Der Bauausschuss Freilassing (Berchtesgadener Land) hat am Dienstag einstimmig eine elfseitige Stellungnahme zum Kraftwerk der Firma Kaindl beschlossen. Deren Inhalt wird hier in Auszügen wiedergegeben.
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So gibt es etwa eine deutliche Diskrepanz in der Bewertung des betroffenen Gebiets. Während in der Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) die Rede davon ist, dass sich in „circa 1,5 Kilometer Entfernung“ der Siedlungsraum von Freilassing befinde, beziffert die Stadt den Abstand zur Wohnsiedlung Saalachwehr auf 500 Meter. Zudem erfolgt der Vergleich der Gesamtbelastung mit den Grenzwerten in der UVE nach den österreichischen Regelwerken. Die Stadt pocht hingegen darauf, das Untersuchungsgebiet sowie den -umfang anhand der in Deutschland geltenden Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) festzulegen. Zudem sind aus ihrer Sicht die Maßstäbe des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) anzulegen. Demnach wären Gebiete im Radius von 2,7 Kilometern (siehe auch Bild) betroffen und zu untersuchen.
Da durch das Projekt Siedlungsgebiete, Erholungsflächen, Sportflächen, Vogelschutz- und FFH-Gebiete in Freilassing betroffen sind und sich die Stadt im Einflussbereich einer der beiden Hauptwindrichtungen befindet, fordert die Stadt, sämtliche Belange und Auswirkungen auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft genau zu untersuchen und negative Einwirkungen auszuschließen. Hinzu komme, dass sich etwa 500 Meter von der geplanten Brennstoffannahmestelle und etwa 1,2 Kilometer vom geplanten Kamin entfernt die zwei Natura-2000-Schutzgebiete „Salzach und Inn“ sowie „Salzach und Unterer Inn“ befinden. Bei diesen handle es sich zudem um Landschaftsschutzgebiete, Biotope und eine Biosphärenregion, was im Rahmen der UVE jedoch nicht betrachtet worden sei.
Ein gewaltiger Dorn im Auge sind dem Rathaus die detailliert aufgelisteten Brennstoffe, deren Zusammensetzung in der Planung jedoch nicht fixiert sei. Bei der Stadt fragt man sich daher insbesondere, wie der Abfallinput kontrolliert werde, wie das Qualitätsmanagement aussehe, in welchem Umfang die Messung von Schwermetallen erfolge und wie die Kontrolle bei der Emission von Schwermetallen sichergestellt sei.
Keinen Hehl macht die Verwaltung auch daraus, dass sie die Anlage mit einer geplanten Brennstoffleistung von 150 Megawatt (MW) als deutlich zu überdimensioniert einstuft. Da die überschüssige Energie ins Fernwärmenetz eingespeist werden soll, lägen die Vorteile für Kaindl und die Stadt Salzburg auf der Hand. Allerdings: „Für die Stadt Freilassing hat das Projekt keine Vorteile, ganz im Gegenteil.“
Weiters stört sich die Stadt daran, dass die UVE zu dem Ergebnis komme, dass durch die Luftschadstoffimmissionen keine Beeinträchtigung für Pflanzen, Tiere und die biologische Vielfalt auf deutschem Staatsgebiet zu erwarten sei. Dies sieht sie zumindest bei den Natura-2000-Gebieten entschieden anders. Ihrer Ansicht nach werden die Schwellenwerte in Teilen überschritten, weshalb das Vorhaben zunächst nicht zulässig sei und eine Ausnahmeprüfung erfolgen müsse. „Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob es zumutbare Alternativen für das Projekt gibt. Beispielsweise wäre es möglich, auf die Verbrennung von Abfällen zu verzichten“, lautet daher die unmissverständliche Forderung der Stadt.
Drohen wegen Kamin noch mehr Flüge über die Stadt?
Die dafür erforderliche Kaminhöhe könnte nämlich auch einen entscheidenden Einfluss auf den Flugverkehr haben, befürchten die Stadt und Fluglärm-Referentin Bettina Oestreich (FWG), die ebenfalls eine Stellungnahme abgibt, unisono. Denn laut Planung würde die Kaminhöhe die festgelegte Sicherheitszone um fast fünf Meter übersteigen. Konkret könnte dies dafür sorgen, dass eine bestimmte Route verhindert und diese auf deutsches Staatsgebiet „verschoben“ wird. „Die Stadt Freilassing fordert daher einen Nachweis, dass durch das Projekt keine negativen Auswirkungen hinsichtlich der Flugbewegungen über das Freilassinger Siedlungsgebiet kommen werden.“
Ein Gutachten fordert die Stadt aber nicht nur für den Verkehr in der Luft, sondern auch für jenen am Boden. So sei zwar im Rahmen der UVE die externe Anlieferung der Ersatzbrennstoffe für die direkte Umgebung in Österreich betrachtet worden. Zu Auswirkungen aufs Straßennetz in und um Freilassing sowie auf den Bahnverkehr auf deutschem Gebiet gebe es darin jedoch keinerlei Angaben. Für Bürgermeister Markus Hiebl alleine schon deshalb ein Unding, weil es erklärtes Ziel sei, dass einmal bis zu 50 Prozent der Ersatzbrennstoffe auf der Schiene den Weg zu Kaindl finden sollen. Dabei sei der Bahnhof Freilassing als Knotenpunkt schon jetzt am Anschlag und auch die Kapazitäten auf den Gleisen begrenzt.
Weiters seien eine Verschmutzung der Salzach zu vermeiden und bei Lärmemissionen die geltenden Grenzwerte einzuhalten. Zudem verlangt Freilassing eine Aussage dazu, wie im Falle eines Störfalls – beispielsweise Brand oder Explosion –, bei dem gefährdende Stoffe freigesetzt werden, die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet werden kann. Sollte das Projekt realisiert werden, fordert die Stadt zudem die „Einrichtung einer permanenten Messstelle für Umweltbelastungen mit direkter Anbindung an die bayrische Umweltbehörde“. Diese soll auf deutschem Gebiet an geeigneter Stelle entstehen. Der Stadt schwebt hier der Bereich Nähe Zollhäusl vor, womit sichergestellt werden solle, dass der Betreiber sofort reagieren kann, sollten Grenzwerte überschritten werden.
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