Der Bund Naturschutz im Berchtesgadener Land sieht sich „in seiner ablehnenden Haltung zum Klinikneubau zwischen Saalach und B20/21 in Bad Reichenhall bestätigt“. Das schreiben die Verantwortlichen in einer Presseaussendung, nachdem sie sich mit dem Vorentwurf des Bebauungsplans „Campus Zentralklinikum Berchtesgadener Land“ befasst haben.
Als „gewichtige Gründe“ nennt die Organisation „Artenschutz, Hoch- und Grundwasserschutz, städtisches Klima und Freizeiteinrichtungen sowie die Verkehrserschließung“.
Der Reichenhaller Stadtrat hatte den Vorentwurf Ende Oktober mit 21:1 Stimmen gebilligt, anschließend lagen die Unterlagen öffentlich aus. Bürger und Träger öffentlicher Belange konnten Stellungnahmen abgeben. Diese werden dann wieder öffentlich behandelt.
„Beachtlicher Reichtum an seltenen Fledermausarten“
Der Bund Naturschutz hat eine „sehr ausführliche Stellungnahme“ bei der Stadt abgegeben, wie Michael Wittmann, Vorsitzender der Ortsgruppe Bad Reichenhall, berichtet. Die Presseaussendung hat er zusammen mit der Kreisvorsitzenden Rita Poser verfasst. Darin heißt es unter anderem:
Auf dem betroffenen Grundstück sei ein „beachtlicher Reichtum an seltenen Fledermausarten dokumentiert“ worden, unter anderem die vom Aussterben bedrohte Wimperfledermaus, die Zweifarbfledermaus, die Mopsfledermaus, die Bechsteinfledermaus und die kleine Hufeisennase. „Artenkenner Wolfgang Bittner weist darauf hin, dass von den 24 in Deutschland beheimateten Fledermausarten am Planungsgelände 17 Arten nachgewiesen werden konnten.“
Aufhängen von Fledermauskästen hilft nicht
Wimper-, Mops- und Bechsteinfledermaus seien laut EU-Recht streng geschützte Arten des FFH-RL Anhang II, für die ein eigenes Schutzgebiet ausgewiesen werden müsse. Forschungsarbeiten hätten gezeigt, dass das Aufhängen von Fledermauskästen für die besonders streng geschützten Arten, wie in den Planungen beschrieben, keine wirksame Gegenmaßnahme als Ersatz für den zerstörten Lebensraum sei.
Mit der Rodung der „besonders wertgebenden Lindenallee“ und weiterer Bäume, den jahrelangen Baumaßnahmen und dem Neubau werde das Habitat so beeinträchtigt, dass von einem Erlöschen mancher Vorkommen bzw. einer Abwanderung auszugehen sei. Das stelle einen Verbotstatbestand nach dem Bayerischen Naturschutzgesetz dar und sei „auch mit EU-Recht unvereinbar“.
Versiegelung von etwa 40.000 Quadratmeter Grünland
Der Neubau würde mit einer Versiegelung von etwa 40.000 Quadratmeter Grünland zu „schwerwiegenden Auswirkungen auf Natur, Mikroklima, Niederschlagswasser und Biodiversität führen, ganz abgesehen vom Verlust des Naherholungsgebiets“.
Mit der zunehmenden Erwärmung würden Kaltluftentstehungsgebiete wie an der Saalach für das Kleinklima immer wichtiger. Diese Funktion würde verloren gehen. Im Zentrum des Baugebiets, jetzt neben dem Skaterplatz, steht die Lindenallee, die dem Neubau weichen soll. Sie habe „landschaftsprägenden Charakter“ und könne durch Ersatzpflanzungen „nicht kompensiert werden“. Mit der Rodung würde die „grüne Achse der Stadt vom Axelmannstein-Park bis zur Saalach als wesentliches städtebauliches Element unterbrochen“ und durch einen „fast 300 Meter breiten und bis 32 Meter hohen Betonklotz“ ersetzt.
Zweifel in Sachen Hochwasser und Grundwasser
Nach Aussagen der Kliniken Südostbayern bestehe am jetzigen Krankenhaus-Standort in der Riedelstraße eine „prekäre Grundwassersituation“, aber am geplanten Standort in direkter Nachbarschaft zur Saalach sehen die Planer keine Gefahren durch Hoch- oder Grundwasser. „Das halten wir für unseriös, angesichts der stetig zunehmenden Extremwetterlagen in den letzten Jahren, forciert durch den Klimawandel,“ so Wittmann. In den Unterlagen fehlen aus seiner Sicht „grundlegende Angaben zur Bautiefe und zu den Grundwasserpegeln bei verschiedenen Wasserständen der Saalach“. Aus den Planungsunterlagen für das Wasserkraftwerk Nonner Rampe könne man abschätzen, dass der 5,5 Meter unter der Geländeoberfläche geplante Wirtschaftshof „bereits bei mittlerem Wasserstand der Saalach den Grundwasserspiegel tangiert“.
Auch zum „Auftriebsproblem der Baugrube bei Hochwasser“ nehmen die Projektanten aus Sicht des Bund Naturschutz „völlig ungenügend Stellung“. Das Straßenbauamt habe 2017 wegen dieses Auftriebs vor einer sogenannten Einhausung mit entsprechender Absenkung der B20/21 gewarnt, ruft der Bund Naturschutz in Erinnerung. Ein durch das Klinikum verursachter Grundwasserstau werde „erstaunlicherweise überhaupt nicht erwähnt“.
Der Geologe Dr. V. Diersche weist laut Bund Naturschutz auch darauf hin, dass laut Bayerischem Landesamt für Umwelt das Baugelände in einem „zum Teil gefährdeten Hochwasser- bzw. Überschwemmungsgebiet“ liegt. Bei einem hundertjährigen Hochwasser und Extrem-Hochwasser sei „zu befürchten, dass – ohne Schutzmaßnahmen – bis zu 50 Prozent des Klinik-Geländes und mehr überschwemmt werden könnten“.
Offene Fragen bei der Zufahrt
„Die geplante Verkehrsführung erinnert an einen verstiegenen Bergsteiger, der immer verwegenere Routen und Auswege sucht, statt vernünftigerweise umzukehren“, meint Bund-Naturschutz-Vorstandsmitglied Peter Renoth. Weiter hebt er hervor, dass das bestehende Kreiskrankenhaus über mehrere unterschiedliche Wege erreicht werden kann. Er fragt sich: Wie kann die neue Zentralklinik von Rettungskräften verzugsfrei erreicht werden, wenn bei Starkregen oder Grundwasseranstieg die Unterführung Kurfürstenstraße überflutet wird, was die Starkregensimulation der Stadt aus 2023 vermuten lässt?
Insgesamt lassen die Unterlagen aus Sicht des Bund Naturschutz viele Fragen offen. Insbesondere werde „die Notwendigkeit der Planung nicht stichhaltig belegt, wodurch das gesamte Projekt als maßlos überzogen erscheinen muss“. Im „gesamtgesellschaftlichen Interesse“ sei eine „kostengünstige, ressourcen-schonende Alternative mit einem Teilneubau an der Riedelstraß die nachhaltigere, sicherere und bezahlbare Variante“.
− red
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