster, sprach zudem den Zustand der Radwege auf der Industriestraße an, nannte sie „unfahrbar“. Seit 30 Jahren sei das so, und immer noch passiere nichts.

Auch Schnellwege ein Thema

Zusätzlich zu den Alltagsradwegen, die ja auch die Staatsregierung propagiert, ohne allerdings die Gemeinden bisher mit den nötigen finanziellen Mittel auszustatten, werden im Radentscheid auch Radschnellwege gefordert. Diese sollen Gemeinden verbinden, um den Bürgern auch außerhalb der jeweiligen Stadt oder Gemeinde eine Variante zur Autonutzung anzubieten. Ein Beispiel hierfür sei der Radschnellweg mit Salzburg, der seit über zehn Jahren diskutiert werde. Nun habe Verkehrslandesrat Stefan Schnöll viel Geld bereitgestellt, jetzt sei die deutsche Seite dran.

Als Stadtentwicklungsbeirat für Verkehr wollte Wolfgang Fieweger manches nicht unkommentiert stehen lassen. Schließlich habe der Stadtrat unlängst beschlossen, dass grenzüberschreitende Fahrradbrücken in den wichtigen Landesentwicklungsplan aufgenommen werden sollen und es wurden auch schon einige hunderttausend Euro in die Planung investiert. Er verwies auch auf die Aufnahme der Stadt in die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen (wir berichteten). Diese Arbeitsgemeinschaft wird von der bayerischen Landesregierung gefördert und das Brückenprojekt war bei der Aufnahme in die Gemeinschaft ein entscheidendes Projekt.

Lob an die Stadt

In der allgemeinen Aussprache wurden städtische Angebote wie das des „Stadthamsters“ (Lastenfahrrad) oder das „Stadtradeln“ (siehe Text oben) als „schön und wichtig“ kommentiert. Positiv wurde auch vermerkt, dass die Schneeräumung auf den Radwegen seitens der Stadt gut funktioniere.

Bis zur Prüfung durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof wird nun einige Zeit vergehen. Verkehrsminister Bernreiter könne die gewonnene Zeit ja nutzen, um am Radgesetz zu arbeiten, empfahlen Müller und Tradler leicht süffisant.

− red